Neulich bei der Retrospektive: Pete Fij in den Kölner Hängenden Gärten

by - März 16, 2019


Über Pete Fij(alkowski) wird hier in den nächsten Tagen noch mehr zu lesen sein, denn am Mittwoch wird er bei mir Zuhause sein erstes Wohnzimmerkonzert geben. Quasi auf den letzten Drücker vor dem Brexit (oder auch nicht, wer weiß das schon) wollte er allein eine kleine Europatournee unternehmen und hatte via Facebook nach möglichen Auftrittsorten gefragt. Wir bewarben uns, obwohl Wohnzimmer nicht sehr weit oben auf seiner Wunschliste standen, und bekamen fast unerwartet eine Zusage. Anscheinend hatten es meine Katzen (ja, wir hatten Katzenfotos in unserer Bewerbungsmail) herausgerissen. Das hatten sie schon bei Enno Bunger geschafft. Prima Haustiere.

Dennoch hatten wir Interesse, Pete zusätzlich im Rahmen der „normalen“ Tournee spielen zu sehen, das würde dann seinen Besuch bei uns sicherlich entspannter machen. Als ich ihm am Vortag schrieb, dass wir das Kölner Konzert besuchen würden, antwortete er scherzhaft, das in Montabaur werde aber sicherlich viel besser, da er bis dahin eine Woche mehr Übung haben werde.

Den Auftrittsort in Köln Ehrenfeld, Die Hängenden Gärten, hatte ich vorab nicht gekannt, und das hat sicher seine Gründe: Eine richtige Konzertlocation ist die sonst sicherlich gemütliche Kneipe nicht. Man quetschte sich an der Bar vorbei in einen kleinen Raum, in dem ein Stuhl mit Mikrophonen und einer Gitarre die „Bühne“ darstellte, ihm gegenüber gab es ein paar Sessel, Sofas und Tische. Wer hier keinen Platz fand (das traf auf die Mehrheit der Besucher zu), quetschte sich (wie wir) etwas ungemütlich in den Gang, sah den Künstler von der Seite und blockierte für andere den Weg zur Toilette – oder man erwischte es ganz schlecht und blieb in dem Raum mit der Bar, von dem aus man gar keinen Sichtkontakt hatte.

Immerhin wirkte der Raum durch seine Beengtheit schnell brechend voll, und auf dem Sessel direkt gegenüber der „Bühne“ saß zudem ein Mann im Adorable-Shirt. Es waren sicherlich fast ausschließlich Fans anwesend.


Pete eröffnete das Konzert mit der Erklärung, er sei kürzlich 50 geworden und sei deshalb der Meinung, es sei Zeit für eine Rückschau. In der Vergangenheit habe er sich nie wohl damit gefühlt, Songs seiner Bands Adorable und Polak (und vermutlich auch die neuesten, seine beiden Alben mit Terry Bickers) allein zu spielen, aber jetzt fände er das in Ordnung, immerhin habe er sie ja geschrieben.

Das Set begann dann mit „Out of Time“ vom ersten Album mit Terry. Der Song passte thematisch zur Ankündigung, klang sehr schön, alle wippten zufrieden mit... bis eine gewaltige Rückkoppelung das Set erst einmal unterbrach. Als diese beseitigt war, stellte sich die schwierige Frage, ob Pete den schon mehr als halb gespielten Song von vorne beginnen sollte. Salomonisch entschied er, ab der zweiten Strophe nochmals zu beginnen.

Es folgten zwei weitere Lieder aus dieser Epoche, „Betty Ford“ und „I Love You“. Letzteres ist vom zweiten Album „We Are Millionaires“ und ist der nur mäßig geglückte Versuch, einmal ein Lied mit einer positiven Aussage zu schreiben.

Anschließend bewegten wir uns zu den älteren Songs, es folgte „Submarine“ vom zweiten Adorable-Album „Fake“, das Pete im Gegensatz zu mir nicht sonderlich mag. Gleich danach kam „Kangaroo Court“ aus derselben Zeit, eine Abrechnung mit der damaligen Musikpresse – die Band selbst lebte, erfuhren wir, gleichzeitig ebenfalls schon im Streit miteinander.

Chronologisch korrekt ging Pete nun über zu Polak, Petes zweiter Band mit seinem Bruder, die ebenfalls zwei Alben veröffentlicht hat – das zweite ist nach Petes Ansicht zu wenig bekannt. Wir hörten „I’m Sick“.

Danach erzählte der Musiker eine rührende Geschichte aus seinem aktuellen Leben, er arbeitet nämlich mittlerweile in einem Altenheim, wo es unter anderem Musik ist, die die alten Leute an ihr früheres Leben erinnert und es auch Menschen mit Demenz ermöglicht, sich sicher und wohl zu fühlen. Besonders beliebt bei den alten Leuten ist ein Sänger namens Jim Reeves, dessen Lied „Welcome To My World“ Pete einer alten Dame, die im Sterben lag, vorgesungen hatte – und die dazu friedlich einschlief. Für den Song wurde die Hintergrundmusik als Ausnahme eingespielt, Pete präsentierte quasi eine Karaoke-Version.


Nach „Over You“, einem weiteren mit Terry Bickers veröffentlichten Lied, ging es weiter mit dem vermutlich bekanntesten Lied von Adorable, „Homeboy“. Pete erzählte, es sei das einzige seiner Lieder, bei dem er die Bedeutung des Textes nicht erklären könne – er sei aus Versatzstücken anderer Lieder entstanden und habe somit eigentlich keine tiefere Bedeutung. Das Publikum summte und sang dennoch begeistert mit.

Die letzten drei Songs waren „Dumbstruck“ von Polak, „Waking Up“ von Pete Fij & Terry Bickers und „Sistine Chapel Ceiling“ ein weiteres altes Adorable-Lied, das sich wegen seiner grundsätzlichen Krachigkeit nicht gerade aufdrängt, allein zur Gitarre gesungen zu werden – es klappte aber dennoch sehr gut.

Nach einer Minipause gingen wir sofort zum Zugabenteil über und hörten noch ein Cover der Psychedelic Furs, „The Ghost In You“ und Adorables „A To Fade In“. Danach konnte sich Pete der gewaltigen Weinflasche zuwenden, die ihm die Konzertveranstalter hingestellt hatten, verkaufte CDs und plauderte mit Fans.

Ein sehr schönes, vielleicht etwas kurzes Konzert mit einem mitteilsamen Künstler, das ein wenig unter technischen Schwierigkeiten litt – es pfiff und krachte durchaus öfter einmal, was aber letztlich der Stimmung nicht schadete. Ob das Konzert in Montabaur da wirklich noch viel besser werden kann?

Setliste:

Out of time
Betty Ford
I love you
Submarine
Kangaroo Court
I’m sick
Welcome to my World (Jim Reeves)
Over You
Homeboy
Dumbstruck
Waking Up
Sistine Chapel Ceiling

The Ghost in You (The Psychedelic Furs)
A to Fade In

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