The Cure sind eine Band, die ich von Rechts wegen viel lieber mögen müsste, als das tatsächlich der Fall ist. Immerhin wuchs ich in den späten 80ern auf, und ich mochte Bands aus demselben Umfeld (dem der düsteren Musik, die es gerade noch in den Mainstream schaffte), sehr gerne. Dennoch habe ich es nie weit über die Singles-Kollektion und das eine oder andere Lied danach hinaus geschafft - vielleicht war meine Liebe zu Depeche Mode einfach zu groß, um Robert Smith auch noch in mein Herz zu lassen?
Folglich wäre ich nie auf die Idee gekommen, wegen The Cure extra nach London zu reisen. Allerdings war die Reise bereits gebucht, als das Konzert angekündigt wurde, mein Freund behauptet, "Disintegration" sei eines seiner liebsten Alben aller Zeiten und ich hatte für den Abend keine Alternativpläne. Also gingen wir eben am Tag nach Slowdive auch noch zum dritten The Cure-Konzert meines Lebens (die ersten beiden fanden im Rahmen von Festivals statt, 1993 und 2012!).
Wie gesagt, von The Cure war bei der Reisebuchung nicht die Rede gewesen, weshalb ich uns ein schickes Hotel in den Docklands gebucht hatte - weiter weg vom Hammersmith Apollo konnte man im innenstädtischen Bereich kaum wohnen, und wie sich zu unserer Überraschung zeigte, stellen die Londoner U-Bahnen am Sonntagabend relativ früh ihren Betrieb ein. Das in Kombination mit The Cure, die für episch lange Konzerte bekannt sind (das Konzert war sehr präzise als 150 Minuten lang angekündigt), bereitete mir im Vorfeld große Sorgen. Immerhin erfuhren wir aber, dass der Konzertbeginn kurzfristig nach vorne verlegt worden war, offenbar wollte man sicher gehen, dass nicht Tausende gestrandeter Gothics in Hammersmith würden übernachten müssen.
Bei unserer Ankunft am Apollo hieß es zunächst Schlange stehen. Auch an diesem Abend schienen sich viele andere Deutsche eingefunden zu haben, außerdem wie erwartet viele schwarz gekleidete, gut gelaunte Menschen, vereinzelt auch mal im Ballkleid.
Vorband waren die ebenfalls nicht ganz taufrischen And Also The Trees - eine Band, deren Demotapes früher von Robert Smith gesponsort wurden. Die Band-Freundschaft dauert also offenbar an. Durch die langen Einlass- und Garderobenschlangen verpassten wir allerdings einen Großteil ihres Sets.
Wie vorab versprochen ging es recht flott weiter mit The Cure. Robert Smith trug selbstverständlich seine Vogelnestfrisur , verschmiertes Make-up und dazu ein zeltartiges, schwarzes Hemd mit Spiralnebelmuster. Bei manchen Songs griff er zu Zusatzinstrumenten, so bei"Wailing Wall" zu einer Doppelflöte, direkt danach kurz zur Mundharmonika ("Bananafishbones") und mehrmals zum Tambourin.
Vom Schlagzeuger und Keyboarder nahm man im Grunde keine Notiz. Der Gitarrist (Reeves Gabrels, der erst seit 2012 bei der Band ist) stand nahezu unbeweglich da und sah aus wie ein verrückter Professor, der Bassist (Simon Gallup seit 1979 mit knapp 3-jähriger Unterbrechung in der Band) war dagegen ständig in Bewegung und sah weniger nach Gruftrock als nach Rockabilly aus. Zeitweise gab es Probleme mit dem Bass, bei einem Song saß er zu Füßen des Schlagzeugs und vor der an den Monitorboxen hängenden Fahne von Reading.
Im Bühnenhintergrund gab es sechs Scheinwerfertürme, die die LED-Leinwand fast verdeckten, was auch fast egal war, denn auf ihr wurde das Bühnengeschehen verkleinert von einer festen Kamera übertragen, teilweise als eine Art Kaleidoskop.
Wie erwähnt bin ich nicht viel tiefer ins Werk von The Cure eingetaucht als bis zu den Singles, daher dauerte es bis zum 7. Song ("The Caterpillar"), bis ich einen kannte. Mit "Close To Me", "Lullaby" und "High" gelang mir etwas später sogar ein Hattrick. Gerade bei Hits wie "Just Like Heaven" schwappte die Begeisterung über, diese waren aber vor allem in den drei Zugabenblocks von jeweils 4 Songs leider ein wenig spärlich gesät. So wartete man auf Klassiker wie "In Between Days", "10:15 Saturday Night" oder "Friday I'm In Love" leider vergeblich, aber es war ja schließlich auch Sonntag...
Ansonsten war die Setliste äußerst kurios: Nur 6 Titel einer aus 40 Songs bestehenden Reihung waren jünger als 20 Jahre, um genau zu sein: "Never Enough", "Wrong Number", "Before Three", "alt.end", "Want" und "The Hungry Ghost".
Mit "A Man Inside My Mouth", der B-Seite von "Close To Me" aus dem Jahr 1985, fand ein Song seine Live Premiere "Wailing Wall" und "The Empty World" wurden erstmals seit 1984 gespielt, "Piggy In The Mirror" war live auch seit 17 Jahren nicht zu hören gewesen. Alle 3 Songs stammen vom Album "The Top", das im Verlauf des Konzertes vollständig dargeboten wurde.
Gerade ältere Fans kamen somit voll auf ihre Kosten und erhielten die ein oder andere Weihnachtsüberraschung von Robert Smith. Alle anderen freuten sich, wenn sie bei "From The Edge Of The Deep Green Sea" die Hände in die Luft reißen, bei "Play For Today" mitsingen und bei "A Forest" mitklatschen und somit klassischen The Cure-Ritualen folgen konnten.
Die angekündigten 150 Minuten waren irgendwann vorbei, Robert Smith hatte aber offensichtlich noch Lust und zwar jede Menge. An seinem 50sten Geburtstag spielte er in Mexiko vier Stunden, die 3-Stunden-Marke wurde auch schon oft übertroffen, bei diesem Konzert kamen The Cure aber immerhin auch auf rund 170 Minuten und präsentierten uns noch einen tollen vierten Zugabenblock: "The Lovecats", "Let's Go To Bed", "Why Can't I Be You?" und "Boys Don't Cry". Da Weihnachten vor der Türe stand, wurde das Set mit "Hey You!" (Yes you, the one that looks like Christmas, come over here and kiss me, kiss me) beendet.
Wie zur Illustration der Tatsache, das weder The Cure noch ihre Fans die Allerjüngsten sind, machte ich am Ende noch eine kuriose Beobachtung. Ausgerechnet während des letzten Zugabenblocks, der all die Hits enthielt, die selbst ich kannte, war ich bereits ins Foyer vorgegangen, um vor dem großen Ansturm auf die Garderobe schon einmal unsere Jacken abzuholen - es galt schließlich, die letzte U-Bahn-Verbindung in den Stadtosten zu erwischen. Kurz nach mir kamen zwei Herren über 40 heraus, von denen der eine den anderen stütze, der aber dennoch heftig torkelte und sich letztlich an der Bar festhalten musste. Das sofort herbei eilende Saalpersonal dachte, wie ich auch, dass hier einer deutlich zu viel getrunken hatte, aber der Mann bat um einen Stuhl und erklärte, er habe heftige Rückenschmerzen. Die herbei geholte Sanitäterin meinte dann verständnisvoll "Well, it is a very long set!".
Setliste:
Shake Dog Shake
Kyoto Song
A Night Like This
alt.end
Wailing Wall
Bananafishbones
The Caterpillar
The Walk
AMan Inside My Mouth
Close To Me
Lullaby
High
Birdmad Girl
Just Like Heaven
Pictures Of You
Before Three
Lovesong
Like Cockatoos
From The Edge Of The Deep Green Sea
Want
The Hungry Ghost
One Hundred Years
Give Me It
The Empty World
Charlotte Sometimes
Primary
The Top
Dressing Up
Piggy In The Mirror
Never Enough
Wrong Number
Three Imaginary Boys
M
Play For Today
A Forest
The Lovecats
Let's Go To Bed
Why Can't I Be You?
Boys Don't Cry
Hey You!
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