Gelesen: Oktober 2021

by - November 08, 2021


So, endlich habe ich Donna Tartts The Goldfinch durchgelesen! Der Roman hat 2014 mit ziemlich viel Berichterstattung den Pulitzerpreis bekommen, und ich habe ihn mir damals glaube ich zu Weihnachten gewünscht - und auch bekommen. Allerdings umfasst das Buch fast 800 Seiten und ist in der Hardback-Version auch nicht gerade mobil. Ich schob die Lektüre also erst einmal vor mir her, bis ich diesen Sommer endlich damit begann - und dann auch noch ganz schön viel Zeit benötigte.

Ich hatte vorab nichts zur Handlung gewusst. Sie dreht sich um Theo Decker, der im Rückblick das einschneidendste Erlebnis seines Lebens erzählt: den Tod seiner Mutter bei einem Bombenanschlag auf das Metropolitan Museum in New York. Theo überlebt den Anschlag beinahe unverletzt und erwacht verwirrt neben einem sterbenden Mann, der ihn - ebenfalls verwirrt - auffordert, eines der Bilder der von beiden besuchten Ausstellung niederländischer Maler mitzunehmen - eben den Distelfinken, ein auch in der Realität existierendes Bild von Carel Fabritius.

Theos entfremdeter Vater kann zunächst nicht kontaktiert werden, weshalb der Jugendliche einige Monate bei der Familie eines Schulferundes lebt, die der High Society angehört, später zieht er zu seinem mittlerweile wieder aufgetauchten Vater und dessen Freundin nach Las Vegas, wo er eine tiefe Freundschaft zu einem anderen Jungen schließt, aber auch erhebliche Alkohol- und Drogenprobleme entwickelt. Schließlich kehrt er zurück nach New York und zieht zum Geschäftspartner des sterbenden Mannes aus dem Museum, von dem er sich zum Restaurateur und Antiquitätenhändler ausbilden lässt.

Bei all diesen Episoden begleitet ihn das gestohlene Bild - einerseits, weil Theo es mit seiner Mutter und deren Liebe zur Kunst verbindet, weshalb er sich nicht davon trennen kann, andererseits, weil er schlicht nicht weiß, wie er das Bild zurückgeben kann, ohne bestraft zu werden.

Was mir zu Beginn meiner Lektüre neben der Handlunbekannt war, ist, dass die Qualität des Romans (trotz Pulitzerpreis) höchst umstritten ist. Manche sehen ihn als Meisterwerk, andere beurteilen ihn als klischeebeladen und oberflächlich. 

Ich kann beide Sichtweisen nachvollziehen: Einerseits ist die Geschichte unglaublich phantasievoll und mitreißend ausgedacht. Der Bombenanschlag, die dunkle, mit Kunstwerken beladene Wohnung der reichen New Yorker Familie, das einsame Totschlagen von Zeit in einer leeren Wohnsiedlung am Rande der Wüste von Nevada... all das konnte ich mir vorstellen, als sei ich selbst dabei gewesen, weil die Bilder so stark und so leicht nachvollziehbar sind. Andererseits gab ich es schnell auf, die agierenden Personen als Menschen zu sehen, die irgendetwas mit meiner Realität zu tun haben - dafür waren selbst die "Armen" wie Theo und seine Mutter schon viel zu absurd wohlhabend. Auch die Finanzprobleme des angeblich stets am Rande der Pleite herumkrebsende Antiquitätenhändlers Hobie wirken völlig unrealistisch.

Ebenfalls viel von Lesern kritisiert wird die Figur Theo selbst, da er häufig unsympathisch agiert und sehenden Auges zahlreiche - und auch immer wieder dieselben - Fehler begeht. Auch das kann ich nachvollziehen, auch wenn es mich selbst weniger gestört hat. Theos Traumata sind  eindringlich genug beschrieben, um ihm das Recht zu geben, ein schwieriger Mensch zu sein. Allerdings zogen sich sowohl die Las Vegas-Geschichte als auch der lange Showdown des Romans in Amsterdam auch in meinen Augen sehr lange hin, hier hätte man die Geschichte durchaus etwas straffen können.

Insgesamt bereue ich es aber nicht, so viel Zeit mit The Goldfinch verbracht zu haben, da ich das Buch sicherlich nie vergessen werde. Seit 2019 gibt es übrigens auch eine Verfilmung der Geschichte, allerdings sind hinsichtlich dieser die Kritiker nicht gespalten: Sie finden alle schlecht.

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