Neulich auf der Echtzeit-Gästeliste: And The Golden Choir im Wetzlarer Franzis

by - März 07, 2015


Im Januar stellte mein Freund auf seinem Blog das Album von And The Golden Choir, alias Tobias Siebert, vor und nutzte die Gelegenheit für eine öffentlich ausgesprochene Einladung zu einem Wohnzimmerkonzert. Überraschenderweise meldete sich tatsächlich jemand bei ihm: Irgendwann bekam er eine Mail von einer Annette Herrmann von Loob Musik (die das Label gemeinsam mit Siebert betreibt), die fragte, ob die Einladung denn ernst gemeint gewesen sei. War sie natürlich, aber Terminschwierigkeiten verhinderten bis auf weiteres einen konkreten Konzertplan für Montabaur.

Nachdem wir And The Golden Choir aber so gerne live sehen wollten, dass wir sogar bereit waren, dafür unser Wohnzimmer zu verlassen, machten wir uns am Donnerstagabend auf den Weg nach Wetzlar, wo Herr Siebert Station machte. Am Nachmittag hatte mein Freund noch an Annette gemailt, dass wir kommen würden, und dass man vielleicht nochmals über einen Termin in unserem Wohnzimmer sprechen könnte ... und während wir bereits in Wetzlar auf dem Parkplatz standen und darauf warteten, dass der Einlass begann, bekam er die Antwort mit dem Angebot, uns auf die Gästeliste zu setzen.


Darauf antworteten wir nicht mehr, schließlich waren wir bereits vor Ort, aber als wir an der Kasse waren, entdeckte mein Freund seinen Namen dennoch auf der gut sichtbaren Gästeliste. Die Dame an der Kasse war verständlicherweise angesichts unseres Verhaltens ("Oh, cool, ich sehe hier gerade meinen Namen auf der Gästeliste!") ein wenig skeptisch, glaubte uns dann aber doch. Ein schlechtes Gewissen hatten wir aber dennoch, denn andere und vor allem zahlende Besucher fanden sich nur äußerst spärlich ein.


Als etwa 16 Gäste auf den Gartenstühlen vor der Bühne Platz genommen hatten, betrat Tobias Siebert die Bühne und legte eine Platte auf. Er erklärte: "Ich präsentiere meine Vorband, Talking to Turtles "Split", Seite A!" und ging wieder. Dass bei einem ohnehin sehr vinyl-gestützten Act die Vorband gleich komplett von Platte kam, erschien nur konsequent, und so wurde auch artig nach jedem Track geklatscht. Bei den weiteren Auftritten der Tournee werden übrigens andere Platten aufgelegt, immer von Bands, die Siebert selbst schätzt, etwa Locas In Love, Fotos oder Enno Bunger.

Nach dem Ende der Plattenseite kehrte Siebert zurück und begann sein eigenes Set. Wie wir es bereits in Köln, als er die Vorband von Slut gewesen war, gesehen hatten, legte er für jeden Song zunächst eine von ihm selbst eingespielte Platte auf, die eine Band ersetzte und zusätzlich ordentlich knisterte. Beim Suchen der Schallplatte zum nächsten Song gab es witzige Kommentare etwa "Die Band überlegt." Zur Platte spielte er jeweils ein Instrument live, meistens Gitarre, aber er hatte auch mehrere andere, und ich komme mir sehr dumm vor, wenn ich zugeben muss, dass ich bei kaum einem erkannte, was es war.


Das macht aber überhaupt nichts, denn unter den Gästen waren vorab Programmhefte verteilt worden, in denen nicht nur die Liedtexte in der richtigen Reihenfolge abgedruckt waren, sondern in denen auch zusätzlich bei jedem Lied vermerkt war, welches Instrument hier zum Einsatz kam. Deshalb weiß ich nun, dass es sich bei dem klavierartigen Instrument mit Knöpfen über den Tasten um ein Harmonium, bei dem seltsamen Trapez, das nur bei "My Brother's Home" zum Einsatz kam, um einen Santur und bei dem, was ich für eine Art E-Zither hielt, um eine Autoharp handelte. Selbst das, was ich, stolz darüber, auch einmal etwas zu wissen, bei "Dead End Street" als Mandoline tituliert hatte, war in Wirklichkeit eine Thüringer Waldzither!


Solch detaillierte und akkurate Informationen erleichtern das Bloggen natürlich erheblich, aber auch sonst stellte das liebevoll gestaltete und individuell unterschriebene Programmheft eine nette Idee dar, die ich so noch auf keinem Popkonzert gesehen hatte. Aus journalistischer Sicht könnte man sich höchstens noch wünschen, dass im Programmheft auch die drei unbenannten, offenbar sehr neuen Lieder, die And The Golden Choir an diesem Abend vortrug, benannt worden wären. So wurde das Album "Another Half Life" einmal komplett in der veröffentlichten Reihenfolge durchgespielt, ergänzt durch die neuen Lieder und einen Song ("Follow Angels") von der vorab veröffentlichten EP.

Bleibt nur noch zu sagen, dass viele der meist ruhig-getragen-traurigen Lieder einen gewissen Radiohead-Einfluss erkennen ließen und dass sie beim Publikum - wie auch bei uns - hervorragend ankamen. So kamen wir, nachdem das Set vorbei und das auf die Bühne mitgebrachte Rotweinglas leer waren, in den Genuss von insgesamt drei Zugabesongs (für die noch etwas Wein nachgeschenkt wurde), von denen der letzte anscheinend überhaupt noch nicht live vorgetragen worden war. Anschließend gab es noch lange Gespräche mit den Publikumsmitgliedern am Merchandisestand, während wir mit Annette über potenzielle Montabaur-Termine sprachen. Vielleicht gibt es ja irgendwann doch noch ein Hauskonzert mit Plattenspieler ...


Setliste:

Another Half Life
The Transformation
Holy Diamond
My Brother's Home
My Heaven Is Lost
It's Not My Life
Daily Dose
Choose To Lose
(neu)
Dead End Street
Follow Angels
The Hunter Of Souls
Angelina

(neu)
In Heaven
(neu)

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