Und das geht so: Marcus Wiebusch in der Hamburger Markthalle

by - Oktober 31, 2014


Dieses Jahr schenkte ich meinem Freund zum Geburtstag eine Reise nach Hamburg mit Besuch des Miniatur Wunderlands. Er beschloss, die Reise in seinen Herbstferien in Anspruch zu nehmen und suchte nach passenden Konzerten, ohne die beinahe jede Reise für ihn sinnlos wäre. Bei Marcus Wiebusch wurden wir schnell enttäuscht: Es sollte ein Konzert in der Markthalle geben, aber dieses war bereits lange ausverkauft. Dann aber hatten wir Glück, denn auf Umwegen schafften wir es sogar auf die Gästeliste!

Dass Hamburg für Wiebusch ein besonderes Konzert darstellen würde, war von Anfang an klar, besonders bekam das zunächst die Vorband Pink Lint zu spüren, für deren 40-minütiges Set sich niemand so recht interessieren wollte. Nur einmal gab es richtig viel Applaus, nämlich als der Sänger ankündigte, dass nun das letzte Lied käme. Als er dann noch ausführte, dass alle am Merchandise-Stand willkommen seien, rief jemand ungeduldig von hinten "Spiel endlich das letzte Lied!"


Eine derart rüde Behandlung wünscht man natürlich keiner Band, aber auch ich war froh, als das Set vorbei war, denn musikalisch konnte mich die Band so gar nicht überzeugen. Ich bin gespannt, ob ihr Debütalbum bei Grand Hotel Van Cleef Begeisterungsstürme auslöst.

Ich hatte bereits im Vorfeld gehört, dass Marcus Wiebuschs "Soloauftritte" mit erstaunlich vielen Musikern stattfinden, deshalb war ich nicht sonderlich überrascht, als diverse Blasinstrumente inklusive einer riesigen Tuba auf die Bühne getragen wurden, zusätzlich hatte Marcus noch einen Keyboarder (Pär Lammers von Jack Beauregard) und einen Schlagzeuger dabei, während er vorne selbst, umgeben von Bassist und Gitarrist, mit der Gitarre stand.


Los ging das sofort vom Publikum umjubelte Konzert mit "Springen" vom Debüt-Soloalbum "Konfetti". Anschließend behauptete Marcus, der HSV liege gerade gegen Bayern München mit 0:4 zurück ("stimmt überhaupt nicht, aber ich muss ja Stimmung machen"). Dann erklärte er den Inhalt von "Das Böse besiegen (der Exorzismus des David R.)" - es ginge um Freunde, die einen mitten in der Nacht anrufen und erklären, sie müssten sich jetzt umbringen, weil irgendeine Frau nicht zurückruft - und den Wunsch, solche Luxusprobleme durch Exorzismus zu beseitigen.

Nach diesem Song hörte man den lauten Zwischenruf "Geile Bläser", auf den Marcus gespielt erbost reagierte: "Der Schlagzeuger spielt wie ein Uhrwerk, ich singe mir den Arsch auf, und hier kommt "Geile Bläser", das hatte ich auch noch nie. Als jemand zaghaft "Geiler Schlagzeuger!" rief, entgegnete Marcus "Was wir brauchen, sind mehr Zwischenrufe!"


Nach "Jede Zeit hat ihre Pest" erklärte der Sänger er habe das Problem, dass er zwar darauf brannte, mit dem Soloalbum auf Tour zu gehen, aber schnell feststellen musste, dass er keine abendfüllende Anzahl von Liedern hatte. Also werde er machen, was alle machten, und auch etwas von der "alten Band" spielen - "aber in einer neuen Version!"

Das nun folgende "Balkon gegenüber" wurde dann zugegebenermaßen mit den Bläsern gespielt, war aber durchaus der altbekannte Kettcar-Song. Als dieser vorbei zu sein schien, erklärte Marcus, das Besondere komme erst jetzt: Er habe eine Zusatzstrophe aus Sicht des Manns auf dem Balkon geschrieben - und diese folgte nun.


Dann kamen weitere Songs vom Soloalbum, die gerne und häufig mit "... und das geht so!" angekündigt wurden, ebenso nahm Marcus häufig Bezug auf sein "sexy dancing": Bei den drei Liedern, die er in einer Art Sprechgesang vorträgt und nicht selbst mit der Gitarre unterstützte ("Jede Zeit hat ihre Pest", "Haters Gonna Hate", "Der Tag wird kommen"), tanzte er ein wenig unbeholfen auf der Bühne herum und fühlte sich in dieser neuen Rolle noch ein wenig unwohl - weshalb er auch erklärte, dass die Hip Hop-Geste, bei der die Sänger mit dem einen Arm wedeln, sicherlich daherkommt, dass sie mit der Nicht-Mikrophon-Hand sonst nichts anzufangen wüssten.

Nach "Haters Gonna Hate", das mit seinen wummernden Beats etwas aus dem Rahmen fiel, folgte mit "Lattenmessen" ein weiterer Kettcar-Song, der vom ersten Album stammte und von der Band laut Wiebusch in den letzten zahn Jahren nicht gespielt wurde, weil er zu "emo" sei. Aber: "Emo kommt jetzt wieder! Und ich bin dann vorne dabei!"


Es ging auch noch weiter zurück in die Vergangenheit, denn Wiebusch hatte auch alte Songs der Kettcar-Vorgängerband But Alive im Programm und es folgte "Vergiss den Quatsch", so dass auch Langzeit-Fans von der Songauswahl positiv überrascht wurden.

Nun wurde mit "Der Tag wird kommen" der letzte Song angekündigt ("Das ist der letzte Song, aber die gute Nachricht ist: Er dauert sieben Minuten!"). Das wütende Lied wurde dann auch gebührend vom mit Konfetti beschossenen Publikum gefeiert und war neben "Nur einmal rächen" das Lied mit den positivsten Publikumsreaktionen.


Ganz vorbei war das Konzert nun aber (natürlich) noch nicht, die Band kehrte zurück und spielte noch "Was hätten wir denn tun sollen", das einem alten Solo-Demo aus But Alive-Zeiten entstammt, und zu dem Wiebusch anmerkte, dass er eine Gänsehaut hätte und die Bläser jeden Abend besser würden, sowie "Der Fernsehturm liebt den Mond" vom Soloalbum und, begleitet von Pogo unter den Fans ganz vorne, "Deiche" von Kettcar. Danach wäre eigentlich wirklich Schluss gewesen, aber Wiebusch ließ sich mit den Worten "Den Song haben wir auf der Tournee erst einmal gespielt und hatten ihn in Reserve, falls es mal brennt, und heute brennt es" und "Tourhöhepunkt" noch zu einer Zugabe-Zugabe überreden und spielte noch "Sie war, sie ist, sie bleibt" von But Alive.

So endete unser Besuch in der Hamburger Markthalle, zu der man sagen muss, dass sie eine gute Konzertlocation ist: Wegen der nach allen Seiten aufsteigenden Ränge hat man von beinahe überall eine gute Sicht auf die Bühne. Das Konzert mit Marcus Wiebusch in Hamburg war wie erwartet für Künstler und Publikum eine emotionale Sache, im positiven Sinne. Auch als Nicht-Hamburger war es schön, einen sichtlich glücklichen Künstler vor einem ausgesprochen begeisterten Publikum zu sehen.


Setliste:

Springen
Das Böse besiegen (der Exorzismus des David R.)
Jede Zeit hat ihre Pest
Wir waren eine Gang
Balkon gegenüber (Kettcar Cover)
Off
Schwarzes Konfetti
Nur einmal rächen
Was wir tun werden
Haters Gonna Hate
Lattenmessen (Kettcar Song)
Vergiss den Quatsch (But Alive Song)
Der Tag wird kommen

Was hätten wir denn tun sollen
Der Fernsehturm liebt den Mond
Deiche (Kettcar Song)

Sie war, sie ist, sie bleibt (But Alive Song)

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