Kami Katze, 28.03.2004 - 04.04.2023
Um fast zehn Monate hat Kami ihre Wurfschwester Elmo letztlich überlebt, nun haben wir uns auch von ihr verabschieden müssen - Kami wurde 19 Jahre und eine Woche alt. Erste Krankheitssymptome zeigten sich bereits im letzten August, ab Oktober verabreichten wir täglich Cortisontabletten, die einen sehr wahrscheinlich vorhandenen Tumor im Schach halten sollten. Für eine ganze Weile wirkte Kami dabei zwar durchaus schwächer als gewohnt, schien aber zumindest nicht weiter abzubauen - bis es dann eben doch so weit war. Nun ist die Generation Elmo und Kami also verstorben, und ich bin einerseits froh, dass auch Kami nun alle Leiden und Strapazen hinter sich hat - und andererseits sehr traurig, dass diese furchtbar liebe und besondere Katze jetzt nicht mehr bei uns ist.
Ich hatte in Elmos Nachruf bereits erwähnt, wie ich 2004 den beiden Katzenschwestern das erste Mal begegnet bin und sie einige Wochen später mit nach Frankfurt genommen habe. Kami tippte mich bereits auf der Fahrt durch das Gitter des Transportkorbs an, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier aus ihrer Sicht etwas nicht richtig lief - und sie blieb ihr ganzes Leben lang eine ausgesprochen kommunikative Katze. Sie verfügte gefühlt über Hunderte unterschiedliche Arten des Miauens, Gurrens und Schnurrens, und sehr oft konnte sie damit ganz genau vermitteln, was sie einem sagen wollte.
Ich erinnere mich gut daran, dass ich Kami, als ich noch allein mit den Katzen in Frankfurt lebte, einmal versehentlich einen ganzen Arbeitstag lang im Wohnzimmer einsperrte - was bedeutete, dass sie zehn Stunden lang weder Futter noch Wasser noch ein Klo zur Verfügung hatte. Als ich abends nach Hause kam und die Tür öffnete, rannte mir Kami sofort entgegen und eilte zum Katzenklo, dabei hielt sie mir miauend etwas, das ich ganz genau als Strafpredigt rund um die offensichtlichen Themen verstehen konnte. Je nach Situation verfügte sie aber auch über unglaublich freundliche und liebevolle Lautäußerungen.
Häufig saß sie auch neben einem auf der benachbarten Sitzgelegenheit und wartete mehr oder weniger geduldig darauf, auf den Schoß zu dürfen - meist, wenn wir noch mit Essen beschäftigt waren. In solchen Situationen saß sie zunächst still da, wenn nichts passierte, tippte sie einen irgendwann freundlich mit der Pfote an - und wenn auch das nicht zum Erfolg führte, kamen kleine Miauer - Menschen hätten sich wohl geräuspert.
Eine weitere hervorstechende Eigenschaft von Kami war, dass sie buchstäblich ein Gewohnheitstier war, das großen Wert auf Rituale legte und diese auch einforderte. Mit der Zeit brachte mein Freund ihr kleine Kunststücke bei, etwa, auf dem Sofa hin- und herzulaufen oder vom Kratzbaum auf den Tisch und zurück zu springen. Sie legte Wert darauf, diese Tricks dann auch regelmäßig zeigen zu dürfen. Und noch im hohen Alter stand sie regelmäßig miauend vor meinen Kleiderschränken und bat um Einlass, weil sie sich angewöhnt hatte, diese regelmäßig von innen zu inspizieren - was sie natürlich auch durfte. In unserer Frankfurter Zeit ging sie, wenn mein Freund an der Tür geklingelt hatte und sich noch im Treppenhaus befand, häufig schon einmal ins Bad, weil die beiden sich angewöhnt hatten, dass Kami dort gestreichelt wurde.
Überhaupt, mein Freund: Er wurde ganz klar Kamis Lieblingsmensch, nachdem die beiden sich 2007 kennen gelernt hatten. Schon vorher hatte Kami die lustige Gewohnheit gehabt, sich einem manchmal wie ein Baby mit dem Bauch nach oben in den Arm zu legen (das bei uns sogenannte Katzenbaby) - das tat sie später fast ausschließlich bei meinem Freund, dafür aber nahezu jeden Tag. Zu mehreren Anlässen schenkte ich sie ihm deshalb scherzhaft, da sie ja ohnehin "seine" Katze war. Angenommen hat er sie nie, aber gefreut hat er sich dennoch.
Anders als ihre Schwester Elmo konnte Kami sich nicht für Leckerlis erwärmen, jedenfalls nicht genug, als dass ihr diese irgendeine Form von Stress wert gewesen wären. Sobald Elmo sich für etwas im Futterbereich begeisterte und danach jagte, überließ Kami es ihr kampflos. Ansonsten spielte sie aber sehr gerne, insbesondere mit dem Laserpointer, und verausgabte sich dabei manchmal bis zum Hecheln. Auch die berühmtem "verrückten fünf Minuten", die wohl alle Katzen regelmäßig haben, lebte sie engagiert aus, indem sie im Wettkampf mit imaginären Gegnern durch die Wohnung flitzte. In unserem jetzigen Haus stürmte sie dabei manchmal so schnell die Treppe hinauf, dass sie auf dem Absatz und Wendepunkt kurz abhob und sich "über Bande" von der Wand abstieß.
Mit Elmo hätte Kami sehr gerne Fangen gespielt und rannte immer mal wieder optimistisch voraus, während Elmo zeitlebens verständnislos sitzen blieb. So verprügelte Kami ersatzweise eben kleine Bällchen oder jagte klappernde Spielmäuse - öfters stand ich nachts auf, um ein lautes Spielzeug zu konfiszieren, mit dem Kami mich geweckt hatte. Gerne beschimpfte sie auch am Fenster lautstark draußen sichtbare Vögel.
Dafür verstanden die beiden Schwestern sich beim Kuscheln gut und lagen viel gemeinsam an ihren Schlafplätzen, gerne auch als kuscheliger Kringel im Stil von Yin & Yang. Kami hatte dabei eine Strategie entwickelt, sich auch dort Platz zu erschleichen, wo eigentlich keiner war, indem sie erst ein winziges Eckchen beanspruchte und von diesem aus ihre Schwester liebevoll putzte... und sich dann langsam aber stetig immer weiter ausbreitete. Auch als Elmo bereits krank war und von sich aus nicht mehr die Nähe suchte, wollte Kami immer bei ihr sein und setzte das auch durch. Diesen "Trick" versuchte sie viel später ein einziges Mal auch bei Bowie, als der auf ihrem Lieblingsplatz saß, und es wirkte auf uns, als sei ihr mitten im Ankuscheln bewusst geworden, dass das ein Versehen war - alle Beteiligten erstarrten kurz, auch wir.
Als junge Katze war Kami nicht überdurchschnittlich verschmust gewesen, das änderte sich aber mit den Jahren, und sie wurde sehr anhänglich - und ging auch immer mehr dazu über, uns beim Streicheln liebevoll zu beißen. Gleichzeitig wuchs auch ihre Angst vor lauten Geräuschen - einige Jahre lang bekam sie beim Silvesterfeuerwerk Todesangst, und auch Gewitter und Stürme setzten ihr zu - was sich besserte, als ihr Gehör nach und nach schlechter wurde.
Kamis Aussehen war im Vergleich zu Elmos auf den ersten Blick weniger spektakulär - schwarzweiße Katzen sind schließlich nicht gerade selten. Ich fand aber zeitlebens ganz toll, dass bei ihr die schwarzen Flecken so ungewöhnlich und asymmetrisch verteilt waren. Zudem war sie wirklich überall schwarzweiß, auch ihre Zehenballen variierten von unten zwischen schwarz und rosa, und selbst an den Lippen hatte sie einen schwarzen Fleck. Ihr Fell war, sicherlich dank langhaariger Vorfahren, überdurchschnittlich lang und seidenweich - auch wenn sie, genau wie Elmo, zu jeder Jahreszeit viel Fell verlor.
Ihrem Namen als Kami Katze wurde die durchaus vernünftige Kami nur selten gerecht - allerdings steckte sie unseren gemeinsamen Umzug in ein ihr unbekanntes neues Zuhause im Jahr 2013 einerseits deutlich besser weg als ihre Schwester - andererseits war sie an ihrem ersten Abend, an dem sie sich frei im Haus bewegen durfte, ein bisschen verrückt, schaffte es, über aufgestapelte Umzugskartons einen Deckenbalken zu erklimmen und sprang nebenbei in eine Papierlampe.
Gegenüber Fremden war Kami zwar skeptisch, aber immerhin um einiges forscher als ihre Schwester Elmo - Besucher wollte sie eigentlich immer kennenlernen. Sie hatte dabei auch das besondere Gespür, über das viele Katzen verfügen, und interessierte sich am meisten für Gäste, die Katzen nicht besonders mochten oder gegen sie allergisch waren. Gegenüber uns war sie stets ausgesprochen freundlich und ließ - anders als ihre Schwester - auch unangenehme Prozeduren, wie manchmal erforderliches Waschen oder Medikamentengabe, ohne große Gegenwehr über sich ergehen. Als mein Freund einmal versehentlich ihren Schwanz in seiner Kniekehle einquetschte, machte sie ihn nur durch einen sanften Biss auf die für sie unangenehme Situation aufmerksam.
Eine Besonderheit von Kami war auch ihr Schwanz, der quasi immer in Bewegung zu sein schien - oft schien es, als hätte sie selbst nur wenig Kontrolle darüber. Selbst im hohen Alter konnte Elmo manchmal nicht anders, als nach dieser stetig provokant zuckenden Schwanzspitze zu jagen - und sie wurde zu einem stetigen Konfliktpunkt, als die Jungkater Iggy und Bowie bei uns einzogen, die als verspielte Kätzchen natürlich nach allem jagten, das sich in ihrer Nähe bewegte - und damit Kami, die gar nicht spielen wollte, gewaltig auf die Nerven gingen.
Häufiger versuchten wir, Iggy und Bowie, wenn sie mal wieder einseitiges Interesse an Kami zeigten, mit Spielzeug abzulenken. Ein einziges Mal griffen wir dabei zum jahrelang nicht benutzten Laserpointer - mit dem Ergebnis, dass die 18jährige Kami an diesem alten Lieblingsspielzeug mit Abstand am meisten Interesse hatte und sich den Laserpointerpunkt jagend ins Getümmel stürzte.
Iggy und Bowie fanden Kami vermutlich sehr nett und suchten häufig ihre Nähe. Kami ihrerseits ging sehr gelegentlich darauf ein und machte beispielsweise ein gemeinsames Nickerchen mit Bowie - doch mit fortschreitender Krankheit hatte sie immer weniger Interesse daran, sich auf solche Experimente einzulassen. Das machte die harmonischen Momente besonders kostbar.
Ein Katzenalter von 19 Jahren entspricht in etwa 92 Menschenjahren - neutral betrachtet hatte Kami also ein langes Leben und durfte auch den größten Teil davon ohne Krankheiten verbringen (Elmo wurde umgerechnet 88 Jahre alt). Und dennoch fühlt es sich nicht richtig an, dass sie nach all den Jahren nun nicht mehr bei uns ist. Bei aller Trauer denke ich aber auch: Es war ein Glück und eine Ehre, dass Kami und Elmo unser Leben so lange bereichert haben.
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