Everybody Hurts (sometimes)
Begeisterte Empfehlungen sind, zumindest für mich, immer eine zweischneidige Sache. Einerseits bin ich natürlich daran interessiert, das, was mir jemand, der mich und meinen Geschmack immerhin sehr gut kennt, empfiehlt, kennen zu lernen und auch gut zu finden. Das gebietet außerdem auch die Höflichkeit. Andererseits regt sich aber auch eine kleine, leise Stimme des Widerstandes, und diese erklingt umso lauter, je stärker und überzeugter die Empfehlung war. Die Gründe dafür sind mir unklar, und vielleicht stehe ich mit diesem Empfinden auch allein da, aber irgendetwas in mir will das Empfohlene ablehnen, um zu beweisen, dass ich meine Geschmacksentscheidungen immer noch selbst fälle.
Vor etwa drei Monaten erreichte mich eine E-Mail mit dem Betreff „Your New Favourite Band“, in der mir mein Freund die neue britische Band Hurts ans Herz legte. Der Grund war klar, ich mag gerne Depeche Mode und bin ein Kind der der synthie-lastigen 80er Jahre. Angesichts der komplizierten psychologischen Situation (siehe erster Absatz) - denn enthusiastischer könnte eine Empfehlung ja kaum ausgesprochen werden - fiel es mir aber einigermaßen schwer, mir irgendeine Meinung zu dieser Band zu bilden. Die Musik ist 80er-Jahre-inspirierter Pop, durchaus eingängig und angenehm, aber mit einer Tendenz zum Seichten. Sage ich Letzteres nur, um meine Eigenständigkeit zu unterstreichen? Oder wäre mir dieses Popgedudel ohne ausdrückliche Empfehlung nie überhaupt aufgefallen?
Mein extrem langsamer Meinungsfindungsprozess ist mittlerweile von weiteren Entwicklungen überholt worden: Seit eineinhalb Wochen gibt es ein Album von Hurts, die Single „Wonderful Life“ erschallt in der Werbung für die neue Bravo Hits-CD und hat Rang 2 der deutschen Singlecharts erreicht. Und mit fällt die Antwort auf die Frage „Und wie gefällt mir die Musik nun?“ schwerer denn je. Mal sehen, was ich in ein paar Monaten denke …
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