Das echte Leben als Krimi: Serial

by - Juli 28, 2015

Im Oktober 2014 hörten Tausende Menschen den Podcast "Serial", eine wöchentliche Serie über den Versuch einer Journalistin, ein reales Verbrechen von 1999 aufzuklären. In den USA ging sowohl die Serie als auch der Fall durch sämtliche Medien, in Deutschland war das Echo nicht ganz so riesig - sicherlich auch, weil man die Folgen nur auf Englisch hören kann. Nachdem sie aber weltweit kostenlos auf iTunes verfügbar sind, habe ich mir die 12 Folgen im letzten Monat angehört und kann bestätigen, dass sie überaus fesselnd sind - auch wenn von Anfang an klar ist, dass man als Zuhörer am Ende keine befriedigende Antwort bekommen wird.


Die Handlung dreht sich um die Ermordung der 18jährigen Schülerin Hae Min Lee in Baltimore, ein Verbrechen, für das ihr Exfreund, Adnan Masud Syed, eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Adnans Familie ist von dessen Unschuld überzeugt und hat die Journalistin Sarah Koenig um Hilfe gebeten. Diese beleuchtet den Mordfall von so vielen Seiten wie möglich, spricht mit Zeugen und spürt einige Beteiligte auf, die während des Gerichtsverfahrens nicht zur Verfügung standen. Jede Folge hat dabei ein Hauptthema, etwa Adnans Alibi, die Zuverlässigkeit des Hauptbelastungszeugen, den Fundort der Leiche und so weiter.


Für den versierten Krimifreund ist die Geschichte so aufreibend, weil es viele Ungereimtheiten gibt, die aber kein einheitliches Bild ergeben. Genau wie Sarah Koenig ist man einerseits dazu geneigt, Adnan zu glauben, denn dieser beteuert auch nach über zehn Jahren im Gefängnis seine Unschuld - was bedeutet, dass er nicht begnadigt werden kann, denn das setzt Reue voraus. Auch sein Motiv, Hae zu ermorden, erscheint mehr als schwach, darüber hinaus wirk er in seinen Telefoninterviews, die er vom Gefängnis aus gibt, sympathisch und ehrlich. Aber wer kann es nur dann gewesen sein? Es gibt Anzeichen, dass die Polizei ausführlich mit dem Belastungszeugen sprach, ohne dass es davon Aufzeichnungen gäbe, außerdem bezahlte die Staatsanwaltschaft für dessen Verteidigung als Beteiligter, was höchst ungewöhnlich ist.

Dann gibt es aber immer wieder Details, die den Zuhörer denken lassen, dass Adnan schuld sein muss. Warum beispielsweise kann er sich angeblich nicht mehr genau daran erinnern, was er am Tag von Haes Verschwinden gemacht hat, obwohl ihn die Polizei bereits zu diesem Zeitpunkt kontaktierte?


Für den Zuhörer ergibt sich letztlich als plausibelste Lösung, dass es kein Verbrechen gegeben hat, denn wer sollte das Mädchen einfach ohne guten Grund umbringen? Dass die Tat geschehen ist, steht aber nun einmal als einziges fest. Ähnlich wie bei der Geschichte um die vermeintliche Mörderin Amanda Knox scheint keine Erklärung Sinn zu ergeben, aber irgendetwas muss ja die Wahrheit sein.

Die Autorin und Moderatorin macht dabei kein Hehl aus ihrer eigenen Ratlosigkeit und Hin- und Hergerissenheit, was sie sehr sympathisch erscheinen lässt. Und so lässt einen Serial gleichermaßen fasziniert und ratlos zurück. Ich freue mich auf die nächste Staffel.

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