Bei der Frage, wie er sich seinen Geburtstag vorstellte, antwortete mein Freund entschieden: Die schönsten Geburtstage seien immer die mit Konzertbesuch. Das ist ihm traurigerweise erst viermal gelungen, zuletzt reisten wir vor neun Jahren nach Mailand und sahen dort Noel Gallagher.
Ganz so weit hatten wir es letzten Mittwoch nicht, wir mussten es nur nach Köln schaffen - und der Superstau befand sich dieses Mal glücklicherweise auf der Gegenspur der Autobahn. Während uns unsere Konzertbesuche in Köln sonst meistens nach Deutz, Mülheim oder Nippes führen, liegt der Subway Club, den wir dieses Mal beehren wollten, an der Aachener Straße. Wir waren beide noch nie dort gewesen und fanden nicht sofort einen Parkplatz, so dass die Vorband Das Feuilleton bei unserem Eintreffen bereits spielte.
Erst einmal mussten wir uns orientieren, denn das Subway entpuppte sich als klein und vor allem verwinkelt. Die Bühne ging in einer Ecke quasi, nun, um die Ecke, die Sicht wurde durch mehrere große Säulen behindert. Vom relativ großen Barbereich aus sah man auf den restlichen Raum und auch die Bühne herab, war hier aber natürlich Ohrenzeuge von Bestellungen und Gesprächen. Ich fühlte mich angesichts der unterschiedlichen Ebenen ans ehemalige Frankfurter Zoom erinnert, die Enge samt Barlärm ließ ans Kölner Luxor denken... beides keine Komplimente.
Der erste Blick auf die Bühne, die in rotes Licht und später auch Nebel getaucht war, ließ mich auch erwarten, dass mein Freund an diesem Abend sicherlich Schwierigkeiten haben würde, gute Fotos zu machen - und das war noch, bevor er entdeckte, dass der Kamera-Akku fast leer war.
Das Feuilleton kannte ich vor diesem Abend überhaupt nicht, die von Tobias Siebert produzierte Band hat auch erst am nächsten Tag ihr Debütalbum veröffentlicht. Auf dem Hinweg hatte mein Freund mir einige Songs vorgespielt, die mich den Bandnamen als passend empfinden ließen: Das klang doch alles sehr sperrig-anstrengend und ein wenig nach den Einstürzenden Neubauten. Live gefiel mir die Musik des Trios jedoch besser.
Lustig war der Moment, als zunächst eine Standardfrage des Sängers (ich glaube es war "Geht es euch gut?") ein wenig im Publikum versickerte und er dann nach einem prüfenden Blick in die vorderen Reihen nachsetzte: "Mike Twin, bist du das? Cool!" Für die namentliche Begrüßung sämtlicher Konzertgäste war dann aber doch zu viel los.
Eine richtige Setliste bekomme ich zu dem Auftritt nicht zusammen, die letzten vier gespielten Lieder waren aber "Dinosaurier", "Stimme", "Seemann" und "Urknall".
Nach dem Ende des Auftritts stellte sich heraus, dass die Künstler, um in den Backstagebereich zu gelangen, fast jeden Punkt des Clubs passieren und dann einmal die Bar umrunden mussten - was sie auch an uns vorbei führte. Als wir in der Pause darüber diskutierten, wie denn wohl der Bandname Klez.e richtig ausgesprochen wird, passierte uns Tobias Siebert, der sich bereits auf dem Weg zur Bühne befand. Obwohl er uns möglicherweise gehört hat, bekamen wir keine Aufklärung (auch nicht durch eine Nennung des Bandnamens auf der Bühne). Ich bleibe dann vorerst bei "Klisi".
Siebert kennen wir sonst hauptsächlich für sein Ein-Mann-Projekt And the Golden Choir, für das er als "Band" selbst aufgenommene Vinylplatten dabei hat, zu denen er live singt und musiziert - und diverse seltene Musikinstrumente spielt. Klez.e dagegen sind ein Trio, das bereits seit über 20 Jahren existiert und zuletzt (2017 und ganz neu 2024) zwei Alben mit deutlichen The Cure-Anleihen veröffentlicht hat - aber mit deutschen Texten. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Bandprojekten: Bei And the Golden Choir wird auf der Bühne Wein getrunken (es gab sogar einmal einen Bandwein, den man als Merchandise kaufen konnte), Klez.e-Siebert trinkt Bier!
Schon im Auto hatten wir gemeinsam überlegt, ob Siebert wohl im kompletten Robert Smith-Look mit Frisur, Kajal, Lippenstift und langem schwarzen Pullover erscheinen würde. Er hatte sich jedoch allein für das wichtigste Merkmal, die Frisur entschieden. Während er so im imaginären Robert Smith-Lookalike-Wettbewerb eher wenig Punkte erreichte, sah es im Robert Smith-Soundalike-Wettbewerb deutlich besser aus. Was die Vogelnest-Frisur betrifft, war diese auch gleich mehrmals und verschiedenen Farbvarianten zwischen schwarz und grau im (insgesamt alterstechnisch eher fortgeschrittenen) Publikum zu sehen.
Es blieb dabei, dass die Bühne eher im Dunkeln lag, zusätzlich wurde viel Nebel eingesetzt. Die Spiegel, die als Dekoration im Hintergrund standen, hatte die Band sicher selbst mitgebracht.
Die Setliste bestand hauptsächlich aus Songs von den Alben "Erregung" und "Disintegration", eben den beiden Platten, die nach The Cure klingen. Der seltsamste Beitrag des Abends war "Lobbyist", gekennzeichnet durch Falsettgesang und übertriebene Gesten wie das Singen in die Gitarre und das Halten eines Spiegels vor das Gesicht der Mitmusiker.
Während des Songs "Wie schön du bist" wurde abrupt abgebrochen, als der Keyboarder ein anderes Lied angefangen hatte. Trotzdem war ansonsten nicht zu spüren, dass es sich bei diesem Abend um den Tourauftakt handelte.
Nach nur 10 Songs war das Konzert plötzlich zu Ende, doch die Band verließ den Konzertbereich nicht wirklich - was angesichts der örtlichen Gegebenheiten ja auch ein wenig schwierig war. Siebert äußerte zunächst Bedenken über Zugaben, fand dann aber doch Gefallen daran. Im ersten Block spielten Klez.e vier Songs und erstmals auch zwei Lieder von "Vom Feuer der Gaben" (2009).
Siebert sprach außerdem über ein Lied von Das Feuilleton und fragte den Sänger, ob sie es gespielt hatten, was jedoch gar nicht der Fall war. Angesichts der recht großen Publikumsbegeisterung versprach er, dass sie wiederkommen würden und dass es diesmal nicht so lange dauern würde. Zwischen den beiden letzten Alben waren ja 8 Jahre vergangen, und er kündigte einfach schon einmal das nächste Album für Herbst 2025 an, was vom Schlagzeuger mit einem augenzwinkernden Tusch aufgenommen wurde.
Wenig später verpatzte Siebert zunächst den Text von "Tortur" (er kam mit den Strophen durcheinander), weil dieser ihm so wichtig ist, wurde der Song von vorne begonnen. Nach insgesamt sechs Zugaben (überraschend, da das "Kernkonzert" nur zehn Songs umfasst hatte) ging der Abend dann doch zu Ende, mit einer sichtlich über das positive Feedback erfreuten Band.
Wir mussten uns nun auf den Heimweg machen, der dank des weiterhin andauernden Staus etwas länger dauerte als sonst.
Schwarz
Verpassen
Düster
Flammen
November
Erregung
Lobbyist
Wie schön du bist
Mr. Dead & Mrs. Free
Nachtflug
In Gold
Mauern
Wie ziehen die Zeit
Tortur
Der Garten
Drohnen
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