Neulich in den 80ern (3): The Jeremy Days im Frankfurter Zoom

by - Dezember 05, 2019


Ich habe eine geheime Superkraft entdeckt: Solokünstler, die in unserem Wohnzimmer auftreten, trommeln kurz danach ihre schon seit Jahrzehnten aufgelöste ehemalige Band zusammen und machen eine Reunion-Tournee. So geschehen bei Pete Fij mit Adorable, und jetzt treten auch Dirk Darmstaedters The Jeremy Days wieder auf.

Tatsächlich hat sich mein Freund schon einen perfiden Plan ausgedacht, wie er die von ihm ersehnte Oasis-Reunion erreichen könnte: Er muss sich nur in Liam Gallaghers Twitter-Konto hacken und als dieser behaupten, sein verfeindeter Bruder Noel sei sicher viel zu abgehoben, ein Wohnzimmerkonzert zu geben. Am selben Tag schicken wir Noel eine Einladung, die dieser natürlich, um seinem Bruder eins auszuwischen, sofort annimmt. Dann tritt er bei uns auf, und der Rest ist dann, wie man so schön sagt, Geschichte.

Während dieser Masterplan noch heran reift, erzähle ich schon einmal vom Konzert, das The Jeremy Days am Samstagabend im Frankfurter Zoom Club gegeben haben. Es war das siebte und vorletzte der aktuellen Tour, und außer dem Bassisten Christoph M. Kaiser, der durch Stephan Gade ersetzt wurde, sind alle Originalmitglieder mit von der Partie - sogar der Keyboarder Louis Oberlander, der mittlerweile in Los Angeles residiert.


Bei unserer Ankunft im Zoom raunte ich meinem Freund zu, dass nicht nur alle anderen Konzertbesucher "alt" seien (etwas anderes war ja auch nicht zu erwarten gewesen), ich hatte auch den Eindruck, dass das Altersspektrum sehr eng umgrenzt war. Ich denke, alle Besucher waren zwischen 45 und 50 Jahre alt. Mindestens drei Konzertgäste trugen auch alte The Jeremy Days-T-Shirts - eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass sie diese um die dreißig Jahre lang aufbewahrt haben müssen.

Leider hatten wir die Pünktlichkeit dieses Alterssegments unterschätzt, an Stehplätze in Bühnennähe war 20 Minuten nach Einlassbeginn nicht mehr zu denken. Das Zoom ist im Hinblick auf die Bühnensicht auch wirklich keine tolle Location: In den hinteren Reihen sieht man wenig, und wenn man Pech hat, stehen einem auch noch Säulen im Weg. Auch die Bühnenbeleuchtung ist regelmäßig für Fotografen frustrierend, gute Schnappschüsse sind kaum zu bewerkstelligen, weil die Musiker eher von hinten angeleuchtet werden. Eigentlich sind die Lampen wohl hauptsächlich dazu gedacht, die Zuschauer zu blenden.

Um kurz nach 8 ging das Konzert los, eine Vorband hatte man sich zu unserer Freude gespart. Als die Band die Bühne betrat, sagte mein Freund zu mir "So ein Konzert ist das also!" und meinte damit, dass überall um uns herum begeistert zu den ersten Takten von "This is the time" mitgeklatscht wurde. Aber nicht nur vor der Bühne war die Begeisterung immens, auch den Musikern auf der Bühne war der Mimik nach anzumerken, dass sie sich aufrichtig freuten, nun loszulegen.


Nach dem ersten Lied erzählte Dirk Darmstaedter, dass man sich das Alter der Band durch die Tatsache vor Augen führen könne, dass ihr erstes Album noch auf Kassette erschienen sei, und Oberlander ergänzte, es habe sogar zwei Fassungen gegeben, "Normal und Chromdioxid". Darmstaedter ergänzte, dass es mittlerweile ja wieder Veröffentlichungen auf Kassette gebe und sich die Welt quasi einmal im Kreis gedreht habe.

Weiter ging es unter anhaltender Begeisterung des Publikums mit "Starting to Pretend" und "Julie Thru the Blinds". Zu letzterem merkte Darmstaedter an, es sei der allererste veröffentlichte Song der Band, und man könne sein Alter durchaus der Anzahl der "Oh Baby"s entnehmen - heute würde er das so sicherlich nicht mehr schreiben. Anschließend kam dann ein weiterer erster Song, nämlich der erste mit Video. Die Band war, so erfuhren wir, für den Dreh zu "Are You Inventive" extra nach London geflogen worden und durfte dort mit einem angesagten Regisseur arbeiten. Etwas irritiert reagierten sie allerdings, als sie aufgefordert wurden, mit Fischen zu winken, aber ihnen wurde versichert, das sei der letzte Schrei...


Zum Superhit "Brand New Toy" hörten wir eine exzellente Geschichte, die Dirk Darmstaedter bereits in unserem Wohnzimmer zum besten gegeben hatte: Obwohl die Jeremy Days offiziell nie irgendetwas in der Sowjetunion veröffentlicht haben, scheint es dort (so bekam er es von einem russischen Journalisten erzählt) eine Doppelsingle gegeben zu haben - mit Modern Talkings "Cheri Cheri Lady" auf der einen Seite und "Brand New Toy"auf der anderen. Laut besagtem Journalisten habe "jeder" damals diese Single besessen. Einen Lacher bekam Jörn Heilbuts Ansage, die Band werde nun Seite A spielen.

Vor "Virginia" erfolgte eine ausgesprochen ausführliche Bandvorstellung, wobei mich persönlich ja noch interessiert hätte, was die Bandmitglieder alle heute so machen, dieses Detail wurde aber nicht enthüllt.


Während die Setliste sich im großen und ganzen auf die ersten beiden, und sicherlich am besten bekannten Alben "The Jeremy Days" und "Circushead" beschränkte, wurden die beiden folgenden Alben zumindest mit je einem Lied bedacht: Aus "Speakeasy" von 1992 hörten wir "Loved" und aus "Re-invent Yourself!" (das ich ehrlich gesagt nicht mehr gekauft habe) "Under the Gun". "Sylvia Suddenly" hörten wir in einer ansprechenden akustischen Version, für die der Schlagzeuger Rob Feigel nach vorne kam und Glockenspiel spielte. Und neben dem verzichtbaren "My Man" hatte es zum Glück auch mein Jeremy Days-Lieblingssong "Rome Wasn't Built in a Day" auf die Setliste geschafft.

Mit "This World" endete das Konzert zum ersten Mal, aber die Band war im Grunde sofort nach ihrem Weggang wieder zurück auf der Bühne und spielte uns noch "What The Wind’s Blowing ’Round" und "Good Morning Beautiful", die "La la la"s in letzterem Lied wurden natürlich begeistert vom Publikum mitgesungen.


Die zweite Zugabe mussten wir uns dann etwas härter erarbeiten, bekamen nach hartnäckigem Jubeln aber noch "Give It A Name" und "Room to Revolution" zu hören, bevor das Konzert unserem fortgeschrittenen Alter entsprechend um kurz nach 10 dann wirklich vorbei war.

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn Bands sich wiedervereinigen, um ein bisschen Geld zu verdienen, denn schließlich ist es schwer genug, heute noch mit Musikmachen zu überleben. In diesem Fall war die Begeisterung und Spielfreude der Musiker aber so greifbar, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass monetäre Interessen hier auch nur eine große Rolle gespielt haben. Das Konzert machte allen Beteiligten großen Spaß, meckern möchte ich nur über die Raumform und auch die Beleuchtung des Zoom Clubs.

Setliste:

It Is the Time
Starting to Pretend
Julie Thru the Blinds
Are You Inventive
Food and Coffee
Brand New Toy
Virginia
Loved
Sylvia Suddenly
Under the Gun
Rome Wasn't Built in a Day
My Man
This World

What The Wind’s Blowing ’Round
Good Morning Beautiful

Give It A Name
Room to Revolution

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