Neulich beim Nachsitzen: The Cardigans beim Mannheimer Zeltfestival

by - Juni 25, 2024


Ich habe im Laufe der Jahre so einige Auflagen des Maifeld Derbys besucht, unter anderem das allererste 2011 und eines unter Pandemie-Auflagen (2021). Der Termin vor zwei Jahren war auch der letzte von uns besuchte, auch dieses Jahr hat es letztlich nicht geklappt. Erstmalig gab es für Schwänzer aber eine Zusatzchance: Auf demselben Gelände findet aktuell das Zeltfestival Rhein-Neckar statt - zwar nicht zum ersten Mal, aber dieses Jahr gab es im Rahmen der Konzertreihe erstmalig eine als solche titulierte "Maifeld Derby Ehrenrunde" mit The Cardigans als Headliner. 

The Cardigans? Die gibt es noch? Das habe ich mich sicher nicht als einzige gefragt, das letzte Album der schwedischen Band ist 2005 erschienen, was ja nun eine Ecke her ist. Wikipedia kann man entnehmen: Die Band hat beschlossen, seit dem Weggang des Gitarristen und Songschreibers Peter Svensson keine neue Musik mehr aufzunehmen, steht aber bereits seit Jahren für gelegentliche Liveauftritte zur Verfügung. Der letzte Auftritt der Band in Deutschland hatte 2006 stattgefunden.



Nina Persson hatte ich 2009 als A Camp in Stockholm live gesehen (offenkundig ohne Bericht), außerdem 2014 solo in Köln - da bot es sich doch an, das Triple mit einem Auftritt der Band, die sie bekannt gemacht hatte, zu vervollständigen. Auf den Tickets waren etwas mysteriös drei weitere Bands angekündigt, es wurden dann letztlich aber nur zwei: Die Shout Out Louds würden Mannheim mit einer Station ihrer Jubiläumstour beehren (die wir ja bereits in Köln besucht hatten), und als Support hatte man noch eine Band namens Telquist dabei.

Bei unserer Ankunft in Mannheim präsentierte sich das Gelände mehr oder weniger wie gewohnt, nur eben deutlich kleiner - der gewohnte Weg Richtung "Parcour d'Amour" war natürlich abgesperrt, dafür gab es rund um das Palastzelt eine Auswahl von Ständen mit Essen und Getränken. Die Besucherzahl war insbesondere am Anfang eher überschaubar - wir erfuhren, dass im Vorverkauf etwa 1300 Tickets verkauft worden waren, weniger als die Hälfte der erhofften 3000. Uns beschlich ein schlechtes Gewissen, denn unsere eigenen Eintrittskarten hatten wir deutlich preisreduziert kurz vor dem Konzert per eBay Kleinanzeigen erstanden und somit nicht zum Vorverkauf beigetragen.



Ein wenig hatte ich damit gerechnet, dass auch die dritte Band im Bunde aus Schweden stammen würde, Telquist ist aber das Projekt des Regensburgers Sebastian Eggerbauer, dessen Debütalbum "Strawberry Fields" bereits 2017 erschienen ist. Bei der Selbstvorstellung klang Eggerbauer, als seien alle Musiker Bandmitglieder - vielleicht gab es ja eine Entwicklung in diese Richtung. 



Die Musik ging in Richtung Indiepop, enthielt aber auch Samples. Während des wohlwollend aufgenommenen Sets füllte sich das (durch Abtrennungen etwas verkleinerte) Zelt nach und nach. Das letzte Lied "Chills" wurde als Schnulze angekündigt, klang dann aber gar nicht so romantisch. Die Spielzeit war offensichtlich auf 30 Minuten begrenzt, dabei hätte das Publikum sicher gerne auch mehr gehört.

Setliste:

Light
Strawberry Fields
Mojo
?
Moon
White Hair
Chills



Weiter ging es wenig später mit den Shout Out Louds. Nachdem das Set genau dasselbe sein würde wie wir bereits vor einigen Wochen gesehen hatten, stellten wir uns zur Abwechslung auf die rechte Seite vor der Bühne. Allerdings zeigte sich bereits, als die Musiker die Bühne betraten, dass es auch weitere Veränderungen gab: Sowohl die Keyboarderin als auch der Schlagzeuger waren andere Personen als in Köln. Der Tausch des Schlagzeugers wurde nicht weiter kommentiert. Nachdem Adam Olenius vor einigen Wochen aber erwähnt hatte, dass für die Jubiläumstour extra der ursprüngliche Schlagzeuger Eric Erdmann zurückgekehrt sei, gingen wir davon aus, dass wohl mittlerweile wieder der aktuelle Drummer im Einsatz ist.



Dramatischer war wohl der Tausch am Keyboard: Olenius erklärte nach einigen Songs, dies sei Jennie, die eingesprungen sei, weil Bebban Stenborg kurzfristig erkrankt sei, er habe sie erst zwei Tage zuvor kontaktiert. Wie gut, dass Jennie nicht nur anscheinend ohne viel Vorbereitung die Songs spielen und mitsingen kann, sondern auch noch so kurzfristig Zeit hatte!

Wie bereits in Köln spielte die Band ihr Album "Howl Howl Gaff Gaff" von Anfang bis Ende. Man hatte auch noch Exemplare der extra für die Tour erschienenen Vinyl-Version dabei und warf eines davon quasi als Werbung ins Publikum. Wie gehabt wurden viele der Songs im Publikum begeistert mitgesungen und -getanzt. Seitens der Band wurde eher wenig gesprochen. Olenius erklärte zum einen das Konzept der Tour und sagte, es sei schön für die Bandmitglieder, nicht über die Setliste streiten zu müssen. Zu "Please Please Please" sprach er über Deutschland und bedankte sich bei den Fans - offenbar ist das Lied hier besonders beliebt.



Eine kleine Überraschung, um nicht zu sagen Enttäuschung, gab es gegen Ende des Auftritts: Der Band ging nämlich die Zeit aus, und so musste sie die eigentlich geplanten vier Songs, die nach dem Ende von "Howl Howl Gaff Gaff" noch kommen sollten, auf zwei kürzen. Somit kam das Finale mit "Tonight I Have to Leave It" schneller als erwartet. Wie in Köln hing auch ganz oben im Palastzelt eine Discokugel, und vermutlich war geplant gewesen, dass Olenius diese wie dort bei einem Spaziergang durchs Publikum mit einer Taschenlampe anstrahlen würde. Er bat darum, die Kugel anzustrahlen und das Licht auf der Bühne zu verringern.

Nachdem der Raum aber natürlich riesig war und zudem viel Licht von draußen kam (es war noch nicht dunkel), sparte sich Olenius den Gang durchs Publikum dann doch und sang den Song komplett auf der Bühne. Schön war er natürlich trotzdem.



Es blieb unklar, was an zehn Minuten Verzögerung für den weiteren Verlauf eigentlich so schlimm gewesen wäre, zumal ja ursprünglich sogar eine Band mehr eingeplant gewesen war. Da hätte man dem Publikum ruhig die zwei Lieder mehr gönnen können.

Setliste:

The Comeback 
Very Loud / Last Nite (The Strokes-Cover)
Oh, Sweetheart 
A Track and a Train 
Go Sadness 
Please Please Please 
100° 
There's Nothing 
Hurry Up Let's Go 
Shut Your Eyes 
Seagull 
Jumbo Jet 
Tonight I Have to Leave It



In der nun folgenden Pause erkannten wir anhand der Gespräche um uns herum, dass The Cardigans zwar vielleicht nicht so viele Zuschauer angezogen hatten wie erhofft, dafür aber internationale: Vor uns wurde Spanisch gesprochen, neben uns Italienisch. Und als wäre das nicht exotisch genug, kam plötzlich an uns die Frage, ob wir aus Montabaur kämen: Einer unserer Nachbarn hatte uns als die Gastgeber eines unserer Wohnzimmerkonzerte erkannt, das er besucht hatte.

Der Auftritt der Headliner begann damit, dass der Bandname nach und nach auf einem LED-Screen erschien, eine Stimme las die Buchstaben einzeln vor. Dann betraten die Musiker die Bühne. Nina Persson ist mittlerweile rothaarig, sie trug einen weiten grünen Anzug mit Schlaghose und am Hals eine riesige hellgrüne Tüllschleife. Wenn sie sich auf der Bühne bewegte, konnte man Blicke auf glitzernde grüne Plateauschuhe erhaschen.



Persson begrüßte uns auf Deutsch mit "Guten Abend, Mannheim!" und bemerkte, sicherlich zu recht, dass wir sehr gut aussähen. Die Setliste umfasste größtenteils bekannte Songs von den fünf Alben der Band, enthielt aber auch einige Überraschungen: "Slow" kündigte Persson an, indem sie erklärte, es sei das am wenigsten beliebte und gestreamte Lied der Band und zudem sehr langsam. Kein Wunder, dass den Song kaum jemand kennt:  Es handelt sich um einen nur in England veröffentlichten Bonustrack von "Super Extra Gravity". 



Für "For What It's Worth" griff Persson zur Mundharmonika. Im Anschluss folgten mit "Happy Meal" und "Carnival"  die ältesten Lieder des Abends, die auch - insbesondere "Carnival" -  besonders gut ankamen. Im Instrumentalteil von "Marvel Hill" verließ Persson anschließend die Bühne und kehrte im neuen Outfit zurück: Sie trug nun über einem dunkelroten Catsuit eine Art Unterkleid mit Korsage und dazu beeindruckend hohe rote Plateaustiefel.



Bei den meisten Liedern begnügte sich Persson damit, "nur" zu singen, bei "Good Morning Joan" und dem direkt danach folgenden "Hanging Around" griff sie jedoch selbst kurz zur Gitarre. Den wohl bekanntesten Cardigans-Song "Lovefool" (vom Soundtrack des Baz Luhrman-Films William Shakespeare's Romeo + Juliet ) kündigte Persson mit der Frage an, ob wir Liebe mögen. Auf mich wirkte die Frage und auch die folgende Performance ironisch - als wollte sie sicher stellen, dass wir das kitschige Lied nicht zu ernst nehmen. Zu dem Song wurden im Publikum dennoch viele Videos aufgenommen.



Das Set endete mit einem weiteren Hit, "My Favourite Game". Persson hatte den Song mit einem finalen Dankeschön ans Publikum als den letzten angekündigt, hinterher umarmten sich die Bandmitglieder und bedankten sich beieinander. Letzte Hoffnungen auf eine eventuelle Zugabe schwanden, als über die LED-Screens ein (deutschsprachiger) Abspann lief, der neben den Bandmitgliedern auch detailliert alle anderen Beteiligten auflistete, etwa den Fahrer und die Kostümabteilung der Oper von Malmö, von der offenbar Perssons Kleid stammte. Er endete mit Wünschen für Frieden in Palästina.



Davon abgesehen, dass der Auftritt einen Vor- und einen Abspann hatte, wirkte auch alles dazwischen sehr geplant und gut durchdacht. Im Anzug wirkte Persson noch fast zurückhaltend, nach dem Kostümwechsel und zum Ende hin wurden die Lieder immer rockiger, und der Keyboarder Lars-Olof Johansson griff zu einer zusätzlichen Gitarre.

Ein sehr schönes Konzert, das den Eindruck vermittelte, dass auch die Bandmitglieder selbst viel Spaß dabei hatten. 



Setliste:

Losing a Friend
Step on Me
Erase/Rewind
Communication
And Then You Kissed Me
Slow
For What It's Worth
Happy Meal
Carnival
Marvel Hill
Junk of the Hearts
Live and Learn
You're the Storm
Feathers and Down
Good Morning Joan
Hanging Around
Give Me Your Eyes
Higher
Lovefool
I Need Some Fine Wine and You, You Need to Be Nicer
My Favourite Game

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