Wiesbaden ist gut: We Are Scientists im Kesselhaus

by - Juni 02, 2018


Es gab da diese Zeit Anfang bis Mitte der 2000er, als im Kielwasser von Franz Ferdinand täglich gefühlt ein Gigabyte tolle Musik veröffentlicht wurde. Mit dabei waren auch We Are Scientists, die ich zum ersten Mal live als Vorband der Kaiser Chiefs in Neu Isenburg sah - das war 2006. Später im selben Jahr hatten sie dann noch ein Einzelkonzert in der Batschkapp. Das war, bis zum Dienstag, mein letzter Liveauftritt der Band, die kontinuierlich weiter Alben veröffentlicht hat, zuletzt das sechste, "Megaplex". Nur die Auftrittshallen sind etwas kleiner geworden - 2006 hätte es kartenverkaufstechnisch vielleicht auch für den "richtigen" Schlachthof gereicht, 2018 wurde es eben dessen kleinere Halle, das Kesselhaus.

Diese war immerhin bis zum Bersten gefüllt - das war zumindest unser Eindruck beim Eintreffen, als wir das Set der Vorband Some Sprouts aus Regensburg quasi schon verpasst hatten - soeben wurde deren letzter Song angekündigt. Dieser war nicht nur sehr laut, sondern erinnerte mich auch an ein langsameres Lied der Red Hot Chili Peppers, was mir seitens meines Freundes nur Kopfschütteln einbrachte. Die Band selbst sagt, sie macht Slacker Rock, also lassen wir es wohl besser einfach dabei.


Das Kesselhaus war am Abend eines schwülen Tages alles andere als kühl, weshalb die meisten Zuschauer nach dem Set der Vorband erst einmal nach draußen gingen, um Luft zu schnappen - wir konnten problemlos nach vorne zur Bühne, uns positionieren und bald schon einmal die Setliste studieren. Nach kurzer Wartezeit, in der Fast-Bandmitglied Keith Carne (seit 2013 live am Schlagzeug) den Soundcheck übernahm, füllte sich der Raum wieder und es ging weiter.

Streng genommen besteht We Are Scientists nur aus Keith Murray und Chris Cain, die seit 18 Jahren gemeinsam musizieren und Quatsch machen. Tatsächlich lernten sich die beiden wohl wegen ihres gemeinsamen Interesses an Stand up-Comedy kennen, was man ihnen durchaus anmerkt - denn  der Auftritt hatte - auch, wenn natürlich hauptsächlich Musik gemacht wurde -  seine komödiantischen Seiten.

So behauptete Keith gegen Beginn des Sets, dass ja kaum jemand wüsste, dass sowohl er als auch Chris in Wiesbaden wohnen. Er habe den Anfang gemacht und dann Chris mit den  (deutschen) Worten "Wiesbaden ist gut!" überzeugt, sich ebenfalls hier niederzulassen. Chris fragte dann Keith Carne, wie lange er dann schon da sein, so etwa drei Monate und fünf Tage? Worauf der Schlagzeuger toternst antwortete, es seien sogar bereits drei Monate und SECHS Tage, oder "as I like to say it, one more day until my three months and one week anniversary!"


Wie erwähnt war es sehr heiß in dem Raum, was Chris irgendwann veranlasste, zu fragen, ob man vielleicht die Lüftung einschalten solle - diese würde bislang nicht laufen, weil man im Namen des Schlachthofs Geld sparen wolle, dann würde man eher nochmals gebucht werden. Die Band habe auch eben noch hinter der Bühne geprobt, und zwar im Dunkeln, denn Licht verbraucht schließlich teuren Strom und liefe nicht mit "children's wishes". Es entsponn sich dann noch ein längerer Austausch zum Thema, dass man vielleicht Kerzen nutzen könnte, diese würden aber ja auch Geld kosten, vielleicht könnten Kinder selbige Kerzen anfertigen, diese könnten aber dann keinen anderen Beruf ausüben... sichtlich routiniert und genussvoll führten sie die Diskussion in immer absurdere Bereiche.

Ein sehr schöner Austausch ergab sich auch am Ende von "This Scene is Dead", als zunächst Chris, vermutlich sogar leidlich ernsthaft, erklärte, dieser Song sei einer von zwei, bei denen er am Ende mit seinem Bass einen kleinen "flourish" (bestehend aus zwei Tönen) mache, erkundigte sich, ob wir das auch bemerkt hätten und forderte uns auf, auf den nächsten zu achten.


Keith behauptete unverzüglich, auch er habe am Ende des gerade beendeten Lied einen unbemerkten "florish" gemacht und spielte daraufhin ein längeres Gitarrensolo mit vielen Rockerposen und exaltiertem Gesang, das wir angeblich nicht bemerkt hatten. Chris tat begeistert, erklärte aber, Keiths Mikrophon sei bei dieser Darbietung wohl ausgeschaltet gewesen, denn leider habe man gar nichts davon hören können.

Abgesehen von diesen Abschnitten wurde nicht wahnsinnig viel gesprochen, und mehrere Lied-"Blöcke" waren auf der Setliste als ineinander übergehend markiert, so dass es auch weniger Pausen für Applaus gab, als man sonst erwarten würde. "Megaplex" und das Debütalbum "With Love and Squalor" waren die Quelle der Mehrheit der Songs, aber auch andere Alben wurden bedacht.


Das Publikum war mit viel Freude dabei. Beim letzten Song des Zugabenteils, "Textbook", legte Keith zum ersten Mal die Gitarre beiseite, umd dann ganz im Stil von The Nationals Matt Berninger mit dem Mikrophon durchs Publikum zu wandeln. Hierbei wurde ihm so respektvoll Platz gemacht, dass ich mich ein bisschen fragte, ob das für den Sänger nicht ziemlich unspannend war. Immerhin direkt vor unseren Nasen positionierte sich aber zeitweise die einzige wilde Pogotänzerin des Publikums.

Obwohl ich längst nicht jedes Lied kannte (das erste Album hörte ich halt doch mit Abstand am häufigsten), machte das Konzert Spaß und zeigte, dass die Band zurecht noch besteht und auftritt.

Setliste:

Your Light Has Changed
The Great Escape
Buckle
I Don't Bite
Now Or Never
Return the Favor
It's A Hit
Too Late
This Scene Is Dead           
Coats In A Pile 
Make It Easy
One In, One Out
After Hours
No Wait At Five Leaves
Dinosaurs 
Nobody Move, Nobody Get Hurt

Rules Don't Stop Me
Nice Guys
Textbook

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