Gesehen: September 2022
Im August und September starteten gleich zwei aufwändig produzierte Serien, die darauf abzielen, ihre jeweiligen Streamingdienste (HBO beziehungsweise Sky/Wow und Amazon Prime) angesichts immer größer werdendem Konkurrenzdruck in der Publikumsgunst ganz nach vorne zu bringen: House of the Dragon auf Sky ist ein Prequel zur wohl erfolgreichsten Sky-Serie aller Zeiten, Game of Thrones. Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht (The Rings of Power) auf Amazon Prime hat ein ganz ähnliches Konzept und erzählt die Vorgeschichte der überaus erfolgreichen Filmtrilogie als Serie. Nachdem beide Werke zudem zeitlich in einem Phantasie-Mittelalter angesiedelt sind, zielen sie auch noch auf dasselbe Publikum ab.
Mein Haushalt verfolgt aktuell beide Serien, wobei ich deutlich voreingenommen war: Tolkiens Romane konnten mich noch nie packen - gelesen habe ich sie nie, die Filme nahm ich eher gleichgültig zur Kenntnis. Game of Thrones dagegen packte mich - wider Erwarten - ab der ersten Folge, nach Staffel 1 las ich auch sämtliche Bände der Romanvorlage von George RR Martin (der diese ja leider immer noch nicht vollendet hat). House of the Dragon genießt zudem den Vorteil, dass Martin noch lebt und an der Serie beteiligt ist.
Dennoch bin ich, so viel kann ich nach einigen Folgen verraten, von beiden Serien enttäuscht. Beiden merkt man an, dass sie sicherlich sehr teuer produziert wurden, aber wichtiger wäre mir ein spannendes Drehbuch gewesen. Das Herr der Ringe-Prequel erzählt im Grunde eine ähnliche Geschichte wie das Original: Die Völker von Mittelerde müssen auch hier gegen den zur Macht strebenden Sauron kämpfen, den allerdings jetzt noch kaum jemand kennt. Gut und böse sind dabei klar definiert, die Hauptfigur ist Galadriel, die auch in den Filmen eine tragende Rolle hat (Elben werden ja praktischerweise sehr alt). Bei House of the Dragon geht es um einen Erbfolgestreit der langjährigen Herrscherfamilie Targaryen, die in der "Grundserie" bereits entmachtet und vermeintlich ausgestorben ist.
Mein Vorwurf an beide Serien ist dann annähernd identisch: Sie wirken auf mich blutleer. Was mich und sicherlich viele andere bei Game of Thrones faszinierte, waren die vielen Schattierungen von Grau: Hauptfiguren wie Tyrion Lannister oder sein Bruder Jaime waren definitiv keine Vorbilder, überwanden sich aber so manches Mal, eine moralisch richtige Entscheidung zu treffen. Und selbst durch und durch böse Figuren hatten, wenn sie keine Psychopathen waren, häufig zumindest eine menschliche Seite - etwa Cersei, die keine Sympathieträgerin ist, aber zumindest aufrichtig das Beste für ihre Kinder will. In House of the Dragon fehlen diese Nuancen: Alle Agierenden, denen man bislang begegnet ist, gieren in irgendeiner Form nach dem Thron, ohne, dass ich ihn dabei einer Person mehr gönnen würde als einer anderen - weshalb es auch an echten Sympathieträgern fehlt.
Beide Serien haben außerdem gemeinsam, dass sie sich bemühen, Vorwürfe gegen ihre Ursprungswerke, dass diese allzu "weiß" angelegt seien, aufzuheben: Es gibt nun schwarze Elben, Zwerge und Hobbits und ebenfalls schwarze Targaryens (genauer gesagt Velaryons). Zu mehr Diversität hat es in beiden Serien bislang seltsamerweise allerdings nicht gereicht, dabei gäbe es ja durchaus noch mehr Ethnien, die man abdecken könnte.
Ich prognostiziere, dass man in einigen Jahren über keine der beiden Serien noch sprechen wird. Zugegebenermaßen ein gewagtes Statement, da in der Serienwelt aktuell alles auf Spin-Offs ausgerichtet ist und eine Marvel- oder Star Wars-Serie nach der anderen auf den Markt geworfen wird.
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