I’m from Barcelona sah ich vor einigen Jahren bereits live, damals im Frankfurter Mousonturm. Der Auftritt war nicht sonderlich gut besucht, was den Sänger aber nicht davon abhielt, von der Bühne in die Menge zu hüpfen. Das anwesende Publikum fing ihn zwar auf, aber zum Crowdsurfing-konformen Weiterreichen waren schlicht zu wenig Leute da. Also trug man ihn stattdessen ein wenig durch den Raum – ein Bild, das ich nie vergessen werde.
Am Montag in Köln sah es zunächst so aus, als würde sich die Erfahrung mit dem schlecht besuchten Konzert wiederholen, tatsächlich hatten wir als Landeier aber nur die angegebene Einlass- und Beginnzeit ernst genommen. Als dann auch die Kölner alle da waren, war es statt 20:30 bereits 21 Uhr und das Gebäude 9 gut gefüllt.
Ein gut informierter Mitbesucher hatte uns erzählt, dass der letzte Auftritt von I’m From Barcelona im Gebäude 9 wohl recht exzessiv gewesen sei: Die Band hatte anschließend noch die ganze Nacht am Merchandise-Stand gefeiert und würde dem Betreiber der Halle seitdem Weihnachtskarten (aus Barcelona) schicken.
Als das Konzert dann - zunächst mit den Klängen von Freddie Mercurys „Barcelona“ - begann, verwies auch Sänger Emanuel Lundgren auf den letzten Besuch, erklärte, er habe gut, aber sehr verschwommene Erinnerungen an diesen Ort und wollte wissen, ob jemand von den heutigen Gästen auch damals anwesend gewesen sei - einige meldeten sich.
Mit Lundgren befanden sich insgesamt 12 Personen auf der Bühne, was für ein I’m From Barcelona-Konzert eigentlich eher wenig ist: Laut Wikipedia hat die Band 30 Mitglieder. Insbesondere der Frauenanteil hatte sich auf eine Person dezimiert, die anderen Backgroundsänger waren dieses Mal männlich. Das weibliche Bandmitglied war offenkundig schwanger und trug einmal Pailletten komplett – als Oberteil, als Hose und als Schuhe. Darüber trug sie, genau wie sämtliche Bandmitglieder, eine Jeansjacke mit einem Bandnamen-Aufnäher auf dem Rücken. Diese Band hat offenbar Teamgeist und die Regel, das man auf der Bühne tragen darf, was immer man möchte, so lange die Jeansjacke dabei ist. Der Keyboarder trug darunter ein Dinosaurierkostüm…
Bei I’m From Barcelona ist ausgelassene Stimmung gewissermaßen Pflicht, die einfach strukturierten Lieder sind zum Mitsingen konzipiert und haben manchmal einen ebenso einfach zu absolvierenden, zugehörigen Tanz („Treehouse“, „Jenny“). Dazu wirft man riesige Luftballons und immer wieder beachtliche Mengen Konfetti ins Publikum, so dass der Eindruck einer Kinderparty für Erwachsene entsteht. Hätte es irgendwann Kuchen für alle gegeben, wäre ich nicht überrascht gewesen.
Wenn es dermaßen zum Konzept einer Band gehört, Fröhlichkeit zu verbreiten, kann man sich das leicht zwanghaft vorstellen. I’m From Barcelona schaffen es aber, nicht der Tony Marschall oder Heino des Indiepops zu sein, tatsächlich wirkte alles ehrlich fröhlich aufgekratzt. Gerne versuchte man sich auch an Rockergesten, zwei Gitarristen machten etwa spielenderweise eine Art Brücke, bei der sie sich gegenseitig abstützten. Lundgren ließ sich vor dem (in Köln etwas besser funktionierenden) Crowdsurfing Huckepack nehmen oder spielte einmal, selbst im Publikum stehend, an der Gitarre eines Kollegen mit.
Ein wenig Unsicherheit bestand wohl dennoch, denn nach „Violins“ fragte Lundgren, ob wir andere Bands nennen könnten, die wir bereits im Gebäude 9 gesehen hätten, damit diese als Inspiration dienen könnten. Als jemand scherzhaft The Cure rief, konnte er aber auch nur zweifelnd „Ok, let’s try to do better than The Cure“ antworten.
Nach „Violins“ erklärte er, er sei in nostalgischer Stimmung, da das Debütalbum der Band „Let me introduce my friends“ nun zehn Jahre alt sei und er damals nicht einmal sicher gewesen sei, das es die Band in drei Wochen noch geben würde. Aus Jubiläumsgründen wollte man an diesem Abend einfach komplett das erste Album spielen und legte mit „Oversleeping“ los.
Nachdem der Hit „We're from Barcelona“ gespielt und die Choreographien zu „Treehouse“ und „Jenny“ (für letzteres musste man nur mit aufgereckten Armen den Eiffelturm darstellen) absolviert waren,wurde vor „Chicken Pox“ gefragt, ob jemand auf die Bühne kommen und Kazoo spielen wolle (bei dem Instrument handelt es sich um eine Art Tröte). Es meldete sich ein Zuschauer mit dem passend-schwedischen Namen Björn, der sich als wahrer Virtuose am Kazoo erwies, eine Soloeinlage spielte und sich mit der Klarinette eine Art Musikbattle lieferte. Zum Dank durfte er das Kazoo behalten.
Zu "Rec & Play" erzählte Lundgren die Geschichte, an die sich sicherlich jeder in seinem Alter aus der eigenen Kindheit erinnern kann: Das angespannte Warten vor dem Radio, um zum genau richtigen Zeitpunkt das Lieblingslied mitzuschneiden. Passend dazu wurde noch „Like A Prayer“ in den Refrain integriert, hinterher sagte er, wir sollten das Leben, David Bowie und auch Björn feiern.
Nun folgte „This Boy“, für dessen Refrain „But there’s always gonna be this little boy/girl inside of me” das Publikum in einen Frauen- und einen Männerchor aufgeteilt wurde. Anschließend hätte, wenn man das erste Album hätte komplett spielen wollen, eigentlich „Barcelona Loves You“ kommen müssen – der Song wurde aber, sei es absichtlich oder versehentlich, ausgelassen, und es folgte „The Saddest Lullaby“, dessen Sänger Mathias Alkrison praktischerweise anwesend war und zwischenzeitlich von Björn auf die Schultern genommen wurde. Statt des ausgelassenen Songs folgte nun der EP-Track „The Painter“, zu dem Lundgren sagte, dessen Aussage „Don’t give up on your dreams, buddy“ sei so wichtig, dass der Song eigentlich auf der Platte sein sollte.
Nachdem Luftballons und Konfetti mittlerweile beinahe komplett in Umlauf waren, arbeitete Lundgren nun mit dem, was sonst noch herumlag und zog sich einen Mantel und einen Schal an, die sicherlich von Konzertbesuchern “statt Garderobe“ auf der Bühne abgelegt worden waren.
Nach dem nun offiziellen Ende gab es natürlich noch Zugaben. Für „Growing up is for trees“ kehrte Lundgren zunächst allein auf die Bühne zurück und erzählte vor "Mingus" von Freunden, die Kinder bekommen, die dann erschreckenderweise genauso aussehen wie sie. Als krönenden Abschluss hörten wir anschließend noch „Lucy“ und sahen Björn wieder, der erst eine Gitarre ins Publikum gereicht bekam und dann wieder auf die Bühne zurück kehrte und ausführlich mit Lundgren jammte - und gefragt wurde, ob er für den Rest der Tournee mitkommen wolle.
Dann war der Kindergeburtstag endgültig vorbei und wir stapften durch die zentimeterdicke Konfettischicht Richtung Ausgang. Mir ist I'm From Barcelona ja in Wirklichkeit ein bisschen zu kindlich, aber ich muss schon anerkennend sagen, dass die Band ihre Nische absolut ehrlich und authentisch ausfüllt.
Setliste:
Always Spring
Helium Heart
Battleships
Headphones
Sirens
Violins
Oversleeping
Collection of stamps
We're from Barcelona
Treehouse
Jenny
Ola Kala
Chicken Pox
Rec & Play
This Boy
Saddest Lullaby
The Painter
Growing Up Is For Trees
Mingus
Lucy
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