Neulich bei Simfy

by - Februar 22, 2012

Ich erinnere mich dunkel an den Relaunch von Napster, also den Wandel der Marke von der wohl bekanntesten illegalen Musiktauschbörse hin zu einem völlig gesetzeskonformen Musik-Streamingdienst. Als ich damals - es ist sicherlich fünf Jahre her - über diesen Service las, war ich extrem unbeeindruckt. Warum sollte ich mp3s "mieten" und in dem wahrscheinlichen Fall, dass ich Napster irgendwann nicht mehr nutzen möchte, meine komplette Sammlung verlieren?

Startseite für den Indie-Bereich
Was Napster im Moment macht, weiß ich gar nicht so genau. In Deutschland ist der bekannteste Musik-Streamingdienst mittlerweile sicherlich Simfy. Irgendwann letztes Jahr stellte ich fest, dass man einen Teil des Angebotes umsonst nutzen konnte, und meldete mich an. Ich lud eine Software herunter, mit der ich mit meinem Macbook online Musik suchen und - falls vorhanden - sofort anhören konnte. Dabei fand kein Download statt, ich konnte die Titel aber so oft hören, wie ich wollte, und in der Last.fm-Hörstatistik wurden sie optional ebenfalls erfasst. Im ersten (Test-)-Monat stand mir Simfy zusätzlich auch als App zur Verfügung und ermöglichte so auch auf dem iPhone das Musikstreamen. Und ich hätte wohl auch einen "Offline-Modus" nutzen können, der es ermöglicht, die Musik auch dann zu hören, wenn man nicht im Internet ist (alles andere würde das monatliche Datenlimit auf einem Smartphone wohl auch sehr schnell sprengen).

Nach Ende meines Testmonats änderte sich scheinbar wenig: Die App wurde gesperrt, am Computer lief Simfy weiter. Nur wurde nun manchmal zwischen den Liedern Werbung abgespielt, was mich jedes Mal erschreckte und mir auch ziemlich schnell auf die Nerven ging. Gleichzeitig hatte ich aber die Vorteile des Streamingdienstes schätzen gelernt: Wenn ich im Netz las, dass Band xy ein neues Album habe, konnte ich es mir sofort und ohne Kaufverpflichtung komplett anhören. Ein weiterer Vorteil von Simfy, den ich aber mangels Phantasie viel zu wenig nutze, ist, dass einem auch alles musikalisch offen steht, was man sich niemals kaufen würde: Hätte ich Lust auf ein altes Kate Bush-Album, Deutschlands Beitrag zum Eurovision Song Contest, den Soundtrack vom Film, den ich kürzlich sah ... all das steht mir offen.

Meine als Favoriten gespeicherten Alben
Und so entschied ich mich nach einer Weile, auf der billigsten Stufe zahlende Simfy-Kundin zu werden. Mein Tarif kostet monatlich 4,99 Euro, dafür genieße ich meine Musik wieder ohne nervige Werbung, kann die Smartphone-App aber weiterhin nicht nutzen (dafür wären weitere fünf Euro fällig) - sie fehlt mir auch nicht. Simfy ist bei mir kein Ersatz für das Kaufen von Musik, sondern eine Ergänzung - und zu diesem Preis ist sie mir das wert.

Meine Entscheidung, Simfy-Kundin zu werden, fiel kurz vor eine folgenschweren Änderung, die die Firma traf: Nachdem man - zweifellos, um mehr zahlende Hörer zu bekommen - die Möglichkeit, umsonst Musik mit Werbung zu hören, auf monatlich 20 Stunden beschränkt hatte, waren es nach zwei Monaten mit diesem System plötzlich nur noch fünf! Mich betraf das alles nicht mehr, aber viele bisherige Umsonsthörer wollten sich partout nicht zwingen lassen, zahlende Kunden zu werden, und die Aktion wurde zu einem ziemlichen Marketingdesaster.

Nicht alles bei Simfy ist super: Wohl wegen eines iTunes-Exklusiv-Vertrags gibt es keine Lieder der Beatles, und manche Indie-Neuerscheinung fehlt ebenfalls im Katalog. Wenn ich mir die etwa die aktuellen Neuvorstellungen von Platten vor Gericht ansehe, finde ich auf Simfy The Twilight Sad, James Levy & The Blood Rose, Chairlift, Tennis, Air, Terry Hoax, The Holiday Crowd und Liechtenstein, nicht aber die aktuellen Alben der Tindersticks oder von Alcoholic Faith Mission - oder irgendetwas von Human Tetris. Von New Order fehlt seltsamerweise das großartige Album "Get Ready", während ältere und neuere vorhanden sind - im Grunde egal, da ich die Platte ohnehin in iTunes habe, aber es demonstriert die gewisse Löchrigkeit des Simfy-Katalogs.

Wo ist New Orders "Get Ready"? (Nein, auch nicht auf Seite 2)
Die aktuellen Alben von Thees Uhlmann und kürzlich Kettcar erschienen in der Datenbank zunächst nur als "Spezialversionen", in denen die Lieder jeweils von den Künstlern unterbrochen und erklärt wurden. So etwas ist ja als Zusatzangebot ganz nett, aber man möchte ja zumindest die Option haben, das Album auch ohne Kommentare zu hören. Seit Kurzem kann man auch eigene Alben und Playlists in die Datenbank hochladen, so dass man eigene Musik auch dann per Simfy hören kann, wenn sie dort nicht vorhanden ist. Für solche Musik funktioniert aber die Last.fm-Verknüpfung nicht.

Wie gesagt, Simfy bedeutet für mich keinen Umstieg von CDs und mp3s auf eine neue Plattform, sondern nur eine Ergänzung. Und so lange der 5-Euro-Tarif besteht, bleibe ich wahrscheinlich auch.

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