Gelesen: Juli 2023

by - August 05, 2023


Vor etlichen Jahren las ich den Roman Brick Lane von Monica Ali. Der Debütroman der britischen Autorin über Immigranten aus Bangladesh in der gleichnamigen Londoner Straße wurde damals (2003) für den renommierten Booker Price nominiert, und mir gefiel er ebenfalls ausgesprochen gut. Seitdem hat die Autorin mehrere weitere Bücher veröffentlicht, aber erst das neueste, Love Marriage von 2022, wurde nun wieder nominiert - und ich kenne es nun auch.

Wieder geht es um Einwanderer aus Bangladesh, aber anders die Protagonisten von Brick Lane sind die Ghoramis aus dem neuen Roman zumindest oberflächlich voll ins britische Leben integriert: Der Vater hat es aus ärmsten Verhältnissen zum Arzt mit eigener Praxis gebracht, die Tochter Yasmin hat zu seinem Stolz ebenfalls Medizin studiert und arbeitet bereits als Assistenzärztin in einem Londoner Krankenhaus - in dem sie auch ihren britischen Verlobten kennengelernt hat. Die Ghoramis sind nicht sonderlich religiös und haben nichts gegen die Heirat ihrer Tochter mit einem Nicht-Muslimen einzuwenden.

Während Yasmins größte Sorge zu Beginn der Geschichte das Aufeinandertreffen ihrer verklemmten Eltern mit der sexuell extrem aufgeschlossenen Mutter ihres Verlobten Joe ist, bröckeln schon bald überall die Fassaden: Die Leser erfahren schon bald - anders als Yasmin - dass Joe wegen seiner langjährigen Sexsucht in Therapie ist - Yasmin wird sich aber zumindest schnell bewusst, dass ihre Beziehung Probleme aufweist. Yasmins Bruder, der wegen seines "brotlosen" Studiums der Soziologie ohnehin beim Vater in Ungnade gefallen war, wird von diesem verstoßen, als auch noch seine (geheime) Freundin schwanger wird. Die Mutter verlässt aus Protest gegen die Behandlung ihres Sohnes den Vater und zieht zu Joes Mutter. Und Yasmin wird sich zusätzlich zu all ihren privaten Problemen auch immer unsicherer, ob sie überhaupt Ärztin sein möchte - zumal ihr Arbeitsleben immer frustrierender wird.

Der Roman schafft es in meinen Augen sehr gut, die Figuren, ihre Vorurteile, Lebenslügen und Fehler einerseits schonungslos zu zeigen, ihnen andererseits aber durchaus liebevoll zu begegnen. Es ist nicht zuletzt Yasmin selbst, die im Laufe der Handlung so manche Fehleinschätzung ihrerseits erkennen muss - unter anderem auch, was ihre von ihr eher belächelte Mutter betrifft.

Ein weiterer Pluspunkt: Nachdem ich eine ganze Weile lang dachte, zu wissen, auf welches Ende die Geschichte zusteuert, lag ich damit ziemlich falsch.

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