Köln = Kanada: Sam Vance-Law im Kölner Artheater

by - Januar 20, 2019


Im Dezember war bekanntlich Weihnachten. Eines meiner Geschenke für meinen Freund waren Tickets für das Konzert von Sam Vance-Law, dessen Album seine Lieblingsplatte 2018 gewesen war. Wir hatten den Künstler bereits lezttes Jahr als Vorband (und Big Band-Mitglied) von Get Well Soon gesehen, aber ein Einzelkonzert ist eben doch etwas anderes.


Zum Beispiel hatte Sam nun seine eigene "Vorband", nämlich Charlotte Brandi, die ehemalige weibliche Hälfte von Me And My Drummer. Brandi veröffentlicht Anfang des Jahres ein Soloalbum. Sie hatte zwei weibliche Bandmitglieder an Gitarre und Cello dabei, eines davon trat dann später auch mit dem Hauptact auf. Ein Schlagzeug gab es nicht, Brandi solo ist also quasi "Me Without My Drummer".


Selbst spielte die Sängerin mal Keyboard und mal Gitarre. Als Titel der angekündigten Lieder verstand ich "My days in the cell", "A Sting" und "When the wind blows", insgesamt wurden fünf Songs gespielt, die mir wohl nicht im Gedächtnis bleiben werden. Dem Kölner Publikum gegenüber erzählte Brandi, sie habe mal zwei Jahre am Chlodwigplatz gewohnt, das sei eigentlich ihre schönste Wohnerfahrung gewesen - sie stamme nämlich aus Dortmund und wohne jetzt in Berlin Neukölln.


Hauptact Sam Vance-Law hatte vier andere Musiker (ein Schlagzeuger, ein Bassist, ein Gitarrist, der gelegentlich zur Klarinette griff und eine Keyboarderin, die in Carlotte Brandis Band Gitarre gespielt hatte) mit dabei und hatte das Publikum von Anfang an mit seinem ironischen Charme fest im Griff. Den ersten Song "Let's Get Married" stellte er mit einem Monolog über Pro und Contra der Ehe für Homosexuelle (die es zum Zeitpunkt, als er den Song schrieb, in Deutschland noch nicht gab) vor. Zu "Narcissus 2.0" erklärte er, dass alle, die das Lied hören, immer davon ausgingen, dass es sich um eine Kritik an der Generation Instagram handele, tatsächlich sei die Botschaft des Refrains "I would sleep with myself if I were you" aber durchaus wörtlich zu verstehen.

Nach "Isle of Man" erläuterte er, dass er in Berlin und somit zweifellos der coolsten Stadt Deutschlands lebe, dass er aber bei jedem Besuch in Köln bemerke, dass die Menschen hier freundlich und humorvoll seien - wie in seiner Heimat Kanada. Berlin sei also die bessere Stadt, Köln habe aber die besseren Einwohner.


Das erste Lied des Abends, das wir nicht von der Plate "Homotopia" kannten, war "Blissful Times", das Vance-Law bereits vor Get Well Soon gespielt hatte. Damals hatte er es mit der Bemerkung vorgestellt, er müsse die Stimmung für den Hauptact düsterer machen. An diesem Abend erklärte er, sein gesamtes letztes Jahr sei, abgesehen von seinem musikalischen Erfolg, furchtbar gewesen, und deshalb seien alle seine neu geschriebenen Lieder traurig. "Blissful Times" sang er dann allein, nur von der Keyboarderin begleitet.

Nach "Wanted To" gab es ein weiteres unbekanntes Lied, eine Coverversion von Mac DeMarco, der ebenfalls aus Kanada stammt und zu der Vance-Law erklärte, DeMarco sei weniger gut im Songeschreiben als er und die nun von seiner Band gespielte Version sei sicherlich die bestmögliche. Diesen Song nutzte Vance-Law, um singend durchs Publikum zu spazieren und kündigte das danach folgende "Gayby" als einen definitiv besseren Song an. "Gayby" war auch der Auftakt einiger schnellerer, tanzbarerer Lieder.


Noch überraschender war die kurz danach folgende zweite Coverversion. Vance-Law führte sie ein, indem er erstmalig an diesem Abend Deutsch sprach - was er offensichtlich sehr gut kann, aber nicht gerne tut. Diesen Konflikt wollte er lösen und seine "Dankbarkeit gegenüber Deutschland und dem deutschen Volk" ausdrücken, indem er auch diesen Song darbot - obwohl er von einem Schweizer stammte. Die dargebotene Version entpuppte sich dann auch als grandios.


Nach drei weiteren tollen Liedern von "Homotopia" war erst einmal Schluss, allerdings hatte Sam bereits vorab erklärt, er habe als Zugabe noch ein weiteres von seinen neuen, traurigen Liedern anzubieten, und das Publikum könne selbst entscheiden, ob es den Abend so beenden wolle - er malte dramatisch aus, dass es Tränen oder andere unangenehme Reaktionen geben könnte. Natürlich wollte das Publikum die Zugabe dennoch hören, und so kehrte Sam nach ausführlichen Umarmungen mit allen Bandmitgliedern nochmals allein auf die Bühne zurück und spielte "I've Been Drinking", wobei er sich selbst mit einer Mandoline begleitete.

Ein sehr schöner Abend mit einem überaus sympathischen, humorvollen und charismatischen Musiker, von dem man sicherlich noch mehr hören wird. Mein Freund war von seinem Weihnachtsgeschenk sehr angetasn und ist der Meinung, mit Konzert Nummer 1 des Jahres 2019 bereits einen sicheren Platz in den Jahres-Top-5 vergeben zu können.


Setliste:

Let's get married
Narcissus 2.0
Isle of Man
Stat. Rap.
Blissful Times
Wanted to
My old man(Mac DeMarco Cover)
Gayby
Eisbär (Grauzone Cover)
Prettyboy
Faggot
I think we should take it fast

I've been drinking

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