Unterhaltsamer Hörgenuss: Desperate Journalist im Kölner Blue Shell


Der ideale Geburtstag meines Freundes enthält ein Konzert. Nicht jedes Jahr hat er dabei so viel Glück, dass Noel Gallagher für ihn (und diverse andere) in Mailand aufspielt (und eine Reise ist natürlich auch nicht jedes Jahr möglich). Dieses Mal hatten wir aber immerhin die Gelegenheit, dass Desperate Journalist den Termin für ihr Konzert in Köln gewählt hatten.

Das Blue Shell hatte ich bislang erst einmal besucht, nämlich zum Cologne Popfest 2018. Das Lokal liegt in direkter Nachbarschaft zum Luxor und teilt mit diesem auch bauliche Gemeinsamkeiten: Der Zuschauerraum wird links durch die Bar begrenzt, was ihn besonders lang und schmal macht - wer eher weiter hinten steht, sieht deshalb nicht viel. Leider war das bei uns der Fall, nur gelegentlich konnte ich einen Blick auf die Bühne erhaschen.



Desperate Journalist hatten einen Support Act mitgebracht, Enjoyable Listens. Luke Duffett tritt manchmal mit Band und manchmal als Duo auf, gelegentlich aber auch allein, begleitet von Tracks auf seinem iPhone - so auch an diesem Abend. Da wir die Bühne nicht gut sehen konnten, waren wir uns zunächst nicht sicher, ob der Bassist, bei dem er sich mehrfach bedankte, nicht vielleicht doch irgendwo auf der Bühne versteckt sein könnte - es gab ihn aber offenkundig nicht.

Auch sonst wirkte Duffett ironisch und hatte auf witzige und skurrile Art auch viel zu erzählen - etwa davon, wie er während des Lockdowns einer Familie deren Computer abkaufte, um damit Musik aufzunehmen. Die Verkäufer baten darum, den ersten aufgenommenen Song - "Summer Hit" - geschickt zu bekommen. Duffett erfüllte den Wunsch - und bekam nie eine Antwort. Zu "A Laugh and a Half" im Anschluss wurden alles Anwesenden zur After Show Party in seinem Hotelzimmer im Ibis Köln Centrum eingeladen - unter Nennung der Zimmernummer.



"Tear Up the Picture of My Kids" bot den Anlass, zu erzählen, wie er Desperate Journalist kennengelernt hatte - nämlich bei einem Konzert in Dallas, dass er in glühender Hitze vor etwa acht Personen gab, von denen sich vier als Desperate Journalist entpuppten.

Musikalisch bot Duffett eine Mischung aus Jarvis Cocker und Rick Astley (für den 80er Jahre-Touch) und lieferte insgesamt einen sehr unterhaltsamen Auftritt ab. Er machte viel Werbung für die noch sieben am Merch erhältlichen Alben - hoffentlich hat er sie alle verkauft.

Setliste:

That's Where the Blood Is 
Summer Hit 
A Laugh and a Half 
Tear Up the Picture of My Kids 
Drowning in the Reef 
International Space Station 




Desperate Journalist gibt es schon seit 2012, das Post Punk-Quartett hat seitdem fünf Alben veröffentlicht.  Der letzte Auftritt im Blue Shell hatte 2017 stattgefunden, allerdings war man zumindest laut Setlist.fm zwischenzeitlich 2019 im Kölner MTC zu Gast. Mindestens sechs Jahre ist der letzte Auftritt in Köln auf jeden Fall her, und Sängerin Jo Bevan erwähnte, wie schön es sei, wieder in diesem Venue zu Gast zu sein.

Christoph, Organisator des Cologne Popfests und auch dieses Konzertes, hatte nachmittags auf Instagram ein Foto des Soundchecks gepostet, an das wir nun wehmütig zurückdachten: Eine so gute Sicht hätten wir auch gerne gehabt! Mein Freund erwähnte, dass Jo Bevan ein Catherine Wheel-T-Shirt trug, und es dauerte eine ganze Weilte, bis ich selbst es auch kurz sehen konnte. Sowohl Jo als auch der Bassist Simon Drowner haben eine Vorliebe für Kajal.



Auch die Musiker mussten sich gleich zweimal (zunächst für einen letzten Check, dann für den eigentlichen Auftritt) durch die Menge kämpfen, konnten sich aber sicherlich darüber freuen, dass der Abend annähernd ausverkauft war. 

Die Setliste der aktuellen Tour hat ein feststehendes Grundgerüst mit diversen Plätzen für Variationen. Ich konnte längst nicht jeden Song erkennen und war dankbar für die Ansagen, die sehr gelegentlich kamen  - so für "Be Kind". Manche Lieder wurden von Jo als "goth songs" angekündigt (tatsächlich ist die Band auch schon einmal beim Wave & Gotik-Treffen in Leipzig aufgetreten), zu "Distance" erwähnte sie, man habe den Song schon sehr lange nicht mehr gespielt (tatsächlich wohl auch zuletzt 2017 in Deutschland). Wohl, weil sie den beschwerlichen Weg durchs Gedränge nicht ein drittes Mal unternehmen wollten, kündigte die Band an, die beiden geplanten Zugaben "Control" und "Satellite" einfach direkt im Anschluss zu spielen.



Ansonsten wurde leider, abgesehen von einer Danksagung an Christoph, eher wenig gesprochen. Alle Songs wurden sehr gut gesungen, und einige gefielen mir auch richtig gut - leider fehlte es aber ein bisschen an Abwechslung (sicherlich noch mehr, wenn man fast nichts sehen konnte). So lieferten Desperate Journalist zwar ein schönes Konzert ab, ihr Support Act hat ihnen aber beinahe die Show gestohlen.


Setliste:

Everything You Wanted
Why Are You So Boring?
Afraid
Hollow
No Hero
7
Silent
Cedars
Be Kind
Unsympathetic Parts 1 & 2
Fault
Distance
Cristina
Personality Girlfriend

Control
Satellite

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