Neulich auf den Spuren der Beatles: The Analogues in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle

by - September 19, 2024


In den letzten Jahren habe ich die eine oder andere Konzert-Location besucht, auch ganz kleine. Gerade abseits der Großstädte, etwa in Bensheim oder auch Aschaffenburg, findet man in der vor Ort aushängenden Werbung für weitere Konzerte häufig Coverbands - namentlich lassen diese häufig sehr gut auf ihre Vorbilder schließen, etwa "Goldplay". 

Ich kann den Reiz solcher Auftritte nicht ganz nachvollziehen - natürlich sind solche Acts leichter zugänglich als die Originale, aber an der Kopie fehlt mir schlicht das Interesse, da höre ich dann doch lieber die Musikveröffentlichungen ohne begleitende Live-Darbietung an. Diese Aussage bekräftigte ich auch erst kürzlich, als mein Freund und ich uns im Fernsehprogramm kurz zu "The Tribute" auf SAT.1 verirrten, einer Casting-Show für, genau, Coverbands.



Um so überraschter war ich, als derselbe Freund am letzten Wochenende vorschlug, dass wir selbst den Auftritt einer Coverband besuchten, genauer gesagt die Abschiedstournee von The Analogues.

Wer das sein soll? Die Analogues sind eine Coverband der besonderen Art: Am 29. August 1966 gaben die Beatles nach rund 1.400 Konzerten bekannt, nicht mehr live auftreten zu wollen. Von diesem Zeitpunkt an waren sie, bis zu ihrer Auflösung 1970, eine reine Studioband. Songs aus den Alben „Revolver“ (1966), „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ (1967), „The Magical Mystery Tour“ EP (1967), „The Beatles (The White Album)“ (1968), „Abbey Road“ (1969) und „Let It Be“ (1970) sollten - mit Ausnahme des berühmten „Rooftop Concerts“ (5 unterschiedliche Lieder aus den „Get Back“ Sessions) niemals live aufgeführt werden und waren dafür auch nicht konzipiert.



2014 starteten die Niederländer The Analogues ihr Projekt, genau diese Alben live eben doch aufzuführen - mit Vintage-Instrumenten und -Verstärkern, Live-Streichern und -Bläsern -- und ohne Perücken, Kostüme oder digitale Unterstützung. Gestartet wurde das Projekt von Fred Gehring, dem ehemaligen CEO der Tommy Hilfiger Corporation, der in der Band Percussion spielt und sich ansonsten im Hintergrund hält. Bart van Poppel übernahm die Aufgabe, die Song-Arrangements zu analysieren und Originalinstrumente aufzuspüren. In der heutigen Band spielt er diverse Instrumente, vor allem Bass und Gitarre.

2015/16 tourte die zusammengestellte Band mit "Magical Mystery Tour" in den Niederlanden und dem europäischen Ausland, 2016/17 mit "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", 2017/18 mit "The White Album" und 2019 mit einer "50 Years Abbey Road" Tour. Nun hat das Projekt sein Ende erreicht, im Rahmen einer Abschiedstour  spielen The Analogues aktuell Konzerte in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf. In Deutschland bringen sie hierbei nochmals "Revolver" und  Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" auf die Bühne.



Von den bereits länger gehegten Plänen meines Freundes, eines der Konzerte zu besuchen, erfuhr ich wie erwähnt erst am Wochenende - mit dem Argument, dass dies die letzte Chance sei, die Musiker zu erleben, konnte er mich überzeugen, und er besorgte uns via Kleinanzeigen Tickets zum halben Preis - was immer noch 60 Euro pro Karte bedeutete. Dafür saßen wir in der ausnahmsweise bestuhlten Halle auch in der zweiten Reihe.

Um unsere Sitzplätze wahrzunehmen, mussten wir aber erst einmal nach Düsseldorf kommen, was sich einmal mehr als Herausforderung entpuppte. Anders als vor drei Jahren bei Hundreds bestanden die Verkehrsbehinderungen bereits, bevor wir uns auf den Weg machten, weshalb wir nach Prüfung der Verkehrslage zumindest früher losfuhren als ursprünglich geplant. Letztlich waren wir dann doppelt so lange unterwegs wie bei der anschließenden Rückfahrt und erreichten die Halle (nach beginndenen Sorgen, ob wir es noch schaffen würden) noch gerade so rechtzeitig - die Veranstaltung startete ziemlich pünktlich um kurz nach 19 Uhr. Zwei Stunden Musik von The Beatles sollten folgen.




The Analogues sind im Kern fünf Musiker. Hinzu kommen ein Schlagzeuger, das Gründungs- und jetzt nur noch Teilzeit-Analogues-Mitglied Jan van der Meij, vier Streicherinnen und Streicher, vier Bläser, sowie drei Musiker, die bei den indisch angehauchten Songs Tambura, Tabla und Dilruba spielen. Sitar spielt der Gitarrist Jac Bico. Insgesamt stehen bis zu 18 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne.

Es besteht beim Gesang keine strikte Festlegung der Stimmen von John, Paul, George und Ringo. Felix Maginn singt häufig die Parts von John Lennon und Ringo Starr (letztere dann etwas nasaler), Diederik Nomden singt meist als Paul McCartney. Gelegentlich kam auch Jan van der Meij auf die Bühne - und sang dann auch meist Paul McCartney-Parts. Bart van Poppel sang „Within You Without You“ (George) und „I Am The Walrus“ (John), Jac Bico „Blue Jay Way“ (George).



Es gibt keine Beatles-Verkleidungen (auch wenn die Streicher als Referenz im Verlauf des Abends zu den Sgt. Pepper-Uniform-Oberteilen der Beatles wechselten) oder Videoeinblendungen der Fab Four auf riesigen LED-Leinwänden, sondern lediglich sehr schlichte, aber stimmungsvolle Beleuchtung, die nicht von der Musik ablenkte.  

Das Set startete ohne Einführung oder Begrüßung mit dem Album „Revolver“. Von Anfang an war ein Kommen und Gehen der Musiker*innen sowie ein Tauschen und neu auf die Bühne Bringen der Instrumente zu beobachten, das sich bei „Sgt. Pepper“ noch verstärken sollte, da die Songs eben in der Reihenfolge der Alben dargeboten wurden, und nicht so, wie es am praktischsten wäre. 



Bei „Yellow Submarine“ konnte man erstmals die Detailliebe der Darbietung sehen: Die Bläser betraten mit Tuba (ihr einziger Auftritt) die Bühne, um nach der Textzeile „And the band begins to play“ wenige Sekunden zu spielen, Fred Gehring marschierte mit einer riesigen Pauke über die Bühne und Diederik Nomden sang in ein Megaphon. Mein Freund hatte Gänsehaut beim albernsten Lied des Abends - wohin sollte das noch führen!

Wenig später, bei „Good Day Sunshine“ merken wir, das unsere eigentlich so guten Plätze doch einen Nachteil bargen: Wir saßen neben der einzigen Dauerklatscherin des Abends, die mich in ihrer Begeisterung mehrmals mit dem Ellenbogen rammte (davon abgesehen, dass ihr Rhythmus-Empfinden ausbaufähig war). Sie hatte sich offensichtlich eine andere Art Konzert gewünscht, denn der restliche Zuschauerraum genoss ausgesprochen still die Darbietung, in der es ja angesichts der vielen Instrumentewechsel auch immer wieder etwas Neues zu sehen gab.



Nach „Revolver“ ging die Band zu unserem Applaus von der Bühne, ein „Musikhistoriker“ sprach aus dem Off auf Englisch über die Beatles, deren Entscheidung, keine Konzerte mehr zu geben und die Entstehung von "Sgt. Pepper". Faszinierend an dem Vortrag fand ich vor allem die Erkenntnis, in welch kurzem Zeitraum all diese Platten entstanden sind - und dass die Beatles bei der Entstehung dieser "reiferen" Werke immer noch erst Mitte 20 waren.

Bevor es aber mit dieser Platte und deren Titelsong losging, spielte die Band die auf dem Album nicht enthaltene Doppel-A-Seiten-Single „Penny Lane“ und „Strawberry Fields Forever“.

War es nun die Freude, "Sgt. Pepper“, in Perfektion dargeboten, einmal live zu hören oder die Trauer darüber, dieses Erlebnis nicht mehr mit seinem Vater, einem großen Beatles-Fan, teilen zu können? Vermutlich beides, denn mit Beginn des Albums flossen bei meinem Freund ein paar Tränchen. 



Im Großen und Ganzen wurde von den Musikern selbst nicht gesprochen, vereinzelt gab es aber doch Wortbeiträge: „Within You Without You“ bekam eine längere Einführung, in der Bart van Poppel davon erzählte, wie sich George Harrison seine erste Sitar anschaffte und zunächst überhaupt nicht damit umgehen konnte. Diederik Nomden ergänzte die Geschichte des anwesenden Tabla-Spielers (der wohl nicht selbst ins Mikrophon sprechen wollte), dass die bei der Aufnahme des Songs mitwirkende indische Band spontan in einem Londoner Restaurant engagiert worden sei. Da die Musiker damals in bar bezahlt und nicht als Mitwirkende benannt worden waren, wusste man viele Jahre lang nicht, um wen es sich überhaupt handelte.

Zu „When I’m Sixty Four“ gab es die augenzwinkernde Ansage, ein großer Teil der Musiker habe dieses Alter bereits erreicht, weshalb man es Diederik Nomden überließ, den Song zu singen (es gab auch noch eine spitze Bemerkung zu dessen durchaus vorhandenem Haarverlust).



Für „She’s Leaving Home“ wurde erstmals eine Harfe auf die Bühne geschoben  - bei Tieren hörte die Maxime, alles im Original und live zu machen, dann aber wohl auf: Hahn und Hühner, Pferde und weitere Tiere für „Good Morning, Good Morning“ kamen vom Band.

„A Day In The Life“ beschloss das Album, und nach dem orchestralen Crescendo legten die Musiker die Finger an die Lippen, damit das Publikum dem finalen Schlussakkord, wie auf dem Album, bis zur letzten Sekunde lauschte, ohne in verfrühten Applaus zu verfallen. Dieser kam danach um so lauter.

Nach „Sgt. Pepper“ verließ die Band erneut die Bühne, die Stimme des Musikhistorikers übernahm wiederum, skizzierte die Aktivitäten der Beatles nach dem Album und leitete zu „Magical Mystery Tour“ über - von dieser EP war auf den Konzerttickets zwar nicht die Rede gewesen, aber dank Setlisten-Lektüre wussten wir bereits, dass sie ebenfalls gespielt werden würde - was auch den Titel der Tour "One And One And One Is Three" erklärte - als Anlehnung an einen Song von Paul McCartney aus dem Jahr 1964 („One and One is Two“).



Es folgten nun die 6 Songs der ursprünglichen EP.  Bei „The Fool on the Hill“ zückte van Poppel die längste Mundharmonika, die ich je gesehen habe. Nach dem instrumentalen „Flying“ folgte  noch  „Blue Jay Way“, das van Poppel als „tough one“ beschrieb und die Schuld für das etwas seltsame Ende den Beatles zuschrieb, da sie sich an deren Alben halten müssten. Als besseren Ausklang spielten die Musiker einfach noch zwei Hit-Singles: „Hello, Goodbye“ und "All You Need Is Love"

Eigentlich hatten wir so ja bereits eine Zugabe gehört, bekamen nach stehendem Applaus aber noch eine. Nun brachen The Analogues mit der chronologischen Reihung: „Day Tripper“ (1965) und "Paperback Writer“ (1966) wurden vor „Revolver“ veröffentlicht und zum Abschluss vom Kern der Band dargeboten.




Wenn ich an das Konzert von Paris Paloma letzte Woche zurück denke, hätte man sich bezüglich des Publikums keinen größeren Kontrast vorstellen können: An diesem Abend war kaum jemand mit seinen Original-Haaren unterwegs, entweder sie waren ergraut, gefärbt oder ausgefallen. Wir sahen etliche Konzertgäste mit Gehhilfen, Rollatoren und Rollstühlen. Als wir am Parkautomaten anstanden, bekamen wir noch ein Gespräch unter zwei Personen im Rentenalter mit, die sich darüber austauschten, wie sehr ihre Eltern früher die Beatles gehasst hätten.

Eigentlich erstaunlich, dass seit 1970 niemand anderes auf die Idee gekommen ist, die Songs der Beatles mit diesem Aufwand nachzuspielen - eigentlich liegt der Gedanke ja nahe. Ich kann aber auch völlig nachvollziehen, dass das Projekt nun sein natürliches Ende erreicht hat.



Setliste:

Revolver
Taxman 
Eleanor Rigby
I'm Only Sleeping 
Love You To 
Here, There and Everywhere
Yellow Submarine 
She Said She Said 
Good Day Sunshine 
And Your Bird Can Sing 
For No One 
Doctor Robert 
I Want to Tell You
Got to Get You Into My Life 
Tomorrow Never Knows 

Penny Lane 
Strawberry Fields Forever 


Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band

Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band 
With a Little Help From My Friends 
Lucy in the Sky With Diamonds 
Getting Better 
Fixing a Hole 
She's Leaving Home 
Being for the Benefit of Mr. Kite!
Within You Without You 
When I'm Sixty-Four 
Lovely Rita 
Good Morning Good Morning 
Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band (Reprise) 
A Day in the Life


Magical Mystery Tour

Magical Mystery Tour
Your Mother Should Know 
I Am the Walrus
The Fool on the Hill
Flying 
Blue Jay Way 

Hello, Goodbye 
All You Need Is Love 

Day Tripper 
Paperback Writer

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