Bereits vor unserem Islandurlaub war mein Freund auf eine Lücke im Tourplan von Svavar Knutur aufmerksam geworden, wir traten in Kontakt mit dessen Promoter - dieser war grundsätzlich damit einverstanden, den Musiker bei uns auftreten zu lassen, nur die endgültige Zusage zog sich noch ein bisschen hin und erfolgte letztlich nach unserem Urlaub - was uns für die Konzertankündigung ermöglichte, zu behaupten, wir hätten Svavar "aus dem Urlaub mitgebracht".
Leider hatten wir unwissentlich wohl ein schwieriges Konzertdatum erwischt. Während wir beim vorherigen Konzert mit Loch Lomond erwartet hatten, dass der Termin an einem Montag für einige schwierig sein könnte, war es damals letztlich recht voll geworden. Dieses Mal kassierten wir trotz eines Samstags als Veranstaltungsdatum diverse Absagen. Auch verschiedene Werbungsversuche änderten nichts an der Situation, letztlich kamen wir inklusive uns selbst auf etwa 20 Personen - ausreichend, um unser Wohnzimmer gut zu füllen, aber deutlich hinter unseren bestbesuchten Konzerten. Bei Loch Lomond tummelten sich, auch dank der zahlenstärkeren Band, fast doppelt so viele Personen bei uns.
Beim letzten Konzert waren wir bei den Vorbereitungsarbeiten gegen Ende ein wenig in Hektik geraten. Das sollte dieses Mal vermieden werden, weshalb wir schon am Vorabend mit den Arbeiten starteten: Statt das Konzert des Musikers in Mainz zu besuchen, holten wir schon einmal Stühle vom Speicher und wischten Staub. Am Konzerttag selbst standen wir früh auf und bereiteten diverse Speisen zu: zwei Quiches, Zimtschnecken, Minipizzen, Blätterteigquadrate mit Tomaten und Tomate-Mozzarella-Spieße. Die ersten selbstgemachten Pralinen der Saison hatten wir bereits während der Woche fertig gestellt.
Wir waren so effizient in unseren Arbeiten, dass wir bereits um 15 Uhr alles fertig hatten - statt Hektik überkam uns dieses Mal beinahe Langeweile, bis es um 16 Uhr an der Zeit war, Svavar vom Bahnhof abzuholen.
In der Vorab-Kommunikation mit dem Booker hatte dieser die Zeit von 5 bis 6 für den Soundcheck veranschlagt, Svavar erwies sich jedoch als deutliche effizienter und brauchte nur von 17:05 bis 17:06 Uhr. Deutlich mehr Zeit verbrachte er mit unserem Katern Iggy und Bowie, die ihn sehr begeisterten - was zumindest bei Iggy auf positive Resonanz stieß. Nach einem gemeinsamen Kaffee und einer Zimtschnecke nutzte er aber die Tatsache, dass noch so viel Zeit war, und legte sich für eine Stunde hin - er hatte in der vorausgegangenen Nacht schlecht geschlafen.
Wir erledigten nun unsere letzte Aufgabe und stellten die Stühle für die Konzertgäste auf. Dass sich weniger Besucher angekündigt hatten als sonst, führte auch zu Vorteilen: Vor dem Büffet konnten wir mehr Bewegungsraum schaffen, und auch ein Mittelgang zwischen den Stuhlreihen führte zu mehr Platz.
Nach und nach trafen nun die Konzertbesucher ein. Als Mitbringsel erhielten wir gleich zwei Brokkolis - eine Reaktion auf Svavar Knuturs Selbstbeschreibung als "Brokkoli der Singer/Songwriter" (not the sexiest of the vegetables, but still veeeery good for you). Rechtzeitig vor der angekündigten Zeit für den Konzertbeginn kehrte auch der Künstler ins Erdgeschoss zurück. Der Tag war für den späten September ungewöhnlich mild gewesen - dass sich nun so viele Menschen auf relativ engem Raum befanden, verhinderte eine nennenswerte Abkühlung, der Konzertabend wurde ordentlich warm.
Auch Svavar hatte wohl mit anderen Temperaturen gerechnet, denn er trug für den Auftritt ein langärmeliges Hemd und eine Weste. Leider hatten wir aus 17 vorherigen Wohnzimmerkonzerten auch zumindest in dieser Hinsicht nichts gelernt und versäumt, ihm ein Handtuch hinzulegen - so konnte der arme Mann sich nicht einmal den Schweiß abwischen.
Svavar arbeitet nicht mit einer Setliste, sondern entscheidet spontan und anhand der Atmosphäre, was er gerne spielen möchte. Unser Konzertabend startete mit "Orgar Brim", das sich auf ein Gedicht aus dem 17. Jahrhundert bezieht. Es folgten zwei weitere Lieder, Knutur bezeichnete diese Zusammenstellung als seine "root songs". Auch sonst stellt er Lieder gerne zu thematischen Zweier- und Dreiergruppen zusammen und wählt häufig, aber nicht ausschließlich, mythologische und antike Themen als Vorlagen. Allzu ernst wurde der Abend dadurch aber nicht, denn die Ansagen gingen vielfach ins Komödiantische.
Mehrmals wurden wir zum Mitsingen aufgefordert - die "Lalalas" bei "Undir Birkitre" meisterten wir noch ganz gut, als wir zu einem späteren Zeitpunkt einige Zeilen auf Isländisch beisteuern sollten, stießen wir allerdings an unsere Grenzen. Zu dem Lied, dessen Titel auf Deutsch "Unter dem Birkenbaum" bedeutet, wies er auch energisch darauf hin, dass es in Island durchaus Bäume gebe und es nicht in Ordnung sei, wenn Ausländer sie als Büsche bezeichneten.
Direkt vor der Pause hörten wir ein Lied namens "November", hinterher ging es mit "Januar" weiter. Svavar nahm die Lieder zum Anlass, uns zu erklären, dass ihm der isländische Winter besser gefällt als der Sommer, denn warm sei es schließlich im Sommer auch nicht - im Winter könne man aber zumindest guten Gewissens drinnen bleiben. Außerdem steigert sich im Januar die Tageslichtmenge um ein Vielfaches - und Svavar hat in diesem Monat auch Geburtstag, am selben Datum wie auch sein Vater und dessen Mutter. Bedauernd ergänzte er, dass es ihm bei keinem seiner vier Kinder gelungen sei, diese Tradition fortzusetzen.
Sehr überraschend hörten wir anschließend "In stiller Nacht", ein durch Johannes Brahms bekannt gewordenes Volkslied, dass Svavar an seine "folkigen" Ursprünge zurückführte. Es war außerdem der Auftakt eines Trios von Liedern zum Thema Liebe und Verlust, dessen weitere Teile auf Französisch und Schwedisch dargeboten wurden.
Hinterher gönnte uns Svavar einen nicht ganz ernst gemeinten Monolog über die Hässlichkeit der dänischen Sprache (offensichtlich gibt es Animositäten zwischen den Isländern und den Dänen) und fügte noch ein dänisches "Lied" hinzu, da sich als gutturales Gebrüll entpuppte.
Es folgten die zwei Lieder, die wir vorab am meisten gehört hatten, das Liebeslied "While the world burns", das gleichzeitig der Heiratsantrag von Svavar an seine jetzige Frau war, und das Trennungslied "Emotional Anorexic". Zu diesem Anlass erfuhren wir auch, dass Romantik und Liebe in Island anders funktionieren als bei uns: Mangels Gold und Blumen schenkt man auf der Insel der Geliebten (angeblich) ein Kilo Fisch, damit sie etwas zu essen hat, und Rhabarber, damit sie keinen Skorbut bekommt.
Zu "Ölduslóð" hörten wir noch einen längeren Monolog, in dem es eigentlich darum ging, dass es schwer ist, eigene Auffassungen zu ändern, wenn man sie einmal als richtig eingeordnet hat. Svavar erzählte als Beispiel davon, dass er fälschlich angenommen hatte, eine französische Marmeladenmarke, die er in einem Delikatessenladen gesehen hatte, stamme aus einem winzigen Kloster - auch, als er die Marmeladengläser erst in einem isländischen Supermarkt und anschließend in immer mehr verschiedenen Ländern sah. In seiner Vorstellung wurde das imaginäre Kloster immer größer, und davor warteten immer mehr Lastwagen aus diversen Ländern. Die Darstellung, die ein Phantasie-Mönch die anderen rief und fragte, ob denn die Marmelade für den wartenden Lastwagen aus Australien fertig sei - während ein anderer hektisch Marmeldae rührte und ein dritter die benötigten Gläser blies - war sehr unterhaltsam.
Insgesamt bekam man den Eindruck, dass die Stimmung des Musikers sich im Laufe des Konzertes sich von eher in sich gekehrt immer mehr Richtung Plaudertasche entwickelte, er schien auch wenig Eile zu haben, den Auftritt zu beenden.
Fast zum Ende des Konzertes wurde ihm bewusst, dass er bislang völlig vergessen hatte, seine Ukulele zu verwenden - er hatte alle Lieder zur Gitarre vorgetragen. Also hörten wir noch ein Lied mit der Ukulele und dann noch einen kurzen Exkurs zu isländischen Wassermännern, die viel cooler sind als die Version in Festlandeuropa, der zum Lied "Isn't It Funny" führte - in dem ein Wassermann vorkommt.
Wir durften auch noch eine Zugabe hören und bekamen die Wahl zwischen einem Lied von Abba oder einem nicht weiter umschriebenen aus den 1990ern - als die Wahl auf Letzteres fiel, spielte Svavar "The Wild Ones" von Suede, das den sehr kurzweiligen Konzertabend wunderbar abschloss. Er bedankte sich sehr freundlich bei uns als den Gastgebern und äußerte sich auch begeistert über unsere Kater Iggy und Bowie, mit denen er sich am Nachmittag bereits angefreundet hatte.
Das Publikum kam auch dem bereits vor der Pause geäußerten Wunsch des Künstlers nach, möglichst viele der Platten und CDs aus seinem "The Beast" genannten Tourkoffer zu erwerben und so seinen Rücken beim Schleppen zu entlasten. Es wurde am winzigen Merch-Stand auch noch viel geredet. Zwischenzeitlich prüfte ich auch unsere "Kasse" und konnte erleichtert feststellen, dass sich unsere Konzertgäste ausgesprochen großzügig gezeigt hatten und der sich Abend auch mit der eher geringen Besucherzahl finanziell für den Musiker gelohnt hatte.
Svavar verbrachte die Nacht in unserem Gästezimmer, am nächsten Tag fuhr er mit der Bahn zur nächsten Tourstation Rottweil. Vorher frühstückten wir gemeinsam, und er machte auch noch Fotos von seinen neuen besten Freunden Iggy und Bowie, über er dann gleich noch einen Facebook-Beitrag verfasste..
Setliste:
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