Ach, was kam ich mir am Donnerstag schlau vor! Von Frankfurt wollte ich nach der Arbeit direkt nach Köln-Ehrenfeld fahren, um dort die Hamburger Band Hundreds zu sehen, aber meine Kamera lag noch daheim in Montabaur. Kein Problem, ich schrieb schnell meinem Freund eine SMS, er möge die Kamera bitte einpacken, und dachte, die Sache sei erledigt.
Das war aber ein Trugschluss, denn als ich kurz, nachdem wir Plätze in der ersten Reihe des winzigen Konzertsaals im ARTheater ergattert hatten, ein Bild von der herumliegenden Setliste machen wollte, ließ sich die Kamera nicht anschalten - der Akku war nämlich zwar frisch geladen, aber ich hatte ihn daheim offenbar nicht zurück in die Kamera geschoben. Folglich gab es dann doch nur Handyfotos.
Um kurz nach 8 Uhr erklommen dann zunächst nicht Hundreds, sondern die dreiköpfige schwedische Band DNKL die Bühne. Die sehr jung aussehenden Musiker haben für Hundreds einen Remix gemacht, so lernte man sich kennen, und nun sind sie deren Vorband - wobei der Kölner Auftritt nach eigenen Angaben ihr dritter überhaupt war. Das Trio machte melodischen Synthie-Pop mit leisem Gesang, für mich als alten Depeche Mode-Fan durchaus angenehm. Die Single "Hunt" wurde als einzige mit Titel angesagt, beim späteren Recherchieren stellte ich dann feste, dass es der Song immerhin bereits geschafft hat, vom britischen "Guardian" vorgestellt zu werden. Die Band verwies am Ende des Sets darauf, dass man am Merchandise-Stand ihre CD kaufen könne, die jedoch nur zwei Titel enthielt.
Hundreds, also das Geschwisterpaar Eva und Philip Milner, hatte ich bereits zweimal live gesehen, einmal beim Maifeld Derby und später nochmals in der Frankfurter Brotfabrik. Damals gab es von den beiden nur ihr Debütalbum, mit dem sie sehr ausgiebig auf Tour waren, nun erschien vor wenigen Tagen das Nachfolgealbum "Aftermath". Diese zeichnet sich anders als der Vorgänger "Hundreds" durch eine "natürlicher" klingende Instrumentierung aus - neben Synthesizern und Evas Stimme hört man nun auch häufig Bläser, Streicher oder auch Backgroundgesang.
Wir warteten also gespannt, ob Hundreds die winzige Bühne vielleicht mit einer stark erweiterten Band erklimmen würden, tatsächlich hatte das Duo aber nur einen Zusatzmusiker dabei, der sich hauptsächlich um die Percussion kümmerte. Der Rest der Instrumente kommt also live nach wie vor aus dem Synthesizer, aber wer weiß: Hundreds touren nun ja sicherlich wieder länger, und vielleicht ändert sich das Live-Lineup ja im Lauf der Zeit noch, denn möglicherweise stehen im Laufe des Jahres ja auch noch größere Hallen auf dem Plan.
Bei den beiden früheren Konzerten hatte Eva stets einen asymmetrischen Overall und ein Cape getragen, außerdem war sie immer barfuß gewesen. Auch an diesem Abend blieb sie barfüßig*, trug aber nun ein schwarzes Kleid mit weißen Umsäumungen. Das bekamen wir aber erst nach dem instrumentalen Intro zu sehen, das Philip und der unbekannte Zusatzmusiker allein spielten, erst dann betrat Eva die Bühne - ich erinnerte mich, dass das bei früheren Konzerten auch schon so abgelaufen war.
Die Bühne des ARTheaters war mit aufrecht stehenden Neonröhren dekoriert, die jeweils mit einem schwarzen Stoff überzogen worden waren. Zu einigen Songs gab es zusätzlich Projektionen, etwa Kisten bei "Happy Virus", in dessen Refrain ja von "happy little boxes" die Rede ist. Dazu kamen Evas Tanzeinlagen, die sich gegenüber den vorangegangenen Auftritten stilistisch nicht sehr verändert haben, wobei ich glaube, dass jeder Song seine eigene Choreographie hat.
Die Setliste dieses Abends, den Eva als "Record Release Party" bezeichnete, wurde selbstverständlich, vor allem in der ersten Hälfte, von "Aftermath" bestimmt. Altbekanntes wurde auch gespielt, aber häufig neu interpretiert dargeboten, so klang etwa "Fighter" deutlich anders als auf dem ersten Album. Später sang Philip bei "Grab the Sunset" mit - ich konnte mich nicht erinnern, das bereits in der Vergangenheit erlebt zu haben. Die neuen Songs "Rabbits on the Roof" und "Please Rewind" hatten wir, obwohl sie erst auf "Aftermath" veröffentlicht wurde, auch bei früheren Konzertbesuchen bereits live gehört.
Die Kommunikation mit dem Publikum fiel wie gewohnt freundlich, aber eher spärlich aus. Lediglich, als sich vor "Happy Virus" zeigte, dass irgendetwas nicht richtig angeschlossen war, erklärte Philip kurz "Ich muss da was nachsehen" und unterbrach so den Ablauf. Eva fragte ins Publikum "Hm, hat vielleicht jemand eine Frage?", worauf prompt "Seit wann kann Philip sprechen?" zurück kam. Eva entgegnete: "Weiß ich nicht so genau, mit mir spricht er auch nicht so viel!" und Philip ergänzte: "Ich rede nur, wenn es ein Problem gibt." Diese ließ sich aber zum Glück durch ein weiteres Abtauchen hinter den Synthesizerschrank beheben.
Als letzte Songs kündigte Eva noch zwei ruhigere Songs an, nämlich "Foam Born", eine Komposition von Touchy Mob - den ich nur deshalb kenne, weil er in der Brotfabrik im Vorprogramm von Hundreds aufgetreten war - und "Stones".
Nach dem regulären Set gab es noch zwei Zugaben, insgesamt drei Songs vom ersten Album. Zunächst wurden "Song For A Sailor" und "Let's Write The Streets" dargeboten, dann kehrten Eva und Philip noch für "Little Heart" zurück.
Auch mit ihrem neuen Album wussten Hundreds live zu überzeugen, was auch das restliche Publikum so zu sehen schien, denn es gab viel Applaus und "Circus" wurde mit dem Zwischenruf "Wunderbar!" bedacht. Trotz der weiten Entfernung von Köln zu Hamburg schienen auch viele Bekannte der Musiker anwesend zu sein, denn diese wurden vor und nach dem Auftritt von einigen, vor allem auch älteren Gästen umarmt.
Ich werde Hundreds in etwa zwei Monaten beim Maifeld Derby wiedersehen und bin schon gespannt, was es dann zu sehen und hören gibt.
Intro
Aftermath
Fighter
Beehive
Circus
Ten Headed Beast
Our Past
Please Rewind
Rabbits On The Roof
Happy Virus
Grab The Sunset
Foam Born
Stones
Song For A Sailor
Let's Write The Streets
Little Heart
* Im TV Noir-Interview erklärte Eva, dass sie immer barfuß auftritt, weil sie sonst das Gefühl hat, umzukippen, wenn sie die Augen schließt.
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