Neulich als ich das Radfahren wiederentdeckte
Limebikes warten auf ihren Einsatz |
Es gibt dieses Phänomen, dass man bestimmte Alltagsdinge, sobald man sich kurz mit ihnen beschäftigt hat, plötzlich überall sieht, während sie vorher komplett unter dem persönlichen Radar geflogen sind - beispielsweise ist eine Freundin schwanger, und plötzlich sieht man überall Schwangere. Als ich mich erstmalig mit den Finanzsektor auseinandersetzte, sah ich mit einem Mal an jeder Ecke Versicherungsbüros, die für mich vorher schlicht unsichtbar gewesen waren.
Und so kam es, dass ich, als eine Freundin vor kurzer Zeit zu unserer Mittagsverabredung auf einem "Limebike" vorfuhr, ich erstmalig verinnerlichte, dass sich etwas auf dem Frankfurter Markt für Mietfahrräder getan hatte. Seit Ewigkeiten gab es hier das "Call a Bike"-Angebot der Deutschen Bahn sowie die quasi identisch organisierten Räder von "Nextbike". Beide Anbieter stellen ihre Räder an festen Stationen zur Verfügung, wo man sie nach Anmeldung gegen eine Gebühr ausleihen kann. Die Rückgabe erfolgt an einer anderen Station. Stellt man das Rad einfach woanders ab, kostet das eine Strafgebühr.
Hier die komplette Frankfurter Mietrad-Landschaft: Vorne BYKES, dahinter Limebikes, im Hintergrund die Station für Call A Bike und Nextbike, an der sich auch ein oBike versteckt hat |
Ich hatte an keinem der beiden Anbieter bislang sonderliches Interesse entwickelt. Als ich noch in Frankfurt wohnte, hätte ich theoretisch mit meinem eigenen Rad überallhin fahren können. Mittlerweile ist das zwar nicht mehr möglich, dafür bezahle ich aber ohnehin für die Nutzung von Bus und Bahn - warum also nicht einfach diese auch benutzen?
Der Knackpunkt waren für mich hier aber immer die festen Stationen: Eine kürzere Strecke mit einem Mietrad zurückzulegen, erschien mir grundsätzlich ganz interessant - aber nicht, wenn ich mir am Ziel dann erst wieder eine Abgabestation suchen müsste, um dann das letzte Stück doch wieder zu Fuß zurück zu legen.
Es besteht offensichtlich kein Zwang, die Bahn-Räder innerhalb der Station auch ordentlich abzustellen. |
Seit dem letzten Jahr gibt es in Frankfurt aber gleich drei Anbieter der sogenannten "Chinabikes" - benannt nach dem Umstand, dass die Räder selbst im allgemeinen aus Fernost stammen und dort auch bereits sehr etabliert, wenn auch nicht unumstritten sind - in Shenzen beispielsweise werden die unkontrollierten Fluten von Leihrädern schon einmal am Straßenrand aufgehäuft, weil sonst kein Durchkommen mehr möglich ist. Wenn die Anbieter massenweise Räder aufstellen, sich aber nicht um deren Wartung kümmern oder einschreiten, wenn diese an komplett unpassenden Orten abgestellt werden, entsteht eben auch gerne Chaos.
Tatsächlich wurde diese Erfahrung in München gemacht: Der Anbieter oBike, mittlerweile auch in Frankfurt aktiv, stellte dort Anfang 2017 in kurzer Zeit 6800 Fahrräder auf, die bei den Münchenern nicht auf Begeisterung stießen: Die Räder wurden in großem Stil Opfer von Vandalismus und boten als herumstehende Ruinen keinen schönen Anblick. Der Anbieter aus Singapur zog daraus die Konsequenzen und baute diesen Monat 5800 Räder wieder ab.
Misshandeltes oBike |
Grundsätzlich macht der Umstand, dass man die Räder überall mieten kann, wo man eines sieht, und dann auch an einem beliebigen Ort im Stadtgebiet wieder abstellen kann, die Chinaräder für mich aber um einiges attraktiver als die etablierte Konkurrenz. Natürlich verlässt sich dieses System auf die Vernunft seiner Nutzer, was - siehe München - selten eine gute Idee ist. Man muss ein Rad ja nicht erst mieten, um es auf einen Baum hängen oder in den Main werfen zu können, und darüber, was genau ein vernünftiger Abstellort ist, lässt sich auch diskutieren.
Tatsächlich habe ich aber den Eindruck, dass die in Frankfurt aktiven Anbieter durchaus auf ihre Flotten schauen: An der U-Bahnstation meiner Arbeitsstelle sehe ich nämlich beinahe jeden Morgen ordentlich aufgestellte Reihen von Chinabikes, was den Schluss nahe legt, dass jemand nachts durch die Gegend fährt, Räder einsammelt und an wahrscheinlichen Startorten wieder aufstellt. Auch habe ich noch keine krass unpassend abgestellten Räder gesehen. Das einzige offensichtlich kaputte Rad, dass mir bislang begegnet ist, war auch ein oBike - irgendwie machen diese wohl aggressiv. Ansonsten scheinen sich die Frankfurter Mietradnutzer recht manierlich zu verhalten.
Der eine oder andere Frankfurter hat auch noch ein eigenes Rad |
Benutzt habe ich bereits die beiden Konkurrenten von oBike, BYKE und Limebike. Die Nutzung beider Angebote erfolgt quasi identisch: Man lädt eine App auf sein Smartphone, diese nutzt man sowohl, um per GPS Fahrräder zu finden als auch diese (indem man die Kamera auf einen QR-Code am Rad hält) aufzuschließen. Bezahlen kann man entweder mit einem vorab eingezahlten Guthaben oder per Kreditkarte. Das Mietverhältnis endet, wenn man das Rad manuell wieder abschließt.
Auch hinsichtlich der Qualität sehe ich keine großen Unterschiede: Beide Räder haben Vollgummireifen, was bedeutet, dass diese nicht kaputt gehen können. Beleuchtung und Fahrradkorb sind vorhanden, die Sitzhöhe kann man leicht individuell einstellen. Es gibt auch eine Gangschaltung, allerdings umfasst diese nur drei Gänge. Eine Klingel ist nicht vorhanden, aber generelle Verkehrssicherheit ist gewährleistet. Während bei Limebike, wie bei so ziemlich jedem Anbieter, eine halbe Stunde Fahrradnutzung einen Euro kostet, fallen bei BYKE bislang nur 50 Cent an - deshalb ist BYKE auch mein Lieblingsverleih.
BYKES |
Die Möglichkeit, mal eben schnell mit dem Fahrrad zu fahren, hat sich für meinen Frankfurter Alltag durchaus als Bereicherung erwiesen. Normalerweise ist beispielsweise die Fahrt zu meinem Zahnarzt eine recht komplizierte Angelegenheit, dabei ist er von meinem Arbeitsort gar nicht so weit entfernt. Seit neuestem nehme ich nicht mehr zwei verschiedene Bahnen und laufe anschließend ein ganzes Stück, ich radele stattdessen in einer Viertelstunde durchs schöne Westend und genieße die Fahrt als Freizeit.
Einen Vergleich aller aktuell in Frankfurt nutzbaren Bikesharing-Angebote gibt es hier. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge weiter entwickeln - kämen noch weitere Anbieter nach Frankfurt, würde das nämlich höchstwahrscheinlich doch recht schnell zu chaotischeren Zuständen führen.
0 comments