Am Montagabend, auf dem Weg nach Düsseldorf, überlegten mein Freund und ich gemeinsam, wie oft und wo ich Noel Gallagher bereits gesehen hatte. Diverse Locations wie Mailand, Rom und mehrere Festivals fielen mir sofort ein... nicht aber, wie ich durch späteres Nachschlagen erfuhr, dass ich Herrn Gallagher just an unserem Zielort auch schon besucht hatte: eben in der sperrig betitelten Mitsubishi Electric-Halle, vor fünf Jahren.
Während der Autofahrt stellten wir außerdem im Kopf eine Art Bingokarte zusammen, denn Noel Gallagher war zumindest bei vergangenen Konzerten (das letzte Mal sahen wir ihn 2018) recht berechenbar gewesen. Wir rieten: Das Konzert würde extrem pünktlich beginnen, die Setliste würde ohne Abweichungen gespielt wie auf der restlichen Tour, im Publikum würden wir Doppelgänger von Ian Brown und Liam Gallagher entdecken, in Oasis-T-Shirts oder der Marke Pretty Green. Weitere Erwartungen: Noel würde nicht viel sprechen, aber auf jedem Fall jemand im Publikum beleidigen, und die Bühne würde mit Fußball-Souvenirs dekoriert sein.
Die Sache mit den Oasis-T-Shirts (nicht aber mit den Pretty-Green-Kleidungsstücken) ließ sich sofort bei unserer Ankunft in der Halle bestätigen, dann war es erst einmal Zeit für die Vorband - dieses Mal nicht wie bei früheren Gelegenheiten aus England mitgebracht sondern aus dem nahen Köln angereist: Sparkling. Die Musik des Trios aus Köln hatte ich zum ersten Mal im Auto auf der Hinfahrt gehört, dort hatte ich sie sehr poppig und etwas beliebig gefunden - und zweifelte als ehemalige Anglistikstudentin an der Korrektheit der einen oder anderen englischsprachigen Formulierung.
Live fand ich Sparkling dann noch wesentlich dööfer, was ein wenig auch damit zu tun hatte, dass an diesem Abend alles furchtbar laut aufgedreht worden war, erst die Wartemusik und dann auch der Sound der Livemusiker. Ich legte so schnell ich konnte meine Ohrstöpsel an, die den Geräuschpegel zwar erträglicher machten, aber die Höhen deutlich besser schluckten als die Bässe... bei einem von Vorneherein eher dröhnigen Sound wurde so alles noch unharmonischer.
Die eine oder andere Melodie erwies sich als durchaus eingängig, insgesamt konnte mich die Band aber leider so gar nicht überzeugen. Man muss ihnen allerdings zugestehen, dass der Auftritt mit vielen Rockstarposen ausgesprochen selbstbewusst war. Sparkling sind in England wohl durchaus beliebt, durften dort schon eine Session für BBC Radio 1 aufnehmen und bei einem Festival auftreten. Das erklärt sicherlich auch die Selbstverständlichkeit, mit der man sich einem Düsseldorfer Publikum als Kölner Band vorstellte.
Setliste:
Not the right Place
I Feel so high with you by my side
Hey Hey Hey
We Are Here To Make You Feel
Es folgte eine Umbaupause. Schon vor dem Set von Sparkling hatte man auf der noch weitgehend verhüllten Bühne diverse Pflanzen sehen können, nun brachten Bühnenarbeiter noch weitere Töpfe, Schalen und Körbe, bis die Bühne einem Blumenladen ähnelte - auch wenn die Pflanzen sicher aus Plastik waren. Unsere Fußball-Prophezeiung wurde durch ein Manchester City-Banner bestätigt, nicht gerechnet hatten wir in dieser Kategorie allerdings mit dem lebensgroßen Pappaufsteller von Pep Guardiola (dem Trainer von Noels Lieblingsverein), der während des gesamten Konzerts mitten auf der Bühne verblieb und angestrahlt wurde, als sei er ein Bandmitglied.
Laut einem Gerücht heißt das Oasis-Album "Standing on the Shoulder of Giants" so (und nicht "Shoulders", wie es im Zitat von Isaac Newton korrekt lauten würde), weil sich niemand getraut hatte, Noel zu korrigieren, als er den Titel festlegte. Ein bisschen stelle ich mir so auch das Planungsmeeting für die aktuelle Tour vor: Irgendwelche Tour-Organisations-Profis präsentierten die LED-Leinwand und ihre Blumen-Deko-Idee, Noel nickte das ab und ergänzte: Und dann muss noch ein riesiger Pep Guardiola auf die Bühne, das passt super dazu! - während alle anderen einander panisch ansahen und schließlich zögernd zustimmten.
Bereits gegen 20 vor 8 sah auf der Bühne alles fertig aus, aber Noel hielt sich an unsere Prognose: Sein Set startete exakt um 20 Uhr, keine Minute früher.
Die Setliste der aktuellen Tour (die selbstverständlich nicht variiert wurde) ist dreigeteilt: Erst kommen fünf Songs vom aktuellen Album "Council Skies", dann geht es weiter in die Vergangenheit von Gallaghers Solowerk, zuletzt werden dann einige Oasis-Songs gespielt (und ein Cover). Bei allen drei Teilen ist die Songauswahl eher ungewöhnlich, statt Hits wurden Singlerückseiten und eher Obskures ausgesucht.
Das Set begann ohne Begrüßung, zum dritten Lied "Open the Door, See What You Find" kündigte Noel allerdings hilfreich an, es handele sich nicht um "Supersonic" - tatsächlich klingt der Anfang ein bisschen nach dem Oasis-Hit. Nach dem vierten Song "Easy Now" wurden wir dann auch vom Sänger begrüßt, ein Lied später fragte er dann, was denn so in Düsseldorf los sei. Das hatte er vor fünf Jahren auch schon gefragt, es regt sich der Verdacht, dass ihn die Antwort gar nicht so brennend interessiert... zumal er die wahrscheinlich ohnehin unverständlichen Antworten aus dem Publikum mit "Nothing" zusammenfasste.
Die Lieder wurden vielfach von Videoanimationen und Filmen auf der LED-Wand untermalt, wobei die zu den neuesten Songs am besten waren und die Qualität im Laufe des Sets ein wenig nachließ.
Die drei Backgroundsängerinnen, die dieses Mal dabei waren, durften zu Beginn vom "In the Heat of the Moment" noch die "Nananas" darbieten (mein Freund war der Meinung, dass diese zum ersten Mal live Teil des Liedes waren), dann verließen sie erst einmal die Bühne. Die Ballade "Dead In The Water", einen Song, der nur auf der Deluxe-Version des Albums "Who Built The Moon" enthalten ist, präsentierte Noel dann ganz allein mit dem Keyboarder Mike Rowe, viele Fans im Publikum sangen mit.
Es folgte der "Oasis"-Teil des Sets, den Noel mit den Worten "We are going back to the 90s now" ankündigte. Es begann außerdem ein bis zum Konzertende andauerndes Streitgespräch mit anwesenden "Geordies", also Einwohnern von Newcastle. Diese genießen in England den Ruf, dass man ihren Dialekt nicht verstehen kann, und auch Noel behauptete als Reaktion auf für uns ohnehin nicht hörbare Rufe aus dem Publikum, er könne rein gar nichts verstehen, und bemerkte auch das eine oder andere Mal "fucking Geordies", so dass wir auf unseren Bingokarten wiederholt "Beleidigungen" abhaken konnten.
Noel wusste offensichtlich - anders als wir zu diesem Zeitpunkt - dass die Geordies auch deshalb vor Ort waren, weil Newcastle United am nächsten Abend gegen den Gastgeber Dortmund in der Champions League spielen würde - denn auch über die Bemühungen der nordenglischen Stadt, diesen Wettbewerb zu gewinnen, hatte er nur Schlechtes zu verkünden.
Auch bei der Auswahl der Oasis-Songs hatte Noel auf die ganz großen Gassenhauer verzichtet und drei Single-B-Seiten ausgewählt, dennoch wurde natürlich vielfach mitgesungen. "Little By Little" beendete diesen Teil des Sets, als Zugabe bekamen wir noch das Bob Dylan Cover "Quinn the Eskimo" sowie "Live Forever" und "Don't Look Back in Anger" zu hören.
Am Ende kam das Konzert, in Einklang mit der Fußball-Deko, etwa auf 90 Minuten plus Nachspielzeit, inklusive der Backgroundsängerinnen hatten 11 Personen auf der Bühne gestanden. Vieles war, auch nach mehrjähriger Unterbrechung, wie gewohnt an diesem Abend, so auch das Gefühl hinterher: Musikalisch war das Gebotene durchaus gut, die Songauswahl prima, die Band harmonisch... es fehlte aber, auch im Vergleich zu den Soloauftritten seines Bruders, das Mitreißende, oder, wie mein Freund es formulierte: "Er richtet sich an ein älteres Publikum". Wobei Alter allein nicht das Argument sein kann, wenn ich an die moshenden Mittfünfziger bei Die Ärzte denke...
Setliste:
Council Skies
Open the Door, See What You Find
We're Gonna Get There in the End
Easy Now
You Know We Can't Go Back
We're on Our Way Now
In the Heat of the Moment
If I Had a Gun...
AKA... What a Life!
Dead in the Water
Going Nowhere (Oasis song)
The Importance of Being Idle (Oasis song)
The Masterplan (Oasis song)
Half the World Away (Oasis song)
Little by Little (Oasis song)
Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn) (Bob Dylan cover)
Live Forever (Oasis song)
Don't Look Back in Anger (Oasis song)
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