Best Kept Secret Festival - Tag 1

by - Juni 24, 2015


Man könnte ja meinen, dass es auch für den engagierten Fan ausreicht, drei annähernd identische Noel Gallagher-Konzerte derselben Tournee zu besuchen. Mein Freund allerdings war schnell davon überzeugt, dass es auch notwendig sei, seinen Lieblingssänger auf einem von dessen Festivalauftritten im Sommer zu sehen. Schnell kam hier das Best Kept Secret Festival ins Spiel, die kleine, niederländische Schwester von Hurricane und Southside. Hier würde es weniger Bands geben als bei den beiden deutschen Festivals, aber die, die wir ohnehin sehen wollten - plus Ride. Und ja, natürlich auch Noel. Das Festival an sich ist ebenfalls kleiner, ebenfalls ein Pluspunkt. Und da mein Freund auch noch Geburtstag hatte, schenkte ich ihm zwei Tickets.

Letzten Freitag reisten wir also in die Nähe von Tilburg, zunächst in den Ort Oirschot, in dem sich unser im Voraus gebuchten B&B als Milchbauernhof (umgeben von viel anderer Landwirtschaft) entpuppte. Abgesehen von den überraschend vielen Kühen gab es an der Unterkunft aber nichts auszusetzen, und so machten wir uns bald zum Safaripark Beekse Bergen auf, wo das Festival stattfand. Flott wurden wir von zahlreichen Ordnern auf einen Parkplatz gelotst und konnten die Einlasskontrolle samt Bändchenausgabe passieren, dann folgte ein deutlich längerer, weil weiterer Fußmarsch zum Festivalgelände. Etwa 30 Minuten brauchte man vom Einlass zum Hauptbereich, wobei einen der Weg immerhin durch einen relativ gut beleuchteten Wald führte, der stellenweise mit Lichterketten geschmückt war. Stellen, die bei Regen schnell matschig werden könnten, waren vorsorglich mit Holzplanken geschützt.


Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass beim Best Kept Secret alles ein bisschen besser – und ästhetischer – gemacht war als bei anderen mir bekannten Festivals. Die Verkaufsstände, die für mich bei anderen Veranstaltungen stets die Frage auslösen, wer um Himmels Willen hier etwas kaufen soll, erschienen deutlich attraktiver, einer hatte sogar Vinylplatten. Statt Bons zum Bezahlen gab es an den Festivalbändchen einen Chip, auf den man Geld laden konnte. Nachdem ich weiß, dass dieses Bezahlverfahren beim Hurricane stets heftig kritisiert wird, war ich etwas skeptisch, aber zumindest in den Niederlanden funktionierte das Konzept perfekt und entpuppte sich als um einiges praktischer als das Hantieren mit Papiermarken.

Wie in den Niederlanden üblich, gab es für Männer diese komischen Gestelle zum Pinkeln im Stehen, die beinahe überall zu finden waren. Noch kurioser, aber eine gute Idee, waren weitere Schüsseln, die direkt an Bäumen angebracht waren – so konnte man als Mann schnell in die Büsche gehen, und trotzdem roch nicht alles nach Pipi. Daran, dass Frauen es beim Stehpinkeln etwas schwerer haben, konnten auch die Best Kept Secret-Macher nichts ändern, aber für unsere Bedürfnisse gab es immerhin eine große Anzahl Toilettenwagen und keine Dixis.


Sehr auffällig war auch die komplette Abwesenheit von Sponsorenwerbung. Bei meinem Hurricane-Besuch 2012 hatte man vor der Hauptbühne beim Warten wieder und wieder dieselben Werbespots gesehen, T-Mobile verteilte aufblasbare Winkehände und die Getränkestände warben für Coca Cola und Becks. Irgendwie schafft es das Best Kept Secret, auf all das zu verzichten, was den Gesamteindruck um ein Vielfaches attraktiver macht.

Die Auswahl an Essen, die denke ich bei den meisten Festivals mittlerweile zumindest über Currywurst und Asiapfanne hinausgeht, sprengte hier alles, was ich bisher gesehen hatte. Austern? Sushi? Käsefondue?? Alles kein Problem. Aber zu diesem Thema werde ich noch separat schreiben.


Eigentlich waren wir aber ja nicht zum Schaukeln, Essen oder bargeldlose Bezahlverfahren testen gekommen, sondern um ein paar Bands zu sehen. Am Freitag hatten wir nur drei auf dem Plan, und den Auftakt machte für uns The Tallest Man on Earth auf der (Open Air-) Hauptbühne .

Der Künstlername des Schweden Kristian Matsson scheint ironisch gemeint zu sein, denn „tall“ ist der definitiv nicht. Normalerweise tritt er anscheinend allein auf, hatte aber in Hilvarenbeek eine Band dabei – zum ersten Mal, wie er erklärte. Neben einem Schlagzeuger und einem Keyboarder, der auch Slide-Guitar-Geräusche machte, waren auch ein Gitarrist und ein Saxophonist dabei, die teils, beispielsweise beim Opener „Fields of our home“, auch Geige und Saxophon spielten.


Nach beinahe jedem Lied ließ sich Matsson eine neue Gitarre bringen und schnipste sein Plektrum weg – am Ende des Konzertes stand er sicher schon auf einem kleinen Plastikberg. Ob er daheim riesige Eimer mit Ersatzplektrums hat?

Die Musik des Mannes mit der Gitarre kam jedenfalls sehr gut beim Publikum an, vor allem die zwei Songs, die er ohne seine Band zum besten gab, „Love is all“ und „The Gardener“. Der vorletzte Song, „Dark Bird is home“, wurde zunächst ebenfalls akustisch begonnen, bevor die ganze Band mit einfiel, und beim allerletzten Lied, „Like the Wheel“, das im Publikum vielfach mitgesungen wurde, legten die Zusatzmusiker ihre Instrumente weg und bildeten eine Art Chor. Zu diesem Zeitpunkt scharrten wir allerdings bereits mit den Füßen, denn wir wollten uns im größten der insgesamt vier Zelte für The Jesus and Mary Chain noch eine halbwegs gute Sicht auf die Bühne sichern. Nichtsdestotrotz war das Konzert ein gelungener Auftakt fürs Festival.


Setliste:

Fields of Our Home
Slow Dance
1904
Revelation Blues
Darkness of the Dream
Love Is All
The Gardener
Sagres
The Wild Hunt
Timothy
Wind and Walls
Dark Bird Is Home
Like the Wheel


Weiter ging es also zu Bühne 2, die sich in einem großen, bereits gut gefüllten Zelt befand. Immerhin waren zu unserem Glück viele Gäste von The Jesus & Mary Chain nicht sonderlich angetan, denn stetig verließen später Zuhörer das Zelt – weshalb wir unsere Sicht auf die Bühne nach und nach verbessern konnten.


Was nicht bedeutet, dass es sonderlich viel zu sehen gegeben hätte: Es war relativ dunkel und auf der Bühne auch nebelig, und als die Reids, die von einem Schlagzeuger, einem Gitarristen und einem Bassisten (dem von Lush, wie ich später las, Douglas Hart) begleitet wurden, die Bühne betraten, begann man ohne große Begrüßung oder Erklärung damit, eröffnend mit „Just Like Honey“ das Album „Psychocandy“ komplett – und sehr laut – zu spielen. Vielleicht meinte man auch, das im Bühnenhintergrund aufgehängte Plattencover sei als Hinweis zum Ablauf ja genug.

Leider ist „Psychocandy“ in meinen Augen gar nicht so reich an Hits, lediglich über „Taste of Cindy“ konnte ich mich nochmals so sehr freuen wie über den Opener. Erst beim vorletzten Lied richtete Jim Reid das Wort ans Publikum, erklärte, man sei nun schon fast fertig mit der Album-Performance, plane aber, zusätzlich noch einiges für uns zu spielen.


Nach kurzer Reidscher Beratung hörten wir noch „Head On“ und „Some Candy Talking“, bis anschließend das Set mit „Reverence“ endete, Reid den Mikrophonständer und das zugehörige Mikro umschmiss (und dem herbei geeilten Bühnentechniker signalisierte, dass das so bleiben kann) und abging. Ich habe gehört, dass die Sets von The Jesus & Mary Chain früher eher 30 Minuten dauerten, insofern wäre es wohl vermessen, die Herren nun dafür zu kritisieren, das sie nur doppelt so lange spielten. Den einen oder anderen bekannten Song hätte ich aber durchaus gerne noch gehört. Beim nächsten Mal also bitte auch „April Skies“, „Happy When It Rains“ und „Far Gone And Out“ in den Best of-Teil mit aufnehmen!


Setliste:

Just Like Honey
The Living End
Taste the Floor
The Hardest Walk
Cut Dead
In a Hole
Taste of Cindy
Never Understand
Inside Me
Sowing Seeds
My Little Underground
You Trip Me Up
Something's Wrong
It's So Hard

Head On
Some Candy Talking
Reverence


Auf der Hauptbühne erwartete uns aber bereits die nächste Retro-Erfahrung, denn hier waren bei unserer Ankunft die Headliner The Libertines bereits damit beschäftigt, ihren ersten Song zu spielen. Zu dieser Band habe ich nun so gar kein Verhältnis und konnte mich so über die Wiedervereinigung von Pete Doherty und  Carl Barât nicht so richtig begeistern. Mir fehlte da einfach Hintergrundwissen. Sie selbst waren aber ausgesprochen gut gelaunt und demonstrierten geradezu, wie gut sie sich verstanden. Man setzte einander Hüte auf, sang gerne ins selbe Mikrophon und zeigte traute und fröhliche Einigkeit.


Pete mag seinen Drogenentzug erfolgreich überstanden haben, mit dem Rauchen und Trinken klappte es aber bei beiden Frontmännern auf der Bühne noch ausgesprochen gut. Pete trug ein seltsam flatteriges Kurzarmhemd, auf das er einen Orden gesteckt hatte, wobei offenbar der Ärmel gerissen war – jedenfalls wirkte sein Hemd flatterig-zerstört und ging auch an der Knopfleiste immer weiter auf.

Das interessanteste Outfit trug jedoch der Schlagzeuger Gary Powell, der oben herum nur ein Halstuch anhatte und gerne und viel mit nacktem Oberkörper posierte. Sicher hat er sich sehr über die Reunion gefreut…


Ähnlich wie bei The Jesus & Mary Chain bestand das Set hauptsächlich aus Songs des Debütalbums, dessen Cover den Bühnenhintergrund zierte: Von "Up The Bracket" wurden insgesamt 10 der 12 enthaltenen Lieder gespielt. Das Publikum feierte Hits wie „Can’t Stand me Now“ (mit Mundharmonika-Solo von Pete) und „Don’t Look Back Into The Sun“ besonders ab, vereinzelt konnte man auch Crowdsurfing beobachten. Nach „The Good Old Days“ war zunächst Schluss, aber die Headliner kehrten quasi sofort für einen ausgiebigen Zugabenteil auf die Bühne zurück. Für den zweiten Song, „Up The Bracket“, stellte Pete einen Zusatzmusiker vor, einen niederländischen Gitarristen, den genauen Hintergrund dieser Aktion verstand ich leider nicht.


Und wir sollten noch ein Bonbon bekommen: Nach kurzer Diskussion, ob sie es wagen sollten, performten Pete und Carl einen neuen Song, „Gunga Gin“, nachdem uns Pete eingeschärft hatte „It’s got to be a secret, so turn off your phones!“ Hat sicher geklappt…

Anschließend endete das Set mit „I Get Along“ endgültig, und obwohl ich die Libertines im Grunde nicht kenne und sie in Zukunft wahrscheinlich auch nicht interessanter finden werde, war es auf jeden Fall ein fröhliches Konzert vor einem begeisterten Publikum. Wobei sich sicherlich niemand ganz so sehr gefreut hat wie der Schlagzeuger.


Setliste:

We'll Meet Again (Intro)
The Delaney
Vertigo
Time for Heroes
Horrorshow
The Ha Ha Wall
Music When the Lights Go Out
What Katie Did
The Boy Looked at Johnny
Boys in the Band
Can't Stand Me Now
Last Post on the Bugle
Death on the Stairs
Don't Look Back Into the Sun
Tell the King
The Good Old Days

You're My Waterloo
Up the Bracket
What a Waster
Gunga Gin
I Get Along



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