Dieses Jahr habe ich mal eine ordentlich lange Auswahlliste, und es sind auch anspruchsvollere Filme dabei, juhu! Nun weiß ich gar nicht, ob das Filmjahr ein besonders gutes war oder mein Haushalt dem Medium einfach mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat - ich vermute eigentlich Letzteres. Honourable mentions gehen an Lola, einen "found footage"-Film, in dem zwei Schwestern den Lauf der Geschichte verändern, und Conclave, einen erstaunlich spannenden Thriller nach einem Robert Harris-Roman.
5. Poor Things
Ein echter Geheimtipp, der Film hat ja auch nur vier Oscars bekommen... Emma Stone in einer so was von verrückten Geschichte: Eine junge, schwangere Frau begeht im viktorianischen England Selbstmord, und experimentierfreudiger Arzt ersetzt, um sie zu retten, ihr totes Gehirn durch das des ungeborenen Säuglings. Das neue Wesen Bella durchlebt nun eine Entwicklung, bei der es mit jeder Menge Neugier die diversen Aspekte des Menschseins entdeckt. Der Film ist eine Mischung aus Horror und Komödie, wobei die "Familiengeschichte" zwischen Bella, ihrem von Willem Dafoe gespielten "Vater" und dessen Assistenten Max durchaus liebevolle Züge hat.
4. Beetlejuice Beetlejuice
Ich habe in den letzten Jahren einige späte Fortsetzungen von recht alten Filmerfolgen gesehen (spontan fallen mit Ghostbusters, Blade Runner und Trainspotting ein), und normalerweise kann ich mich nach kurzer Zeit kaum noch an die Fortsetzungen erinnern, während das Original weiterhin im Gehirn verhaftet ist. Beetlejuice Beetlejuice kann jedoch nicht nur mit etlichen Originalschauspielern der Komödie von 1988 aufwarten (praktisch für Michael Keaton, dass die Titelfigur so viel Make-up trägt, dass seine Alterung um mehr als 30 Jahre kaum auffällt), sondern schafft den Spagat, viele Elemente des Originals in eine neue Geschichte zu integrieren, ohne dabei ein reiner Abklatsch zu werden.
3. The Holdovers
Vor Weihnachten habe ich mir in einem Versuch, besinnlicher zu werden, den Film The Holiday (Liebe braucht keine Ferien) angesehen, der anscheinend ein Genre-Klassiker ist, mich aber so gar nicht überzeugen konnte. In den kommenden Jahren versuche ich es lieber mit The Holdovers: An einem prestigeträchtigen Internat an der Ostküste der USA im Jahr 1970 wird ein verbiesterter Lehrer dazu verdonnert, über Weihnachten auf eine Reihe von Schülern aufzupassen, die nicht nach Hause können. Nachdem die Mehrheit der Schutzbefohlenen dann doch eine Alternative findet, bleibt nur ein Schüler zurück - natürlich der, der das am wenigsten möchte. Es überrascht nicht allzusehr, dass sich der prinzipienstrenge Lehrer und der egozentrische Schüler letztlich dann doch einander annähern und zu einer Art Freundschaft finden - der Weg dorthin wird skurril und unsentimental erzählt. Da‘Vine Joy Randolph spielt in einer Nebenrolle die ebenfalls anwesende Haushälterin der Schule, die um ihren in Vietnam gefallenen Sohn trauert - und bekam einen Oscar
2. All of Us Strangers
Adam (Andrew Scott) führt ein einsames Leben, in dem er in einem kaum bewohnten Londoner Appartmenthaus Drehbücher schreibt. Als er eines Tages beschließt, über seine Eltern zu schreiben, die während seiner Kindheit bei einem Autounfall ums Leben kamen, besucht er sein altes Elternhaus - und begegnet ihnen dort. Er beginnt, seine Eltern, die immer noch in dem Alter sind, in dem er sie kannte, regelmäßig zu besuchen, und ihnen von seinem Leben zu erzählen. Gleichzeitig lernt er durch einen Zufall einen seiner Nachbarn kennen und beginnt mit ihm eine Beziehung.
Der Film mischt auf eine zunächst verwirrende Weise Realität und Phantasie, oder vielleicht auch Geistergeschichte und "normales" Erzählen. Dabei geht es viel um Trauer, das Aufarbeiten von Erinnerungen - und auch viel ums Schwulsein, das die Figur Adam als Kind der 80er Jahre un der Angst vor Aids ganz anders erlebt hat als sein jüngerer Freund Harry.
1. The Zone of Interest
Letztes Jahr um diese Zeit wurde spekuliert, wie viele Oscars Sandra Hüller wohl bekommen würde, nachdem sie gleich mit zwei Filmen ins Rennen ging. Letztlich ist es keiner geworden, The Zone of Interest bekam den Preis jedoch als bester internationaler Film. Hüller spielt gemeinsam mit Christian Friedel das Ehepaar Höss - Rudolf ist Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, während Hedwig für sich und ihre Familie stolz ein in ihren Augen tolles Haus mit Garten bewohnt - nur wenige Meter vom Lager, dessen Gerüchen und Geräuschen entfernt. Die Machart des Films zeigt die Handlung stets aus Beobachter-Perspektive, ohne Nahaufnahmen, als sei sie mit versteckten Kameras aufgenommen worden. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die von Hedwig vehement ignorierten Geräusche aus dem Konzentrationslager ein - für diese wurde ein eigenes, separates Drehbuch geschaffen. Ein furchtbarer Film, aber ein guter.
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