Neulich als wir ein Comeback wagten: Gregor McEwan in Montabaur
Man muss im Blog ganz schön weit zurück blättern, um zum letzten Wohnzimmerkonzert zu gelangen: Im Juli 2021 war es, also vor mehr als zwei Jahren. Damals befanden wir uns noch mitten in der Pandemie, und es gelang uns, ein Nachmittagskonzert mit von uns selbst arrangierten Corona-Sicherheitsmaßnahmen zu veranstalten.
All das scheint nun lange her zu sein, dennoch war es uns seitdem nicht gelungen, ein weiteres Konzert auf die Beine zu stellen: Zweimal waren wir so weit, Einladungen zu verschicken, beide Male mussten wir am Ende absagen (das eine Mal kam uns ein verschobenes Corona-Konzert des Künstlers in die Quere, das andere Mal erkrankte ich pünktlich zum Termin an - natürlich - COVID19). In den letzten Monaten hatte sich dann einfach nichts mehr ergeben - wir sind bei der Planung ja auch darauf angewiesen, dass passende Künstler in unserer Nähe unterwegs sind. Als mein Freund mich dann vor einigen Wochen fragte, ob wir versuchen sollten, Gregor McEwan zu uns nach Hause einzuladen, war ich sofort einverstanden - und wir bekamen auch beinahe postwendend eine Zusage.
Die Antworten auf unsere Einladung an potenzielle Zuhörer und Zuhörerinnen verliefen allerdings zunächst eher schleppend. Waren zwei Jahre eine zu lange Unterbrechung gewesen? Man liest ja hin und wieder, dass die Pandemie das Freizeitverhalten mancher Menschen dauerhaft geändert hat, so dass sie einfach kein Interesse mehr an Besuchen von Konzerten, Fußballspielen und so weiter haben (ich selbst war seit Ewigkeiten nicht mehr im Kino). Vielleicht hatten wir aber auch einfach durch Zufall einen für viele nicht passenden Termin erwischt - der Musiker selbst erzählte uns später, dass auch bei seinen anderen Tour-Stopps im September der Vorverkauf eher schleppend gelaufen sei, während es für den Oktober viel besser aussehe. Während wir eine Woche vor dem Abend noch miteinander überlegen mussten, was eigentlich die Mindestanzahl der Anmeldungen wäre, unterhalb derer wir absagen würden, kamen dann in den folgenden Tagen glücklicherweise doch noch ausreichend Zusagen, um der ungetrübten Vorfreude Platz zu machen.
Auch wir selbst gerieten ein wenig in Terminnot: Gerne hätten wir am Vorabend des Konzertes Gregor McEwans Auftritt in Bonn besucht und dort schon einmal Hallo gesagt (wie wir es bei vergangenen Wohnzimmerkonzerten allermeistens getan hatten). Allerdings steckte uns das Drei-Stunden-Konzert der Ärzte vom Freitagabend noch zu sehr in den Knochen, wir gingen nach diversen Vorbereitungsarbeiten früh schlafen.
Genau wie beim letzten Konzert vor der langen Pause (mit Nick & June) hatten wir uns für eine Veranstaltung am späten Nachmittag entschieden. Für die Planung des Tages erwies sich das als durchaus entspannend, denn Hagen (so heißt Gregor im echten Leben) traf bereits mittags per Bahn ein und hatte viel Zeit, sein erstaunlich reichhaltiges Equipment genauso aufzubauen und einzurichten, wie es ihm am besten passte - ohne, dass wir, wie häufig bei Abendkonzerten, zwischen Soundcheck und Eintreffen der Gäste noch ein Abendessen hätten quetschen müssen. Unser Kater Iggy konnte außerdem feststellen, dass das Wechseln von Gitarrensaiten fast so spannend ist, wie eine Spielangel zu jagen (wenn natürlich auch deutlich gefährlicher für Katzen und auch Gitarren).
Die Zeit verging schnell und angenehm mit entspanntem Quatschen. Schon bald konnten wir die Stühle aufstellen, und sofort im Anschluss kamen auch die ersten Gäste - Hagen/Gregor freute sich auch insbesondere über den jüngsten Konzertbesucher (< 1 Jahr), der ebenfalls Hagen hieß.
Der Beginn des Konzertes war dann gleich eine Überraschung: Hagen (der große) erklärte nämlich, er habe zwar sein erst vor wenigen Tagen neu erschienenes, aktuelles Album "Going Solo" dabei, werde aber nur einen Song daraus spielen. Er hatte eigentlich immer vorgehabt, ganz alleine ein sehr reduziertes Album aufzunehmen - die Pandemie gab ihm dann die Chance, dieses Projekt früher als geplant in Angriff zu nehmen - was aber leider den Nebeneffekt hatte, dass ihn das Album an diese deprimierende Zeit erinnert. Und so hörten wir als ersten Song des Sets und einzigen von "Going Solo" "The End" - mit dem Versprechen, dass er in der Pause die Platte vorspielen werde, so dass die Besucher immer noch entscheiden könnten, ob sie sie kaufen wollten.
Was wir nun statt des neuen Albums hauptsächlich hören sollten, waren noch frischere, unveröffentlichte Lieder. Den gewissermaßen zweiten Start des Sets bildete dann das passend betitelte "Here we go". Offenbar machten wir als Publikum einen wohlwollenden und interessierten Eindruck, denn wenige Songs später beschloss Hagen, das ebenfalls neue "... and counting" zu versuchen, obwohl dieses am Vorabend in Bonn wohl nicht so gut geklappt hatte.
Gerne gab der Künstler auch zu, wenn er bei seinen eigenen Songs erkannt hatte, dass diese unabsichtlich allzusehr an andere erinnerten: Bei "You and I" etwa erklärte er, der Anfang erinnere an Herbert Grönemeyer, im Refrain könne man ein älteres Lied erkennen, dass kürzlich einer neuen Generation erschlossen worden sei, nur der kleine Hagen werde es wohl noch nicht kennen. Gemeint war natürlich Kate Bushs "Running Up That Hill", das er auch am Ende des Liedes einbaute.
Wir hatten schon vor dem Konzert im Gespräch erfahren, dass Hagen und seine Lebensgefährtin bis vor Kurzem in Berlin gelebt haben, die Stadt aber ein wenig satt haben und deshalb seit Neuestem in Ostfriesland wohnen. Von ihrer Hassliebe zur deutschen Hauptstadt zeugte das nun folgende "Bye bye Berlin".
Bei der Coverversion "Torn" mutmaßte Hagen, alle anwesenden Männer der Jahrgänge 1980 bis '85 seien damals in Natalie Imbruglia und ihre Rehaugen verliebt gewesen - ich vermute, man kann das Altersspektrum sogar noch erweitern. Zu "The Banks" erfuhren wir wiederum die Songvorbilder gleich mit, nämlich sowohl "Driftwood" als auch "Why does it always rain on me" und von Travis, sowie die Banjopassage aus "Sing" von derselben Band. Hagen erzählte, er habe einmal die Möglichkeit gehabt, den Song dem Travis-Sänger Fran Healy vorzuspielen, der die Banjopassage aus "Sing" sofort erkannte - aber beruhigend erzählte, er selbst habe für "Writing to reach you" aus "Wonderwall" von Oasis geklaut.
Der Hauptteil des Sets endete mit "Oh Come Back", einem neuen Lied, das Hagen aktuell für sei bestes hält. Wir erlebten dabei auch eine Wohnzimmerkonzert-Premiere, denn während wir auf Aufforderung des Musikers immer wieder mehr schlecht als recht den Refrain wiederholten, entschwand dieser noch singend samt Gitarre in den ersten Stock, um dann wieder auf unsere "Bühne" zurückzukehren.
Weitere "Come back"-Bemühungen unsererseits waren nicht nötig, auch ohne "Zugabe"-Rufe (Zitat des Musikers: "Wir sind hier nicht bei Helene") oder rhythmisches Klatschen bekamen wir im Anschluss noch einige Zusatz-Lieder vorgespielt. Auf die Frage, ob zuletzt ein Lied kommen sollte, das "nach vorne geht" oder ein ruhiges, antwortete das Publikum demokratisch "beides". So hörten wir das Liebeslied "On her radar", das dank seiner Aufnahme in eine populäre Spotify-Playliste eines der bekanntesten von Gregor McEwan ist.
Dieser Umstand ließ ihn dann ein weiteres Lied von "Going Solo" zumindest anspielen, "(To you) CEO, Bitch", das sich kritisch mit Spotify-Chef Daniel Ek auseinandersetzt. Dass es um Ek ging (und nicht etwa einen anderen bekannten CEO), mussten wir vorab erraten, und Hagen spielte dafür extra kurz Quizmusik ab. Man merkt schon: Er erzählte gerne und kam dabei auch mal vom Hundertsten ins Tausendste, ohne, dass das langweilig geworden wäre. Von seinem Angebot "Ihr könnt einfach schnipsen, dann hör' ich auf zu labern" machte selbstverständlich niemand Gebrauch.
Für das nun folgende, rockige "<< Rewind, Retrack, Rename, Restore" hätte der Sänger normalerweise ein Bein auf eine Monitorbox gestellt, bei uns musste für die Geste das Wohnzimmersofa herhalten. Das endgültige Ende des Sets bildete ein weiteres Cover, "Close to you", dessen letzte Refrain-Wiederholungen (wir durften / mussten wieder mitsingen) Hagen mit "close to me"... "buy an LP"... "postcards for free" perfekt als Überleitung für den Merch-Verkauf nutzte.
Erwähnenswert waren noch die laminierten Schilder, die Gregor McEwan als Dekoration von Selfies mit Fans mitführte: Unter den Aufschriften konnte man sich beispielsweise zwischen "I went to a Gregor McEwan concert and now I am pregnant" oder ""I went to a Gregor McEwan concert and now I am starting a band" entscheiden.
Auch nach dem Konzert blieb der Künstler sehr präsent und unterhielt sich mit den Besuchern - und wir freuten uns über den schönen Auftritt eines überaus netten Musikers und waren erleichtert, dass wir das Konzept "Wohnzimmerkonzert" in den zwei Jahren Pause offenbar nicht komplett verlernt hatten.
Here We Go
The Wrinkle In Time
₲ΛLΛX¥
I Got You
Postcards And Polaroids
Many Moons Ago
… And Counting
M∞n <> VER µ
You And I / Running Up That Hill (Kate Bush Cover Snippet)
By Bye Berlin
Home
Halloween Costume
10 Seconds
Torn (Ednaswap / Natalie Imbruglia Cover)
Ode To Oh
The Banks / Driftwood (Travis Cover Snippet)
Oh Come Back
<< Rewind, Retrack, Rename, Restore
On Her Radar
(They Long To Be) Close To You (Carpenters Cover)
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