Beim letzten Prag-Konzert, vor knapp zwei Jahren und ebenfalls in Köln, hatte ich gerade erst angefangen, täglich Bahn zu fahren. Mittlerweile bin ich eine abgekämpfte Berufspendlerin und die Flitterwochen mit der BahnCard 100 sind längst vorbei. Wohl deshalb war dieses Mal die Bahn-Anreise von Frankfurt nach Nippes, noch dazu zwischen zwei Konzert-Wochenendreisen nach Göteborg und Mailand, deutlich problematischer, mit kaputten Zügen und spontanen Umstiegen, so dass ich letztlich ziemlich spät und genervt die Kulturkirche erreichte, wo mein Freund uns zum Glück bereits Sitzplätze gesichert hatte.
Immerhin dauerte es so nicht lange bis zum Auftritt der Band, die genau wie beim letzten Mal etliche Musiker - die Schlagzeug, Keyboard, Bass, Trompete, Bratsche, Geige und Cello bedienten - dabei hatte. Ebenfalls wie beim letzten Mal - und vermutlich bei jedem Prag-Auftritt - trug Nora Tschirner ein Oberteil im Matrosenlook, während die beiden Herren Erik Lautenschläger und Tom Krimi im Anzug erschienen - Lautenschläger dieses Mal in einer etwas ungewöhnlichen Rollkragen-Weste-Kombination.
Prag haben mittlerweile ein zweites Album, und die Titel von "Kein Abschied" machten auch einen Großteil der Setliste des Abends aus. Nora Tschirner übernahm dabei den Hauptanteil des Redens und erklärte gleich zu Beginn, das letzte Konzert in der Kulturkirche sei das zweite von Prag überhaupt gewesen und habe hinsichtlich Publikumsbegeisterung bei der noch ganz frischen Band Maßstäbe gesetzt, die es jetzt von uns wieder zu erfüllen gelte. Beim letzten Mal sei angeblich von der Bühne aus gar nicht mehr zu erkennen gewesen, dass sich das Publikum eigentlich in Kirchenbänken befand.
Meine Sitznachbarin nahm diese Aufforderung mit ausgelassenem Sitztanzen und vielen "Wuhu!"s mehr als ernst, weshalb nach dem zweiten Lied anerkennend attestiert wurde, die dritte Reihe sei bereits "partiell völlig ausgerastet".
Dass die Behauptung im Hinblick auf das erste Kulturkirchen-Konzert nicht völlig ernst zu nehmen war, zeigte sich etwas später, als Nora nochmals auf den Abend Bezug nahm, nun aber erklärte, sie sei damals noch so von Lampenfieber geplagt gewesen, dass sie das Konzert im Tunnelblick durchgestanden habe und im Grunde weder von der Band noch vom Publikum viel bemerkt habe. Für uns nicht ganz nachvollziehbar war die Aussage, der einzige Kölner Bandauftritt außerhalb der Kulturkirche sei nicht so toll gewesen - uns hatte er damals durchaus gut gefallen. Ein Publikumsmitglied, das sich, anders als wir, auf die Frage, wer denn bei dem anderen Konzert gewesen sei, gemeldet hatte, wurde dafür gelobt, trotzdem wieder gekommen zu sein.
Bei zwei Liedern ("Laut und klar" und "Morgentau") erklärte Erik Lautenschläger, sie seien bislang nur als digitaler Download erhältlich, wenn man aber nach dem Konzert seine Mailadresse hinterlasse, könne man sie kostenlose erhalten. Das haben wir auch brav erledigt und warten nun auf Post.
Vor dem ersten "alten" Lied, "Zeit", sagte Nora, es sei für die Band nun sehr erholsam, Lieder vom ersten Album zu spielen, da diese so gut eingeübt seien. Tatsächlich erschien das Trio nun besonders ausgelassen. Vorher hatten bei "Der dunkle Weg" beide Männer den Anfang verpatzt (was mir zugegebenermaßen gar nicht aufgefallen war), was die Musiknovizin Nora mit viel Schadenfreude auskostete.
Vor "Bis einer geht" leistete sich der Cellist Anton (den meine Sitznachbarin bereits als Musiker bei Annett Louisan gesehen hatte) einen kleinen Fauxpas, weshalb Nora ihn scherzhaft aus der Band verbannte und einen Refrain des Liedes in "Bis Anton geht" umdichtete. Später wurde auch dem Schlagzeuger (der verdächtig wenig schwitzte und deshalb verdächtigt wurde, nicht hart genug zu arbeiten) mit Rausschmiss gedroht - Mietmusiker bei Prag zu sein, scheint also ein hartes Brot zu sein, wobei alle gut gelaunt wirkten.
Nachdem "Alles wieder gut" als Countryversion dargeboten worden war, endete mit "Dieser Himmel" der offizielle Teil der Setliste, wobei Nora uns tröstend versicherte, das sei nur ein Spiel, die Band werde in jedem Fall zurückkehren und den bereits geprobten Zugabenteil vortragen. Bei dem Song gab sie noch einmal alles für die ausgelassene Stimmung, animierte das Publikum (erfolgreich) zum Aufstehen, erklomm eine Kirchenbank und forderte anschließend einen älteren Herren im Mittelgang zu einem Tänzchen auf, während sich auch an den äußeren Enden der Sitzbänke Tänzer sammelten.
Der Zugabenteil erfolgte dann auch tatsächlich, wobei man die Setliste spontan noch etwas umarrangierte, weil man noch etwas Tanzbares nachschieben wollte - so fiel "Der Einkauf" heraus und wir starteten mit "Einfach ist gar nichts" in den Zugabenteil, der danach noch mit drei deutlich getrageneren, aber nicht weniger schönen Liedern ausklang.
Die Highlights des sehr schönen Konzertabends lagen für uns zwischen "Laut und klar" und "All die Narben" und später von "Bis einer geht" bis "Dieser Himmel". Dass für den Zugabenteil dann beinahe nur noch ruhig-nachdenkliches Songmaterial vorgesehen war, funktionierte nicht so recht, weshalb die Band ihn ja auch umplante - vielleicht sollte man unter diesem Gesichtspunkt die Setliste für zukünftige Konzerte überarbeiten.
Setliste:
Aus Versehen
Laut und klar
Film Noir
All die Narben
Der dunkle Weg
Sieh da nicht hin
Was fällt dir eigentlich ein
Spaziergängerin
Kein Abschied
Nur die Seele
Morgentau
Zeit
Bis einer geht
Sophie Marceau
Wieder gut
Dieser Himmel
Einfach ist gar nichts
Das letzte Haus
Vögel
Halt die Luft an
Zweiter
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