Gelesen: August 2024


Manchmal ist mein "Gelesen" auch ein "Gehört", weil ich auch viele Bücher anhöre - in diesem Monat handelt es sich aber nicht einmal um ein Buch, sondern um einen Podcast: Ich hörte mir "Legion: House of Scam" an (was sowohl auf der ARD-Website als auch der Podcast-Plattform der eigenen Wahl möglich ist).

Man kann sich heute wohl kaum im Internet bewegen oder auch nur ein Mobiltelefon besitzen, ohne Scams ausgesetzt zu sein. Früher waren es hauptsächlich E-Mails, in denen man angeblich Geld geschenkt bekommen sollte, heute erhalte ich immer mal wieder WhatsApp-Nachrichten von meinen nicht existierenden Kindern oder suspekte Freundschaftsangebote via Facebook und LinkedIn.

Der ARD-Podcast widmet sich hauptsächlich dem Phänomen der "Love Scams", bei dem Personen eine Liebesbeziehung zu einem echten Menschen vorgegaukelt wird. Der vermeintliche Partner gerät dann entweder in eine finanzielle Notlage oder aber hat einen ganz tollen Anlagetipp - in jedem Fall bezahlen die Opfer erstaunlich häufig viel Geld, bevor sie irgendwann erkennen, dass sie ausgenommen wurden.

Der Podcast erzählt zunächst die Geschichte einer Rentnerin, die einem auf einer Dating-Plattform kennengelernten Mann mehrere zehntausend Euro schickte, wofür sie sogar einen Kredit aufnehmen musste. Er schwenkt anschließend ziemlich bald um auf die Gegenseite und erzählt von "Scam-Fabriken" in Myanmar und auf den Philippinen. Hier sitzen die Personen, die in Wirklichkeit die Nachrichten der fiktiven Internetbekanntschaften schreiben - und die häufig selbst ausgebeutete Gefangene sind, die mit falschen Versprechungen in Bürogebäude gelockt wurden, die gleichzeitig Gefängnisse sind.

Dass also an beiden Enden der digitalen Kommunikation Scam-Opfer sitzen, ist eine erschütternde Erkenntnis des Podcasts. Eine weitere ist, dass sich rund um das eigentliche Love Scamming eine ganze Servicebranche entwickelt hat: Auf Telegram kann man sich ganze Fotopakete und Lebensgeschichten fiktiver Personen kaufen, mit denen man dann ohne eigene Vorbereitungsarbeit sofort eine fremde Identität  vorspiegeln kann. Und auch, wenn irgendwo eine Postadresse benötigt wird, weil das Scam-Opfer dem vermeintlichen neuen Freund ein Geschenk schicken möchte, existieren Dienstleister, die solche Sendungen annehmen und für die Dankes-Mail fotografieren können.

Bei der Durchleuchtung der eigentlichen Hintergrundpersonen, also denen, die letztlich das Geld bekommen, wird die Geschichte verständlicherweise etwas schwammig: Anscheinend werden die meisten Scam-Operationen von Chinese betrieben, und es besteht eine starke Nähe zu sowohl virtuellen als auch physischen Casinos, die als Geldwäsche-Einrichtungen dienen und es auch ermöglichen, große Summen problemlos über Landesgrenzen zu transportieren.

Insgesamt kein Podcast, der die eigene Laune verbessert, aber ein sehr interessanter Blick aufs organisierte Verbrechen im digitalen Zeitalter.


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