Neulich wieder am Sitzbrunnen: The Notwist am Kölner Tanzbrunnen

by - August 09, 2020


Fast scheint aktuell konzert-technisch alles "wie früher" zu sein: Nur eine Woche nach unserem Besuch bei Thees Uhlmann fuhren wir schon wieder in das exorbitant teure Tanzbrunnen-Parkhaus ein, um an selber Stelle The Notwist zu sehen. Angesichts der Hygienemaßnahmen vor Ort fühlten wir uns bereits wie alte Hasen, quasi als Extra-Challenge lag die Temperatur dieses Mal mit etwa 38 Grad dann noch ein bisschen höher. Wir konnten im Vergleich zur Vorwoche feststellten, dass die Ordner nicht mehr gar so sehr darauf bedacht waren, dass alle bekannt gegebenen Regeln (beispielsweise Maske tragen, außer man ist auf dem eigenen Sitzplatz) lückenlos eingehalten wurden, die Durchsage, die auf selbige Regeln hinwies, lief während unserer Anwesenheit auch nur einmal statt alle paar Minuten.


Wir hatten auch dieses Mal Plätze in der ersten Sitzreihe ergattert. Von dort aus sah man gut eine Neuerung: Lautsprechertürme zeigten vom Bühnenrand aus Richtung Publikum. Und noch eine Überraschung gab es, zumindest für uns: The Notwist hatten eine Vorband, genauer gesagt den befreundeten niederländischen Musiker Bhajan Boy. Dessen Gitarrenschrammeleien (der Musiker hatte gar nicht erst ein Mikrophon, in das er singen oder sprechen hätte können) klangen wie spontan ausgedacht, nachdem er aber ein Album veröffentlicht hat, war dieser Eindruck möglicherweise falsch.  Laut war Bhajan Boys Musik durchaus, packen konnte sie uns eher nicht - oder, wie unser Konzerbegleiter formulierte: "Mitsingen ist ja verboten, aber wie ist das mit Gähnen?".


Ungewöhnlich war das Ende des Sets, denn noch während die Musik andauerte, betraten die Mitglieder von The Notwist nach und nach die Bühne, nahmen ihre bereit stehenden Instrumente ein und begannen dann, ohne, dass Bhajan Boys Musik schon ausgeklangen gewesen wäre, ihrerseits zu spielen - ein sicherlich abgesprochener Übergang, der aber den Support um seinen Applaus brachte.

Über The Notwist zu schreiben, fällt mir immer schwer. Der Kontrast zum redefreudigen Thees Uhlmann könnte kaum größer sein, denn die Band ist stets ausgesprochen schweigsam und auf die eigene Musik fokussiert. Dennoch hatte ich ein kleines bisschen mit einem Corona-Statement gerechnet, denn auch The Notwist haben ja sicherlich nun längere Zeit nicht live spielen können, aber mit derlei Gemeinplätzen hielt man sich nicht auf - und auch sonst nicht mit Äußerlichkeiten. Ich sehe ja eher selten Bands mit elaborierten Bühnen-Outfits, aber ich denke durchaus, dass ein Nick Cave oder Matt Berninger sich vorab gut überlegen, was sie auf der Bühne tragen möchten. Bei The Notwist dagegen bekommt man den Eindruck, dass sie das anhaben, was eben sauber war, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, ob man heute daheim bleibt, an einen Badesee fährt oder vor 1200 Menschen auftritt. Das soll selbstverständlich keine Kritik sein, tatsächlich fände ich bei dieser Band alles andere befremdlich.


Im Zuge dieser Überlegungen zu der eher introvertierten Band theoretisierten mein Freund und ich auch nach dem Konzert, warum eigentlich ausgerechnet das neueste, größte und auch statischste Bandmitglied, Keyboarder Cico Beck, bei The Notwist ganz vorne stehen muss, während hinter ihm die anderen Bandmitglieder einander zugewandt vor sich hin schrammeln und kamen zu dem Schluss, dass das sonst vermutlich niemand möchte... man kann sich richtig vorstellen, wie er als Neuzugang mit den Worten "Geh ruhig du nach vorne!" an den Bühnenrand geschubst wurde, während die anderen leise kicherten.


Kommen wir zumindest kurz zur Musik, die natürlich wieder einmal toll war. Bei den ersten paar Songs war ich verwirrt, weil mir alles so unbekannt erschien, tatsächlich begann man mit "Loose Ends", einem neuen und auch noch unveröffentlichten Song, weiter ging es mit einem Lied des Nebenprojektes 13 & God, "It's Own Sun" und der auf keinem Album veröffentlichten Single "Come In" - alles eher Songmaterial außerhalb des Basiswissens, eher geeignet für einen The Notwist-Leistungskurs. Dafür kamen danach lauter Lieder, die ich bereits lange und gut kannte etwa "Kong" von 2014, das mich in der Hitze der untergehenden Sonne den Regen aus dem zugehörigen Video herbeisehnen ließ.

Vielfach gingen die Lieder ineinander über, ohne eine Chance für Applaus zu lassen, oder bauten sich im Anschluss des eigentlichen Songs in Richtung eines Klimaxes auf - "This Room" etwa mündete in eine jazzige Kakophonie, "Pilot" in einen an Underworld erinnernden Techno-Track, "Gravity" in Lärm. Zwischendurch kam auch etwas Bewegung in die Band, als man sich in einem kurzen Team-Meeting über die weitere Setliste austauschte. Geändert wurde - gegenüber der geschriebenen Detliste - "Into another Tune" nach hinten geschoben und das nicht auf der Setliste befindliche "One With The Freaks" als erste Zugabe eingefügt.


Aber auch im weiteren Verlauf des Konzertes gab es noch eher ungewöhnliche Songs zu hören, "Nights's too dark to sleep" stammt aus der ZDF-Serie Das Verschwinden und ist ansonsten weiterhin unveröffentlicht, "Into Love / Stars" konnten wir als Titel so nur der Setliste entnehmen.

Mit "Gravity" von "The Devil, You + Me“ endete das Konzert auch zunächst, man kam aber bereitwillig erst für drei und dann nochmals zwei Songs zurück auf die Bühne. Beim letzten Lied der ersten Zugabe, "Lineri", kehrte auch Bhajan Boy alias Ajay Saggar zurück auf die Bühne, musizierte mit und erhielt doch noch seinen Applaus.


Ich weiß nicht, inwieweit sich diese Konzerte, die jeweils nur ein Zehntel der Kapazität des Tanzbrunnens beanspruchen, für die Veranstalter rechnen. Persönlich weiß ich den Mangel an Gedrängel durchaus zu schätzen und würde hoffen, dass hier zukünftig noch mehr Konuzerte stattfinden - gerne auch bei unter 35 Grad.

Setliste:

Loose Ends 
It’s Own Sun (13 & God Song) 
Come In 
Kong 
Boneless 
Pick Up the Phone 
This Room 
Into Love / Stars 
Pilot 
Night's Too Dark To Sleep
Into Another Tune
Gravity 

One With the Freaks 
Puzzle
Lineri 

Consequence 
Gone Gone Gone 

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