In halbwegs alter Tradition versuchen wir, die Bands, die unser Wohnzimmer besuchen, vorab schon einmal bei einem Konzert derselben Tournee zu sehen, um uns persönlich vorzustellen und die Musik stressfrei zu genießen. Bei Loch Lomond wäre das nicht zwingend notwendig gewesen, denn die Amerikaner haben uns bereits vor einem guten Jahr besucht und hatten selbst angefragt, nochmals vorbei kommen zu dürfen. Dennoch, Tradition ist Tradition.
Zur Auswahl standen für uns ein Besuch in Offenbach oder einer in Wetzlar, nachdem wir im letztgenannten Ort bei der vorherigen Tournee bereits gewesen waren, votierte ich für Freitagabend im Offenbacher Hafen 2. Das entpuppte sich als gute Idee, denn während das Hafen 2 normalerweise eine nicht weiter bemerkenswerte Halle ist, wird im aktuellen Sommerprogramm einiges mehr geboten.
Auf einer großen Wiese stehen Bierbänke, es gibt einen weitläufigen Spielplatz, drinnen kann man sich Speisen und Getränke holen. In einem natürlich abschüssigen Bereich sind um die 200 Plastikstühle aufgestellt, direkt am Mainufer befindet sich dann eine Bühne - und auf dieser traten an diesem Abend Loch Lomond auf und waren bereits mit dem Soundcheck beschäftigt, als wir eintrafen. Direkt neben der Bühne grasten drei von der Musik unbeeindruckte Schafe, hinter der Band fuhren Frachter, Kajak-Gruppen, Stand-Up-Paddler und auch ein After Work-Partyboot vorbei - all das in herrlicher Abendsonne vor vielen Menschen, die hier ihren idyllischen Freitagabend genossen. Als Ex-Frankfurterin lästere ich weiterhin gerne über Offenbach, aber eine vergleichbare Location hat die Mainmetropole nach meinem Kenntnisstand nicht zu bieten.
Allerdings waren all die Leute, die hier saßen oder lagen, nicht etwa wegen Loch Lomond gekommen. Die meisten warteten auf den Beginn des Open Air-Kinos an selber Stelle um 22 Uhr, manche waren vermutlich auch einfach so gekommen, um in entspannter Atmosphäre etwas zu trinken. Insofern konnten wir feststellen: Auch wenn wir in unserem Wohnzimmer weder hinsichtlich Gästezahl noch atmosphärisch mit dem Hafen 2 konkurrieren können werden, bei uns werden zumindest größere Stille und Aufmerksamkeit herrschen.
Stichwort Aufmerksamkeit: Warum standen denn da überhaupt nur sechs Personen auf der Bühne, während sich für unser Konzert doch gleich sieben angekündigt hatten?? Eine der ersten Ansagen nach Konzertbeginn klärte auf: Der Trompeter saß noch im Flugzeug und sollte erst am nächsten Tag zur Band stoßen. Dafür reisen zwei Bandmitglieder, Pete Bosack und seine Frau Julie, mit ihrer zweijährigen Tochter. Diese wurde von der ebenfalls mitreisenden Oma beaufsichtigt, aber vor allem während des Soundcheck auch seitens der Mutter ausführlich von der Bühne aus bespaßt.
Das eigentliche Konzert enthielt viele Songs, die wir bereits kannten (Anlass der Tour ist auch die Wiederveröffentlichung der Platte "Night Bats" auf Vinyl, kein neues Werk). Anna Hoone ist bei dieser Tour nicht mit von der Partie, ihre Gesangsparts übernimmt Julie Bosack gemeinsam mit Brooke Parrot, die auch beim letzten Mal dabei war. Die beiden sangen gemeinsam - und ohne den eigentlichen Sänger - "The Way" und erklärten, dass zu diesem Lied am nächsten Abend in Wetzlar ein Heiratsantrag gemacht werden sollte - der betreffende Fan hatte sie vorab kontaktiert. Auf der Setliste befand sich mit Peter Gabriels "Games without Frontiers" auch eine Coverversion - bei der vorausgegangenen Tournee hatte man stattdessen zwei Lieder von The Magnetic Fields gespielt.
Ansonsten wurde nicht allzu viel gesprochen. Ritchie erwähnte, dass die Band bereits zum zweiten Mal im Hafen 2 gastierte, und dass es der erste Auftritt der Tournee sei - das zeigte sich aber nur bei einem Lied gegen Ende, das er mit den Worten "We thought we knew how to play this song but we don't" abbrach. Als das Partyboot ein weiteres Mal vorbei kam wurde sowohl seitens der Band als auch vom Schiff aus eifrig gejubelt und gewunken. Zu "Elephants & Little Girls" erwähnte er darüber hinaus, das Lied handele von einem Traum, in dem ein Mädchen im Laufe eines Tages altert und schließlich stirbt. Die Zweijährige begann genau dann zu weinen...
Zum Ende hin des wie immer schönen, aber auch vergleichsweise kurzen Sets wurde es leider immer unruhiger, weil mehr und mehr Gäste für den Kinoteil des Abends eintrafen und bei der Suche nach attraktiven Sitzplätzen ihre Gespräche nicht unterbrachen. Auf der Bühne wurde es im Gegenzug sehr niedlich, als die Zweijährige beim letzten Song auf dem Arm ihrer Mutter sitzen durfte und auch ein bisschen ins Mikrophon brabbelte und auf dem Xylophon herumschlagen durfte.
Einige andere waren aber wohl ebenfalls wegen der Band hier, denn hinterher am Merchandisestand wurden von diversen Besuchern noch Fragen gestellt und um Unterschriften auf Platten gebeten. Auch das herumgegebene Einmachglas, in das ein freiwilliges Eintrittsgeld bezahlt werden sollte, wirkte recht gut gefüllt.
Setliste:
All your friends are smiling
Violins and tea
Seattle Denver Arms
Pens from Spain
Kicking with your feet
Elephants & Little Girls
Tiny Steps
The Way
Your Eyes
Games without frontiers (Peter Gabriel Cover)
Stripe II
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Wax and Wire
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