Vollmond am Flughafen: The xx im römischen Ippodromo delle Capannelle

by - Juli 13, 2017


Anders als mein Freund bin ich selten dafür zu haben, Bands in kurzen Abständen mehrmals hintereinander zu sehen. Unsere Rom-Reise war aber bereits geplant und gebucht, als er mit der Idee um die Ecke kam, zusätzlich zu U2 und Moderat auch The xx aufzusuchen, die im Rahmen der "Rock in Roma"-Konzertreihe auftraten, und die wir aber bereits im Februar live in Düsseldorf gesehen hatten - und ich war einverstanden. Rock in Roma hatten wir im Jahr 2013 auch schon zweimal besucht, einmal, um Sigur Rós zu sehen und ein zweites Mal für Blur. Dieses Jahr hat das Lineup außer The xx wenig Attraktives zu bieten, für The Offspring würde ich sicher nicht extra nach Rom fahren, und Kasabian kann man anderswo auch leicht sehen.

Deshalb erinnerten wir uns noch gut an den Veranstaltungsort, ein Reitstadion am Stadtrand von Rom, das sich auf dem Hinweg noch ganz gut per Vorortszug (letzte Haltestelle vor dem Flughafen Ciampino) erreichen lässt. Für die Rückreise nach Mitternacht ist man dann auf Shuttlebusse angewiesen, seit neuestem scheint es auch einen Sonderzug zurück zu geben.


Wir erinnerten uns aber besonders gut an die überaus langwierige Wartezeit auf beide Bands. Bei Rock in Roma denkt man sich offenbar, dass es doch schade wäre, all die Fress- und Getränkestände aufzubauen, die dann eigentlich nicht genug genutzt würden, weil pro Abend ja nur eine Band spielt. Also beginnt der Einlass geradezu unsinnig früh (18:30 für einen Konzertbeginn um 21:30), was natürlich bedeutet, dass man entsprechend früh erscheinen muss, um einen Platz mit guter Sicht zu ergattern. Und bei der zweieinhalbstündigen Wartezeit in glühender Hitze kann man dann schön mehrmals die Freunde zum Bier holen schicken.


An die lange Wartezeit in glühender Hitze bei akuter Langeweile und sich in kurzem Abstand wiederholenden Werbespots auf den LED-Wänden hatten wir noch so negative Erinnerungen, dass wir für dieses Mal beschlossen, später einzutreffen. The xx hatten wir dieses Jahr bereits in Düsseldorf gesehen und dort recht gute Plätze gehabt. Da sparten wir uns lieber die frühe Anreise und nahmen in Kauf, gegebenenfalls recht weit hinten zu stehen.

Unsere geplante späte Ankunft verzögerte sich sogar noch mehr, weil wir im Bahnhof den ersten Zug verpassen - er fuhr nämlich von einem Bahnsteig, der erst lange hinter der Bahnhofshalle begann. Als wir dann endlich den Veranstaltungsort erreichten, war es schon halb neun. Erstaunt stellten wir, nachdem wir diverse Einlasskontrollen passiert hatten, fest, dass die Bühne mittlerweile woanders steht. Das eigentliche Reitstadion wird nun nicht mehr genutzt, stattdessen werden Zuschauer zu einer Wiese umgeleitet.  Dorthin begaben wir uns nun und wurden nochmals überrascht, denn der Raum vor der Bühne war keineswegs voll. Mühelos konnten wir uns sogar bessere Stehplätze sichern, als wir in Düsseldorf gehabt hatten.


Überraschung Nummer 3 ereignete sich um Punkt 9 auf der Bühne, denn The xx hatten durchaus eine Vorband, wie der Bühnenaufbau - Jamies erhöhtes Pult war noch verhüllt, während vorne am Bühnenrand nur ein Mikrophon stand - bereits hatte erahnen lassen. Nun betrat eine hübsche junge Frau mit Gitarre die Bühne und legte sich dort sofort auf den Boden, so dass man sie quasi nicht mehr sehen konnte (größtenteils wurde sie von den Monitorboxen verdeckt). In dieser Position spielte GIUNGLA nun ihr erstes, instrumentales Lied.

Anschließend stand sie wieder auf und absolvierte den Rest ihres kurzen Sets stehend, wobei sie zu Beats vom Band Gitarre spielte und sang. Ihre Songs klangen zunächst sehr rockig im Stil von etwa Blood Red Shoes, später nahm ihr Gitarrenspiel dann eher Anleihen bei Daughter oder The xx. Das Publikum nahm die Musik ausgesprochen positiv auf und klatschte am Ende eifrig mit - bei meinen nun insgesamt fünf italienischen Konzertbesuchen hatte ich sowieso stets den Eindruck, dass das Publikum hier ausgesprochen respektvoll und wertschätzend agiert.


Ursprünglich war angekündigt gewesen, dass The xx um 21:30 auf der Bühne stehen würden. Nachdem GIUNGLA erst kurz vor dieser Zeit selbige verlassen hatte, war klar, dass sich der Beginn ein wenig verschieben würde - auf der Rock in Roma-Website war inzwischen auch von 22 Uhr die Rede. Doch auch wenn auf der Bühne enthüllt und gearbeitet wurde, tat sich lange hinsichtlich Konzertbeginn gar nichts - stattdessen musste ein Bühnenarbeiter mit Seelenruhe und einem winzigen Lappen sämtliche Spiegelflächen der Tourdeko von The xx reinigen.

Erst um 22:20 Uhr und nach zwei ungeduldigen Applauswellen betrat die Band endlich die Bühne. Eine Erklärung für den späten Beginn bekamen wir nicht, ich als Misanthropin vermute den Grund wiederum in unzureichenden Getränkeverkäufen der Veranstalter.


Während es bei unserer Ankunft noch ausgesehen hatte, als würde die Band vor einem halbleeren Zuschauerraum spielen, war es mittlerweile doch recht voll geworden, und alle im Publikum rissen nun die Handys hoch und filmten. Außer mir schienen außerdem sämtliche Konzertbesucher alle Lieder auswendig zu können.

Wie bereits in Düsseldorf glänzten The xx auch in Rom mit Charme: Romy erklärte recht früh im Set, es sähe wunderbar aus, wie wir im Abendlicht vor dem vollen Mond stünden, während Oliver sich dafür entschuldigte, dass die Band anscheinend zuletzt vor sieben Jahren in Rom aufgetreten war. Die Setliste war gegenüber der in Düsseldorf mittlerweile leicht umgestellt worden (tatsächlich legten neue Setlisten, die kurz vor Konzertbeginn verteilt worden waren, den Schluss nahe, dass man noch spontan umgeplant hatte). Dennoch wurden im Großen und Ganzen dieselben Songs gespielt, nur eben in neuer Reihenfolge. Lediglich "Chained" hatte es neu ins Live-Set geschafft, dafür waren "Basic Space" und "Sunset" nun nicht mehr dabei.


Am grundsätzlichen Ablauf - Romy und Oliver mit Gitarre und Bass singend vorne, gerne einander gegenüber stehend, dahinter Jamie erhöht und sehr beschäftigt an diversen Knöpfen und Schlaginstrumenten - änderte sich selbstverständlich nichts. An zwei Stellen gingen Lieder ineinander über: Zum einen wurde "Dangerous" zu "I Dare You", zum anderen gingen später in einem sehr dance-lastigen Teil erst "Fiction" und "Shelter" ineinander über, dann folgte ebenfalls ohne Pause Jamies Solo-Song "Loud Places. An dessen Ende hörte man im Mix bereits das Hall & Oates Sample aus "On Hold", und in der Tat kehrten Romy und Oliver nun zurück und spielten dieses Lied.


Völlig identisch zu Düsseldorf und vermutlich der ganzen Tour war, dass Romy nach einem kurzen Statement hinsichtlich Aufgeregtheit allein "Performance" vortrug, und zwar nur bis zum ersten Refrain, und dass sie anschließend von Oliver kurz umarmt wurde.

Gesprochen wurde auch noch ein wenig: Nach "VCR" erzählte Oliver dieses Mal, sein eigenes erstes Konzert seien The White Stripes gewesen, und er habe damals gedacht, dass ihn die Band an seinem Standort unmöglich sehen könne. Er könne aber mittlerweile sagen, dass man das Publikum sehr wohl von der Bühne aus sehr wohl erkennen könne (er hatte auch extra darum gebeten, uns anzuleuchten). Mehrmals sagte er, in Anspielung auf den Titel des aktuellen Albums, "I see you!" Später, vor "Angels", kam er nochmals aufs Thema Konzerte zurück und erklärte, dass diese für ihn als Besucher eine tolle Möglichkeit seien, den eigenen Alltag zu vergessen, und dass das hoffentlich für und ebenso sei.


Auch Romy hatte noch etwas zum Thema Konzerte zu sagen, denn sie erwähnte, bereits am Vorabend in Rom gewesen zu sein und bei Rock in Roma Lauryn Hill gesehen zu haben - und dass es nun eine große Ehre sei, auf der Bühne zu stehen, auf der gestern noch die andere Sängerin gewesen war. Außerdem lobte sie das "warm welcome", dass The xx in Rom erhalten hatten, und sprach von einem "perfect evening".

Dieser endete allerdings ohne Zugabe, nach "Angels" ging sofort die Abbaumusik los. Dennoch gefielen mit The xx auch beim zweiten Konzert im selben Jahr sehr gut. Die Musik schafft live wie auf Platte den Spagat zwischen Massentauglichkeit und Originalität, und man merkt einfach, dass die Bandmitglieder alle extrem mit ihrem Projekt und miteinander verbunden sind. Das konnte man sich auch gut ein zweites Mal im selben Jahr ansehen.


Setliste:

Intro
Crystalised
Say Something Loving
Islands
Lips
Chained
Dangerous
I Dare You
Performance
Infinity
A Violent Noise
Brave for You
VCR
Fiction
Shelter
Loud Places
On Hold
Angels

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