Manchmal denke, ich, mein Freund erfindet Dinge, um nicht vorhandene Wissenslücken bei mir zu produzieren, damit ich mit ihm zu Konzerten gehe, um diese zu schließen. Oder habt ihr schon einmal etwas vom „New Acoustic Movement“ oder „Quiet is the new loud“ gehört? Außerdem denkt er sich zu diesen Musikrichtungen Bands, wie Turin Brakes, I Am Kloot oder Starsailor aus, um seine Behauptungen glaubhafter wirken zu lassen. Obwohl diese Bands nicht zu den zwei CDs* gehörten, die ich 2001 gekauft habe, gibt es sie tatsächlich und die beiden oben genannten Genre-Einteilungen wurden wirklich von der englischen bzw. deutschen Presse erfunden, um unterschiedliche Künstler mit einem Label versehen und eine Bewegung konstruieren zu können.
Mit Starsailor hat eine dieser Gruppen nach längerer Stille wieder ein neues Album aufgenommen und ist aktuell auf Europatournee. Da mein Freund das Debütalbum sehr schätzt und aus diesem viele Lieder gespielt werden sollten, machten wir uns Samstag Abend auf den Weg ins Frankfurter Zoom.
Der Abend stand unter dem Zeichen der schnellen Übergänge: Nachdem beim Italiener nahe des Zoom unser Essen so schnell gebracht worden war, dass mein Freund irritiert fragte, ob ich unsere Bestellung mit der Reservierung durchgegeben hätte, erreichten wir den Club mühelos schon kurz vor 8 - dennoch stand die Vorband Kensington Road bereits auf der Bühne und hatte sicherlich schon einen Großteil ihres Auftritts absolviert.
Sehr traurig machte uns das nicht, musikalisch beeindruckte uns der Indierock (oder doch Kirmesrock?) der deutschen Band nur wenig. Bemerkenswert waren zum einen die Ansagen, die das Publikum immer wieder aufforderten, auszuflippen, einen Moshpit zu bilden etc. (von diesen Dingen war man um diese Zeit im gut gefüllten Zoom weit entfernt), zum anderen der unfassbar gut bestückte Merchandise-Stand. Von Kensington Road gibt es so ziemlich alles - um so erstaunlicher, weil Starsailor als Hauptact im Gegenzug überhaupt keinen Merch anboten.
20:25 - Kensington Road verließen die Bühne. 20:37 - Starsailor begannen mit ihrem Auftritt. Der Clubname „Zoom“ gefiel dem Quartett augenscheinlich gut, sie begrüßten uns schmunzelnd in dem „sweaty little club“. Man freute sich augenscheinlich, wieder einmal in Deutschland zu sein, der letzte Auftritt hier ist auch über zwei Jahre her, in Frankfurt war man zuletzt vor 10 Jahren - als Vorband der Rolling Stones im Stadion.
Gespielt wurde an diesem Abend eine Mischung aus Songs des aktuellen Albums „All This Life“ mit früheren Titeln, wobei das laut meinem Freund beste Album, das Debüt „Love Is Here“ mit sieben Liedern die meisten beitrug. Von „All This Life“ waren es, da die Setliste im Vergleich zu vorherigen Auftritten etwas kürzer ausfiel, immerhin fünf. Das Publikum war zum Großteil gesetzteren Alters, durchaus begeisterungsfähig, aber vermutlich hauptsächlich an den älteren Songs interessiert - insofern hatte die Band mit der Setliste alles richtig gemacht.
Im Publikum entdeckten wir zudem diverse Briten, einer trat in Dialog mit der Band, indem er nach oben schrie, er sei aus Motherwell. Sänger James Walsh entgegnete, seine Mutter sei auch aus Schottland, er fände Schottland super. Darauf rief der Schreihals „I love your mom“ und Walsh entgegnete gespielt entsetzt „Oh! Does my dad know?“
Zum Thema „New Acoustic Movement“ lieferte das Konzert nur einen Beitrag, eine Coverversion von Tom Pettys „American Girl“, die Walsh alleine darbot, und die sicherlich seit Pettys kürzlichem Tod im Liveprogramm ist. „Way To Fall“ wurde angekündigt, indem Walsh zunächst anmerkte, dass er einige im Publikum schon bei vorherigen Konzerten gesehen hätte und dann erklärte, dass dieser Song zuletzt nicht auf der Setliste gewesen sei. Schön, wenn auch an die Mehrfachkonzertbesucher gedacht und ein wenig variiert wird (Gell, Noel Gallagher?).
Mitsingmäßig traute man dem Publikum nicht allzu viel zu, im Wesentlichen wurden wir angehalten, gelegentlich "Ohoho" zu machen, was dann immerhin auch gut gelang. Erst gegen Ende des Hauptteils, verließen Starsailor die „All This Life“- und „Love Is Here“-Spur und spielten 3 Singles aus anderen Alben. An „Tell Me It's Not Over“, das einige Songzeilen aus MGMTs „Kids“ enthielt, schlossen sich „Four To The Floor“ und „Silence Is Easy“ an. Mit „Four To The Floor“ wurde tatsächlich ein Song gespielt, den ich bereits vorher kannte!
Im Zugabenteil spielen Starsailor aktuell immer „FIA (Fuck It All)“, bei dessen Falsett-Teil James Walsh erstmals stimmlich schwächelte, und eine 8-minütige Fassung von „Good Souls“, die Bezug auf Fatboy Slims „Praise You“ nahm, nicht nur hinsichtlich der Tanzmoves des Bassisten. Eine seltsame Entscheidung, die eigenen Hits mit denen bekannterer Acts zu garnieren!
Nach dem Konzert, das gegen 22 Uhr endete, waren Starsailor und Publikum sichtlich zufrieden, vom Band kam ein weiterer Tom Petty-Song, mein Freund freute sich über die sieben Songs aus „Love Is Here“ und ich kenne jetzt einen nicht mehr ganz so jungen Vertreter des „New Acoustic Movements“.
Setliste:
Listen to Your Heart
Alcoholic
Poor Misguided Fool
Lullaby
Blood
Fever
American Girl (Tom Petty and the Heartbreakers cover)
Sunday Best
Way To Fall
Tie Up My Hands
Best of Me
Tell Me It's Not Over
Four to the Floor
Silence Is Easy
FIA (Fuck It All)
Good Souls
*Placebo und möglicherweise Ladytron.
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