Was für eine Stadt: We Are Scientists im Wiesbadener Kesselhaus

by - April 23, 2023


Wieder We Are Scientists im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs - vor einigen Tagen stand quasi die Wiederholung eines Konzertes an, das mein Freund und ich im Juni 2018 besucht hatten. Wobei ein erinnerungswürdiger Aspekt des damaligen Juniabends die extreme Wärme und Stickigkeit des Raums waren, womit im eher kühlen April dieses Jahr natürlich nicht gerechnet werden musste. Mal ganz davon abgesehen, dass schon wieder fünf Jahre seit dem letzten Konzert vergangen sind und We Are Scientists in der Zwischenzeit zwei Alben veröffentlicht haben: "Huffy" von 2021 und ganz neu "Lobes" - dessen Albumcover an diesem Abend als Banner auch den Hintergrund der Bühne zierte. 

Die Setliste konzentrierte sich, was ja auch zu erwarten war, auf die neuen Alben "Huffy" (drei Songs) und "Lobes" (sechs Songs) sowie das Durchbruchalbum "With Love ans Squalor" (fünf). Im Vergleich zum Konzert vor fünf Jahren wiederholten sich letztlich zehn der insgesamt 21 Lieder, der Rest war anders.



Zuerst übernahm aber die englische Singer / Songwriterin Liz Lawrence die Rolle als Vorband. Die junge Frau trug einen riesig wirkenden Männeranzug, der sie in Verbindung mit ihren raspelkurz geschnittenen Haaren recht androgyn wirken ließ. Zu ihren Liedern begleitete sie sich selbst auf der Gitarre, hatte aber auch vorab aufgenommene Samples und Beats dabei - und loopte zusätzlich auch des öfteren. Wenn sie nicht anderweitig beschäftigt war, tanzte und wippte sie aber auch viel zur eigenen Musik - und kam insgesamt sehr gut beim Publikum an, vereinzelt wurde sogar eine Zugabe erbeten. Q Magazine hat die Künstlerin mit Florence and the Machine verglichen, worauf ich allerdings nicht unbedingt gekommen wäre.



Setliste:

Drive
Drown For Fun
Saturated
The Good Part
Chainsmoking
Navigator
None Of My Friends
Strut
Babies



An der Besetzung von We Are Scientists hat sich in den letzten Jahren nichts mehr geändert, Keith Murray und Chris Cain sind weiterhin ein Duo, das im Studio und live vom Schlagzeuger Keith Carne unterstützt wird. Wortlos spielte man zunächst "Lucky Just To Be Here" vom neuen Album, erst nach einigen Songs nahm es Chris Cain in die Hand, uns zu begrüßen, indem er ein paar Worte auf Deutsch sprach ("Was für eine Stadt!") - die Keith Murray anscheinend vorher bereits hinter der Bühne gesagt hatte, was er aber nicht vor Publikum hatte wiederholen wollen. Die beiden erklärten, Wiesbaden sei toll, und sie hätten die Stadt geehrt, indem sie in ihr Bier getrunken hätten, eine der höchsten Ehren, die Städten zuteil werden könne.

Man weiß nicht, was Keith noch entgegnet hätte, denn ihm entwich, als er eigentlich angesetzt hatte, um etwas anderes zu sagen, ein eher entsetztes als begeistertes "What is THAT!", als ein Besucher ein aus einem Luftballon geknotetes Objekt anreichte, das dem Sänger mit einem etwas phallisch wirkenden Ende und einem anderen, das seltsame Wülste aufwies, offenbar anstößig erschien. Doch während er noch laut überlegte, welches Ende er am ehesten anfassen wollte, wurde ihm klar, dass es sich schlicht um eine Blume handelte.



Etwas verlegen bedankte man sich, einige Lieder später nahm Chris den Faden nochmals auf, indem er meinte, dass man nun an einem Punkt im Set sei, an dem die Band normalerweise schon mehr Luftballons bekommen hätte - Keith entgegnete dann, es läge aber an ihnen, die Zuschauer durch ihre Musik dazu zu motivieren, ihre Ballons, die ja alle dabei hätten, nach vorne zu reichen. Und tatsächlich erschien vor der Bühne nun eine weitere Luftballonblume, die sich dieses Mal Keith Carne in den Kragen steckte. Keith Murray suchte nun Personen im Publikum, die mit ihm wetten wollten, wie lange die Blume wohl halten würde. Als schließlich jemand "two weeks" rief, freute sich Murray, denn irgendwann vorher würde die Band in die USA einreisen, was mit der Blume nicht gehen würde (er setzte nach, Luftballonblumen seien natürlich nicht an sich bei der Einreise verboten, würden aber wohl zu einem Drogentest führen, den Carne dann nicht bestehen würde).



Leider konzentrierten sich die Musiker im restlichen Set hauptsächlich auf die Musik - nicht, dass es an dieser etwas auszusetzen gegeben hätte, "Lobes" ist sogar ein ziemlich starkes Album, dennoch sind es bei We Are Scientists-Konzerten eben auch die komödiantischen Einlagen, die besonderen Spaß machen. Mit fiel aber auch auf, dass die drei auch dann, wenn sie keine "öffentlichen" Späße machen, viel miteinander lachen und scherzen, was ebenfalls schön anzusehen war - ist ja keine Selbstverständlichkeit nach über 20 gemeinsamen Jahren.

Der Humor und das Quatschmachen setzten sich am Merchandise-Stand noch fort, hier verkauften die beiden Nicht-Wissenschaftler nämlich persönlich. Sicher auch deshalb bildete sich eine riesige Schlange, die sich auch kaum bewegte, weil die beiden Musiker mit allen Kaufinteressierten Scherze machten und auch für gemeinsame Selfies zur Verfügung standen. Chris Cain entschuldigte sich irgendwann bei den Wartenden, indem er sagte, die beiden seien einfach extrem schlecht in dieser Aufgabe. Hinzu kam, dass die meisten Fanartikel ohnehin ausverkauft waren, es gab beinahe nur noch Vinylplatten und Socken zu kaufen, während die wenigen erhältlichen T-Shirts sofort weg waren. Aber unterhaltsam war die Wartezeit allemal.



Setliste:

Lucky Just to Be Here
No Wait at Five Leaves
Contact High
Nobody Move, Nobody Get Hurt
Operator Error
Buckle
Settled Accounts
Nice Guys
You’ve Lost Your Shit
Inaction
I Cut My Own Hair
Courage
Turn It Up
Textbook
Human Resources
The Great Escape
After Hours

Dinosaurs
This Scene Is Dead
Too Late
Less From You

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