Was weiß ich über Sinéad O'Connor? Ehrlich gesagt nicht allzu viel, zumindest wäre das vor einigen Wochen meine Antwort gewesen. Klar, sie ist Irin, hatte mit dem Prince-Song "Nothing Compares 2 U" 1990 einen Welthit und außerdem ein wirklich herzerreißendes und minimalistisches Video. Dann war da später noch irgendetwas mit einem Fernsehauftritt, bei dem sie ein Papstbild zerriss, was damals für einen gewaltigen Skandal sorgte. Überhaupt ist Frau O'Connor dafür bekannt, sich gerne kontrovers zu äußern und ist zuletzt zum Islam übergetreten.
Ob die mittlerweile 53jährige heute noch Musik aufnimmt und live performt, hätte ich nicht zu sagen gewusst. Jetzt weiß ich: Tut sie, aber beides nicht sonderlich oft. Aktuell unternimmt sie aber eine Mini-Tour durch eine Handvoll europäische Städte, was uns letztes Wochenende ins belgische Leuven fahren ließ.
Das Konzert in der kleinen Halle war ausverkauft, und als wir zum Einlassbeginn auftauchten, überraschte uns eine gewaltige Schlange. Wir ließen alle Hoffnung auf halbwegs bühnennahe Stehplätze fahren, doch letztlich war alles viel besser als erwartet. Der Einlass verlief unglaublich schnell, innen gab es statt einer Garderobe Spinde, was auch diesen Teil des Zugangs extrem beschleunigte, und die ganzen Konzertbesucher, die vor uns hineingeströmt waren, hielten sich nicht direkt vor der Bühne auf, sondern hatten die bei unserem Eintreten bereits komplett gefüllte Tribüne mit Sitzplätzen eingenommen. Wir fanden immerhin sofort exzellente Stehplätze, wunderten uns allerdings über unsere Nachbarn: Eine nicht unbeträchtliche Anzahl Konzertbesucher hatte Kameras mit gewaltigen Objektiven dabei (mit denen sie in keinen deutschen Konzertsaal gekommen wären), direkt vor uns wurde außerdem gerade das Audio-Aufnahme-Equipment vorbereitet.
In letzter Zeit ist Sinead O'Connor gerne mit Hijab, dem muslimischen Kopftuch, aufgetreten, aber als sie pünktlich um 20:45 Uhr die Bühne betrat, trug sie ein langes schwarzes Kleid mit Blumen, und keine Kopfbedeckung. Das Kopfhaar war abrasiert wie 1990, seitdem dazugekommen sind viele Tattoos - sichtbar auf den Händen, den (nackten) Füßen und auch am Hals. Sie hatte eine vierköpfige Band dabei - mit zwei Gitarristen, einem Keyboarder, einen Bassisten und einem Schlagzeuger, der mit seinem Instrument hinter einer Plexiglaswand saß. Vor uns (und auch vor dem Fotoclub) standen mehrere Frauen direkt vor der Bühne, die die Sängerin offenbar bereits kannte - sie lächelte und winkte ihnen zu und bekam später auch ein Geschenk nach oben gereicht.
Das Set begann mit dem John Grant-Cover "Queen of Denmark" - auf dessen Album "Pale Green Ghosts" hatte O'Connor bei mehreren Liedern mitgesungen. Es folgte eine Retrospektive von O'Connors diversen Albenveröffentlichungen (das bislang letzte stammt von 2014, einen neuen Song gab es zuletzt 2018). Die Sängerin war ausgesprochen gut bei Stimme, das Set insgesamt eher leise - meine Ohrenstöpsel konnten problemlos in der Tasche bleiben. Etwas kurios waren einige der Beiträge des Gitarristen, der optisch mit seinen langen Haaren und dem aufgeknöpften Hemd nicht nur nach 70er Jahren aussah, sondern auch Gitarrensoli in deren Stil zu lieben schien - bei "4th and Vine" bekamen wir das erste zu hören.
"I Am Stretched on Your Grave" bot Sinéad O'Connor allein und a capella in einer gekürzten Version dar, das danach folgende "In This Heart" sang sie, ebenfalls ohne begleitende Instrumente, gemeinsam mit Gitarristin und Gitarrist, die sich beide nacheinander erst während des Songs dazu gesellten.
Später ging "The Last Day of Our Acquaintance" ohne Pause über in "The Emperor's New Clothes", zu letzgenanntem Lied wurde im ansonsten andächtig ruhigen Publikum etwas mitgeklatscht, und O'Connor tanzte zum Ende hin ein wenig auf der Bühne. Direkt danach folgte, ebenfalls, ohne, dass es vorher eine signifikante Unterbrechung gegeben hätte, "Nothing Compares 2 U". Anschließend war das Set auch schon fast vorbei, wir bekamen aber noch zwei Zugaben, nämlich "Back where you belong" und das eingangs erwähnte Lied von 2018, "Milestone".
Gesagt wurde an diesem Abend übrigens nicht viel. Nach jedem Lied reagierte die Sängerin mit "Thank you"s auf unseren Applaus, außerdem wurde die Band vorgestellt, dabei blieb es aber auch. Der Abend erschien auf diese Art ein wenig unpersönlich, dafür gab es musikalisch aber nichts zu meckern.
Setliste:
Queen of Denmark (John Grant cover)
Take Me to Church
4th and Vine
Reason with Me
The Wolf Is Getting Married
Jealous
I Am Stretched on Your Grave
In This Heart
Black Boys on Mopeds
’Til I Whisper U Something
Harbour
Thank You for Hearing Me
The Last Day of Our Acquaintance
The Emperor's New Clothes
Nothing Compares 2 U (Prince cover)
Hold Back the Night. Ende
Back where you belong
Milestones
0 comments