Alle guten Dinge sind vier: The Notwist im Wiesbadener Schlachthof

by - Februar 26, 2014


The Notwist habe ich in den letzten Jahren bereits dreimal live gesehen, genauer gesagt in Frankfurt, Düsseldorf und beim Mannheimer Maifeld Derby. Obwohl mir die Konzerte stets gut gefallen haben, fand ich es immer eher schwierig, etwas Sinnvolles darüber zu schreiben. Nun habe ich meinen vierten Auftritt am vierten Veranstaltungsort erlebt, dieses Mal im Wiesbadener Schlachthof. Das Besondere dieses Mal: Die Band hat mittlerweile ein brandneues Album, Close to the Glass. Einiges daraus konnte man bei den letzten beiden Konzerten schon live auf der Bühne hören, aber jetzt ist das Material komplett und "offiziell". Zum anderen stellte Wiesbaden den Eröffnungstermin einer längeren Tournee da und bot somit quasi die "Premiere" der Platte nach ihrem Erscheinen.


Im Schlachthof begegneten wir zunächst einem altersmäßig etwas fortgeschrittenen Publikum und dann der Vorband Aloa Input. Die drei jungen Männer senkten nicht nur den allgemeinen Altersdurchschnitt, sondern hatten auch eine sehr nette Bühnendeko, die aus drei Aufstell-Leinwänden bestand, auf die Beamer Verschiedenes - wie einstürzende Hochhäuser, wachsende Blumen oder schwimmende Fische - projizierte. Cico Beck, Marcus Grassl und Florian Kreier waren jedoch selbst auf der sehr dunkel gehaltenen Bühne kaum zu erkennen.


Musikalisch wusste die Band auch zu unterhalten und erinnerte mit manchen Songs etwas an They Might Be Giants oder den noch folgenden Hauptact. Ihre Musik wird häufig mit dem Begriff "New Weird Bavaria", umschrieben, jedoch war die Live-Darbietung nicht so schräg und seltsam wie auf ihrem Debütalbum "Anysome". Einen ihrer Songs, "Rubbish", mussten sie allerdings zweimal anfangen. Nach ihrem Set sah ich Aloa Input am Bühnenrand stehen und begeistert den Auftritt der Hauptband beobachten.


Ich habe immer Probleme, wenn mich helle Lichter anblinken, das hatte aber leider vorab niemand The Notwist verraten. Die Bühne war zum einen mit Scheinwerfern dekoriert, die zu verschiedenen Zeitpunkten farbige "Lichtstreifen" an die Decke warfen. Farblich besonders stimmig bei "Neon Golden". Zum anderen gab es auch noch eine Art Stehlampen mit zeitweise blinkenden Leuchtdioden, die zwar eigentlich ganz gut aussahen, deren Licht bei Einsatz mich aber regelmäßig zwang, den Blick zu senken.


Dabei ist The Notwist ja durchaus eine Band, bei der es viel zu sehen gibt: Da werden zwischendurch (etwa bei This Room") Platten aufgelegt (sogar mehrere übereinander), zwei Geigenbögen parallel am Vibraphon eingesetzt, und selbstverständlich nutzte Martin Gretschmann, vor allem bei Titeln aus dem Album "Neon Golden", auch wieder seine modifizierten Wii-Controller zur Steuerung seines Equipments.


Nach den ersten Titeln "They follow me" und "Close to the glass", beide vom neuen Album, folgte mit "Kong" die aktuelle Single, die live beim Publikum sehr gut ankam und deutlich dynamischer war als in der Studio-Version. Wenig später wurde auch das neue "Into another tune" anders, weil sehr lang ausgespielt. Die Evergreens "Neon Golden" und "Pilot" flossen, quasi als Doppellied ohne Unterbrechung, ineinander über, wobei "Pilot" an sich auch munter zwischen der regulären Version und dem "Different Cars And Planes"-Remix hin und her sprang. Hier wurde es mitunter so elektronisch und beat-lastig, dass man sich an Underworld erinnert fühlte. Andererseits steigerten sich "Gloomy planets" und "Gravity" zu gitarrig-noisigen Höhepunkten und zeigten die andere Seite von Notwist auf.


Nach "Gravity" verließ die Band das erste Mal die Bühne, ließ sich aber bereitwillig zurückrufen und spielte noch drei weitere Songs, darunter das hinter mir sehr lautstark geforderte "Consequence". Andere Zuschauer hatten jedoch weitere Wünsche, die ich nicht so recht verstand. Als die Band abermals weggegangen und zurückgekehrt war (die geschriebene Setliste endete nach "Consequence"), wurden wieder besonders laut Liedtitel gerufen, in meiner direkten Nachbarschaft rief jemand "Spielt mal was Lautes, oder seid Ihr dafür zu alt??". Die Band war sichtlich unentschlossen und wechselte Blicke, schließlich sagte Markus Acher, man werde es versuchen (jemand im Publikum rief "Das ist wie Fahrradfahren!"), bei Textschwierigkeiten müsse das Publikum eben helfen. Es folgten mit den krachigen "One dark love poem" und "Puzzle" die mit 19 und 22 Jahren ältesten Titel des Abends. Die Band hatte mit der unvorbereiteten Darbietung, der sich noch "Chemicals" (auch schon 16 Jahre alt) anschloss, offenbar keinerlei Probleme, allerdings gefiel mir dieser Teil des Sets musikalisch am wenigsten - wobei mich die Spontaneität der Band sehr beeindruckte und das Konzert "besonders" machte.


Nachdem das Publikum nun immer noch nicht genug hatte, folgte als allerletzte Zugabe noch das wieder ruhigere "Gone Gone Gone" von "The Devil, You & Me", dann war endgültig Schluss. Wie gesagt, ich finde es immer schwierig, über Konzerte von The Notwist zu berichten, weil ich eigentlich nur ohne viele Worte sagen möchte, dass es prima war. War es nämlich wieder, dieses Konzert war vielleicht sogar mein bestes.



Setliste:

They follow me
Close to the glass
Kong
Boneless
Pick up the phone
Into another tune
This room
Gloomy planets
Neon golden
Pilot
Casino
Gravity

One with the freaks
Run run run
Consequence

One dark love poem
Puzzle
Chemicals

Gone gone gone 

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