Rödelheim kennt man als musikinteressierter Mensch wohl nur als Ursprungsort peinlicher deutscher Hip Hop-Projekte, doch Samstagabend gab es einen anderen Grund, hinzufahren: Als Teil seiner aktuellen Tournee „At Home with Sophia“ trat im Tonstudio Yellowstage Robin Proper-Sheppard alias Sophia auf.
Das Konzept dieser Tournee besteht darin, die Songs allein auf der Akustikgitarre an kleinen, intimen Spielorten aufzuführen, und so war das Tonstudio nicht nur eher schwer zu finden, sondern es fasste auch nur um die 100 Leute, die sich auf Bierbänken scharten, während auf der Bühne zunächst ein Tonbandgerät lief.
Herr Proper-Sheppard ist dafür bekannt, etwas empfindlich, um nicht zu sagen launisch zu sein, wenn ihn bei seinen Auftritten etwas stört. Unsere Sitzplätze in der zweiten Reihe in gefühlten 10 cm Abstand zur Bühne ließen uns deshalb kaum frei atmen – was, wenn wir durch ein falsches Geräusch, Geschwätz oder einen gelangweilten Gesichtsausdruck den Meister verärgern würden? Wir sorgten uns, während wir das Bühnenbild betrachteten: Neben dem erwähnten Tonband gab es auch postergroße Drucke von Albumcover, wobei die hier enthaltene Pappheizung auf höchster Stufe zu laufen schien - oder war das der Angstschweiß?
Als Robin schließlich die Bühne betrat, das Tonbandgerät abschaltete und das erste Lied „Heartache“ spielte, trug er nicht zur Entspannung bei, denn er brach den Song ab und erklärte, dieses Lied habe er nun selbst versemmelt, normalerweise sei aber das Publikum schuld. Außerdem ermahnte er uns zur absoluten Stille, da das gesamte Konzert aufgezeichnet werde und man durch das Spezialmikrophon jeden Mucks hören könne.
Immerhin, grundsätzlich war er gut gelaunt, streifte seine Lackschuhe ab und begann den nächsten Song „So Slow“, der manchen Konzertbesucher zu Tränen rührte.
Die Setliste, erklärte er uns, bestand im Wesentlichen aus den Musikwünschen einer extra aus Italien für das Konzert angereisten Tanja (dem „number one fan from Italy“), die sich nicht weniger als 25 Lieder gewünscht hatte. Robin hatte versucht, diese in ein sinnvolles Listenformat zu bringen, dabei aber keinen Erfolg gehabt. Letztendlich spielte er dann alles von der entworfenen Liste und einiges zusätzlich („Swept Back“, „Another Trauma“, „Holidays Are Nice“, „Lost“, „Directionless“), nicht ohne anzumahnen, dass niemand der deutschen Zuschauer Wunschsongs für das Konzert eingereicht habe – das wäre nämlich vorab per E-Mail möglich und auch erwünscht gewesen.
Nach einigen weiteren traurigen und aufrüttelnden Liedern kam es zum nächsten Ärgernis, denn an den leisen Stellen waren plötzlich leise aber deutlich Fernsehgeräusche (wohl vom DFB-Pokalendspiel) zu hören. Herr Sophia bat erst von der Bühne aus darum, den Fernseher, wo auch immer er sei, auszuschalten; als nichts passierte, wurde es ernst: Mit dem Hinweis, dass „all hell will break loose“, begab er sich nach nebenan, und fast erwartete man, demnächst einen entsetzten Todesschrei zu hören und zu sehen, wie die blutverschmierten Überreste des Fernseh-Störers an die eigentlich abgehängte Scheibe des Nebenraums fliegen würden.
Nichts dergleichen geschah, Robin kehrte aufgeräumt zurück und erklärte, das Geräusch komme aus dem Nachbarhaus, und die Nachbarn könne er nicht verprügeln, weil er bereits seine Schuhe ausgezogen habe. Außerdem würde er bei viel mehr Lärm komponieren, also sollte das Performen auch bei ein bisschen Fernsehradau funktionieren.
Tatsächlich gab es also offenbar keinen Grund, Angst zu haben, und auch nach dem Konzert begab sich der Sänger unverzüglich an den Merchandise-Stand, nötigte alle Besucher, sich in die Liste für den kostenlosen Erhalt der Konzertaufnahme einzutragen, verkaufte seine CDs und signierte bereitwillig. Nett.
Auch Selbstironie ist ihm nicht fremd – so erwähnte er nach einer Pause zum Getränkeholen, auch für ihn sei es anstrengend, die eigenen Songs für zwei Stunden zu akustischer Gitarre zu präsentieren, weil sie selbst ihn deprimieren würden. Der Veranstalter des luxemburgischen Konzerts derselben Tournee habe angesichts der Ankündigung, zwei Stunden spielen zu wollen, mit den besorgten Worten „You know, your music is not so bright“ reagiert.
Die in Frankfurt begeistert aufgenommene geballte Schmerzdosis fand schließlich ihr Ende, und das Konzert schloss mit einer Zugabe von drei Liedern: „The Last Dance“, „You Are My Everything“ (Coverversion eines Anna Ternheim-Lieds) und „There Are No Goodbyes“.
Das ganze in der Musik transportierte Leid ist dabei durchaus authentisch. Lied um Lied drehte sich um Trennungen, unerwiderte Liebe, Enttäuschungen, den Krebstod der Mutter und menschliche Tragödien, und während den Erläuterungen zum Inhalt eines Liedes erwähnte der Autor und Sänger, dass er bisweilen gefragt werde, ob die Lieder alle auf persönlichen Erfahrungen beruhten. Die Antwort: „Every fucking word.“
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