Unser Festivaleinstieg am Freitag war das Konzert der niederländischen Sängerin Amber Arcades. Die Singer/Songwriterin aus Utrecht befolgte den ungeschriebenen Dresscode des Festival-Freitags, indem sie komplett in weiß gekleidet erschien. Mit ihrem weißen Anzug, dessen Hose einen gewaltigen Schlag aufwies, wirkte sie dank ihres blassen Teints und der hellblonden Haare quasi einfarbig. Nur ihre roten Lippen stachen heraus.
Ihre vierköpfige Begleitband trug als Kontrast schwarz. Amber Arcades Musik klang live deutlich rockiger und auch einprägsamer als auf Platte - die Sängerin hat bislang ein Album und eine EP veröffentlicht. Am untypischsten waren jedoch die beiden abschließenden Songs: Für das vorletzte Lied "Can’t say that we tried" packte der Gitarrist sein Instrument weg und bediente stattdessen ein elektronisches Gerät mit Knöpfchen. Das letzte Lied klang war von einem elektronischen Beat unterlegt.
Setliste:
A Constant’s Dream
Right Now
Come with me
This time
Fading Lines
I will follow
?
It changes
Can’t say that we tried
Turning Light
Weiter ging der Festival-Freitag mit unserem ersten Besuch an der Hauptbühne bei Sundara Karma. Der Guardian vergleicht das Quartett aus Reading mit U2 und Arcade Fire, beide Bands konnte ich nicht heraushören. Schon vor unserem Besuch bei Amber Arcades hatten wir einen Blick auf die Band erhaschen können. Ein niederländischer Radiosender veranstaltete nämlich neben der Zeltbühne in einem Minizelt Mini-Akustikauftritte einiger Bands des Festivals. Obwohl unsere Sicht schlecht gewesen war, hatte sich mir das grellgrüne Hemd von Gitarrist Ally Baty gleich eingeprägt.
Nun, da die Band auf der Bühne stand, konnte man erkennen, dass diese offenbar ein optisches Konzept hat: Alle Mitglieder hatten schulterlange Haare und trugen Kleidung, die nach Second Hand Shop aussah - und zwar, als hätte sie einen Kilopreis gehabt. Bassist Dom Cordell trug das möglicherweise hässlichste Hemd, das ich je gesehen habe, seine Rentnerhose war zu kurz. Sänger Oscar Pollock schien auf den ersten Blick einen Nadelstreifenanzug zu tragen, aber auf den zweiten bemerkte man, dass Ober- und Unterteil nicht zusammenpassten. Und auch das bereits vorab gesichtete grüne Hemd beeindruckte nicht wegen seiner Schönheit.
Die Musiker waren zu Beginn ihres Auftritts zurecht unzufrieden mit dem Sound, der dann im Laufe des Sets zum Glück wesentlich besser wurde. Im Wesentlichen spielte die Band Lieder von ihrem einzigen Album "Youth is Only Ever Fun in Retrospect", lediglich "Lakhey" wurde als neuer Song angekündigt, Sänger Oscar erprobte sich dabei an einer Falsettstimme.
Man merkt es schon: Obwohl an ihrem Auftritt nichts auszusetzen war, konnten mich Sundara Karma nicht wirklich packen. Die besten Songs waren noch "Olympia" und "Flame". Letzteres wurde glücklicherweise in einer anderen Version vorgetragen als in der Radiosession vorab. Diese war recht monoton gewesen.
Setliste:
Loveblood
Olympia
Watching from Great Heights
Lose the Feeling
Flame
Lakhey
She Said
Deep Relief
The Night
Happy Family
Explore
The Night
Happy Family
Explore
Anschließend begaben wir uns schleunigst zurück zu Bühne 2 im Zelt, aber hier zeigte sich ein Problem, das wir bereits im Vorjahr gehabt hatten: Das Zelt ist zu klein, so dass man, wenn eine Band viele Zuschauer anzieht, lange vor deren Auftritt anwesend sein muss, wenn man einen halbwegs vernünftigen Stehplatz ergattern möchte. Ansonsten sieht man eben wenig bis nichts. Bei Real Estate, die ich neulich erst im Sendeschluss hatte, waren wir zu spät dran und hielten es dann auch nicht lange aus.
Die Band klingt so, als wären Teenage Fanclub nicht aus dem verregneten Glasgow sondern dem sonnigen Kalifornien - und hätten weniger Hits.
Setliste (laut Internet):
Stained Glass
Younger Than Yesterday
White Light
Crime
Saturday
Serve the Song
Green Aisles
Talking Backwards
After the Moon
Two Arrows
Wir gingen in Ruhe zurück zur Hauptbühne, wo als nächstes Agnes Obel auftrat. Ich kannte die in Berlin lebende Dänin vorab nur vom Hörensagen. Sie erschien mit drei anderen Frauen, von denen gleich zwei Cello spielten. Eine weitere saß am Keyboard, während eine der Cellistinnen auch eine Autoharp dabei hatte und die Schlagzeugerin zusätzlich Dulcimer und Omnichord spielte.
Wie viele der Musiker des ersten Festivaltags trug die Band weiß, Frau Obel selbst dagegen hatte ein rosa Kleid an und trug darüber noch eine rote Jacke. Alle Musikerinnen hatten Glitterstreifen im Gesicht und passten somit perfekt zum ebenfalls vielfach so geschminkten Publikum - ob es sich um Fans handelte, die sich gezielt mit Glitter bestreut hatten, oder einfach Zufall war, werden wir nie erfahren.
Die getragene, cellolastige Musik von Frau Obel gefiel mir sehr gut. Sie selbst kündigte "Stone" als ein Lied an, das eigentlich nicht für Festivals geeignet, da viel zu ruhig sei, aber eigentlich traf diese Aussage auf das gesamte Set zu - machte aber nichts, da sowohl das andächtige Publikum als auch das Festivalgelände ruhig waren.
Zu "Golden Green" warf eine der Musikerinnen als Percussioninstrument einen Ring aus Holzstückchen rhythmisch in die Luft und fing ihn wieder auf. Bei "Stone" kam eine Ukulele zum Einsatz.
Die Hauptbühne verfügte über zwei große LED-Wände an beiden Seiten. Die Kameras, die für diese das Konzert filmten, taten das im Fall von Agnes Obel durch eine Art Plastikprisma, so dass die Bilder kaleidoskopartig wirkten - ein wenig wie das Cover von Obels aktuellem Album "Citizen of Glass".
Dieses Konzert war in meinen Augen das beste des Tages.
Setliste:
?
It's Happening Again
Golden Green
Trojan Horses
Unknown (Piano Instrumental)
The Curse
Stone
Stretch Your Eyes
September Song
Riverside
On Powdered Ground
Nach einer verdienten Pommes-Pause kehrten wir wieder zur Hauptbühne zurück, wo als nächstes Metronomy auftreten sollten - deren Musik mir in der Vorbereitungs-Playliste so gar nicht gefallen hatte. Die englische Band um Joseph Mount hatte ebenfalls das "weiße Kleidung"-Memo erhalten, nur Bassist Olugbenga Adelekan hielt sich nicht ganz an den Dresscode.
Die Bühnengestaltung erinnerte etwas an den Auftritt von Air, den wir im Vorjahr an selber Stelle gesehen hatten - die Bühne war in weiß gehalten, die beiden Keyboarder und die Schlagzeugerin hatten Stationen im Hintergrund, wobei die Keyboards auf kuriose Weise übereinander arrangiert waren - je eines waagerecht oben und das andere hochkant weiter unten. Die Keyboarder schienen direkt aus den 80er Jahren angereist zu sein - der eine mit einem schwarzen Handtuch um die Schultern, der andere mit halblanger Popperfrisur und Blazer.
Vor den drei Musikern befand sich Bandchef und Sänger Joseph Mount sowie Olugbenga Adelekan. Das nun gespielte Set wirkte etwas steril und durchgeplant, die Lieder gingen teilweise ineinander über. Mount spielte neben seinem Gesang abwechselnd Gitarre, Klangholz und auch Bongos. Zu "Everything Goes My Way" durfte Schlagzeugerin Anna Prior nach vorne kommen und einen Großteil des Liedes singen, während Mount so lange das Schlagzeug übernahm.
Im Vergleich zu Air schien diese Band ganz klar ihren Auftritt zu genießen, mich konnte er dennoch nicht wirklich fesseln. Andere waren da deutlich begeisterter, sangen mit und tanzten. Am besten kam "Love Letters" beim Publikum an.
Setliste:
Back Together
Miami Logic
Old Skool
The Bay
16 Beat
I'm Aquarius
My Heart Rate Rapid
Mick Slow
Love Letters
Hang Me Out To Dry
Lately
Night Owl
Everything Goes My Way
The Look
Reservoir
Eigentlich waren wir schon auf dem Weg zum Auto, als wir noch kurz bei Bühne 3 und Jenny Hval vorbei schauten. Im Zelt herrschte ein reges Kommen und Gehen, und schon bald wurde auch klar, warum. An Stelle eines Konzerts wurde hier eher Performancekunst geboten. Jenny trug ein kurzes Samtkleid sowie eine schwarze Perücke, ihre Band (zwei Frauen, ein Mann) hatte sie exakt genauso ausstaffiert. Sie entlockten diversen Elektromusikinstrumenten Töne, kurioserweise war auch eine Tuba mit von der Partie.
Um Musik ging es aber, zumindest, so lange wir dabei waren, eher weniger. Es gab eine Bühnendeko aus seltsamen Stoffwürsten, die wie Geschwüre wirkten. Eine solche Wurst hängte sich Jenny um, andere wurden von einer Kollegin zerrissen, anschließend lief sie umher und schnitt von den Perücken ihrer Kollegen Strähnen ab. Alles wurde auf der Bühne mit einem Handy mitgefilmt. Jenny nahm ihre Perücke ab - in echt ist sie blass und blond, was wiederum zum Tagesmotto passte - und schien, während sie einen Text vorlas, in dem unter anderem "Cry cry cry" vorkam, zu weinen.
Setliste (laut Internet):
Ritual Awakening
Secret Touch
Lorna
Female Vampire
In the Red
The Great Undressing
The Plague
Conceptual Romance
0 comments