Die Corona-Krise hat für langen Konzert-Entzug gesorgt. Mein Freund und ich waren beide ganz aufgeregt, als wir vor einigen Tagen das Konzert von Nick & June in Wetzlar besuchten. Doch am nächsten Abend saß ich plötzlich allein daheim auf dem Sofa! Es stellte sich heraus, dass ein Konzert allein nicht bei allen Beteiligten die Entzugserscheinungen geheilt hatte...
Donnerstag waren wir ja endlich mal wieder bei einem Konzert. Aber wo warst Du dann Freitagabend?
Du wirst es nach 10-monatiger Konzertpause vermutlich kaum glauben, aber ich war schon wieder auf einem Konzert. An zwei Abenden in Folge!
Wie stellt das Hafen 2 denn sicher, dass man bei ihnen kein Covid19 bekommt?
So, als wäre diese Problematik noch recht neu. Auf das Gelände strömten zahlreiche Menschen, die entweder das Konzert oder das anschließende Open Air Kino besuchen oder einfach nur das Café mit seinem weitläufigen Außenbereich nutzen wollten. Alle mussten zunächst zu einem Stand, um einen Zettel für die Kontaktdaten entgegen zu nehmen. Von der Luca App hat man in Offenbach wohl noch nichts gehört. Dazu bekam jeder einen Stift in die Hand gedrückt - ob diese später desinfiziert wurden?
Noch kurioser war, dass vor der Bühne, anders als bei unserem letzte Besuch, keine Stühle aufgebaut waren. Diese standen noch gestapelt auf der Wiese. Da sich der Einlass verzögert hatte und wir erst nach dem eigentlichen Konzertbeginn auf das Gelände kamen, dachte ich, dass dies aus organisatorischen Gründen nicht funktioniert hatte. Wie viele andere nahmen wir uns also Stühle und platzierten uns auf der Wiese vor der Bühne. Einige Minuten später kam ein Mitarbeiter des Hafen 2 und sprach alle sitzende Gäste an, dass sie wegen der Corona-Situation die Stühle zurückstellen müssten, da diese nur von den Besuchern des Open Air Kinos benutzt werden sollten. Einen vorherigen Hinweis darauf hatte es nicht gegeben. Also trugen wir alle die Stühle zurück zu den Stapeln - an eine erfolgte Desinfektion vor dem Open Air Kino glaube ich nicht.
Wie gut seid ihr mit der aktuellen Hitze zurecht gekommen?
Konzerte bei weit über 30° C kennen wir ja schon aus diversen Rom-Besuchen oder dem ein oder anderen Festival im Sommer. Im Hafen 2 hatten wir Glück, da fast der komplette Bereich vor der Bühne im Schatten lag.
Wie geht es den Schafen, die bei unserem letzten Besuch friedlich neben der Bühne grasten?
Sie waren leider nicht zu sehen. Aber sie scheinen bei guter Verdauung zu sein, wie man ihren zahlreichen Hinterlassenschaften auf der Wiese entnehmen konnte. Offensichtlich haben die Querdenker-Schafe gegen die Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit demonstriert und mussten sich nicht mehr auf einen eingezäunten Bereich beschränken. Und so saßen die Zuschauer mit oder ohne Picknickdecken zwischen den kleinen Höufchen und liefen Barfuß darauf herum. Das war mir wirklich zu viel Natur! Gut, dass wir noch einige der wenigen anfangs von uns verschmähten Barhocker ergattern konnten…
Ganz auf tierische Gesellschaft mussten wir aber nicht auf der Weide, äh, Wiese verzichten, da es circa zwei Milliarden Mücken und eine Schar Junikäfer gab, zu denen ein Musiker von Masha Qrella später behauptete, dass er sich gegen Hornissen hätte erwehren müssen.
Waren viele Besucher da? Wegen der Band, oder warteten sie aufs anschließende Kino?
Also im Vergleich zu der Anzahl an Menschen, die ich in den letzten Monaten gesehen habe, waren unglaublich viele Menschen zum Konzert erschienen. Bestimmt 50.
Noch viel mehr waren es für die schöne Außenanlage des Cafés sowie des ausverkauften Open Air Kinos.
Gab es eine Vorband?
Ein Abend - zwei Konzerte. So war es vom Hafen 2 angekündigt worden und daher bekamen wir zunächst einen ausgiebigen Auftritt der Hamburger Band Scotch & Water präsentiert.
Die Band erzählte, dass sie 6 Stunden angereist seien und übertraf damit die ebenfalls klimaanlagenlose Fahrt von Nick & June vom Vortag um fast das doppelte. Dennoch war auch hier die Freude der Band auf und über den Auftritt deutlich zu spüren.
Belohnt wurden sie mit reichlich Applaus und am Ende sogar mit vereinzelten Zugabe-Rufen. Da der angekündigte zeitliche Rahmen aber bereits vor Konzertbeginn deutlich gesprengt war, mussten wir uns mit dem zunächst dargebotenen begnügen. Das Indie-/Dreampop-Quartett stellte sein kürzlich veröffentlichtes Debütalbum „Sirens“ vor. Am meisten Applaus erhielt ein Song, der die Situation von Flüchtlingen aus Syrien thematisierte, mir gefielen vor allem die etwas schnelleren Songs, bei denen auch die Gitarre etwas exponierter war.
Wenn es mal etwas weniger spannend war, konnte man herrlich seinen Blick über den Main schweifen lassen und zahlreiche Ruderer, vorbeiziehende Frachter und Ausflugsschiffe, Stand-Up Paddler, ein Hausboot mit Junggesellinen-Abschied und eine Schwanenfamilie beobachten.
Masha Qrella verbindet ja anscheinend Lyrik mit Songs - wie zeigte sich das auf der Bühne?
Sie begann ihr Konzert - über dessen Länge wir uns tatsächlich aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit und des noch folgenden Films schon Sorgen machten - mit einem älteren, englischsprachigen Song, erklärte aber dann, dass sie eigentlich ihr neues Album vorstellen wolle. Es wurde aber weder etwas zur Entstehungsgeschichte erzählt noch ein Reclam-Heftchen mit den Gedichten von Thomas Basch verteilt.
Sehr lustig war, als sich Masha Qrella anfangs beim Support bedankte: „Scotch & Whiskey oder war es Whiskey & Scotch?“ Als einer ihrer beiden Mitmusiker sie aufklärte, dass die Band „“Scotch & Water“ heiße, gab es auf der Bühne Gelächter & Entschuldigungen.
Zwischendurch äußerte Masha Qrella die Vermutung, dass ihnen die vorbeifahrenden Boote die Show stehlen würde, prompt startete in diesem Moment ein längere Zeit vor dem Hafen 2 treibender Jetski mit einer riesigen Wasserfontäne. Die Befürchtung, dass sie nun einen Teil ihrer Gage abtreten müssten, bestätigte sich hoffentlich nicht.
Wie lange hat der Auftritt gedauert und wie hat er euch gefallen?
Wir kamen doch noch in den Genuss eines vollen Konzertes, da auch die Anfangszeit des Films deutlich nach hinten geschoben wurde. Als Masha Qrella gegen 22 Uhr das Okay gab, noch zwei Songs als Zugabe spielen zu dürfen, wussten die Verantwortlichen noch nicht, dass die dargebotene Version von „Don’t Stop The Dance“ allein deutlich länger als zwei Lieder dauern würde. Zahlreiche Zuschauer kamen diese Aufforderung übrigens nach.
Meine Lieblingslieder waren neben diesem „Geister“ und „Maschinen“ vom neuen Album. Bei letzterem steigerte sich das Trio fast schon in einen Notwist-artigen Rausch, so dass ich fast damit rechnete, dass Masha Qrella nun über „Different Cars And Trains“ singen würde.
Nachdem ich jetzt zwei dieser Konzerte gesehen habe, finde ich das neue Konzept, Künstler live zu sehen und nicht nur via Stream oder auf Schallplatte zu hören, spannend und interessant. Das würde ich sehr gern wiederholen. Vielleicht kommt jemand auf die Idee, Konzerte auch drinnen, also ohne Ameisen, Mücken, Schafhäufchen oder ähnliches, zu veranstalten…
Hast du mir etwas mitgebracht? Bitte keinen Corona-Virus!
Eigentlich wollte ich dir nach dem Konzert noch das Vinyl von „Woanders“ kaufen, aber nun muss ich es woanders erwerben, denn es waren einfach viel zu viele Leute dort. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt so viele Menschen gibt!
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