One Night in Brussels (1): Bloc Party im Brüsseler Forest National

by - Oktober 24, 2018


Letzte Woche hatte ich Geburtstag und bin nun... noch älter. Mein Freund beschenkte mich unter anderem mit einer Kurzreise nach Brüssel, die gleichzeitig, wie passend angesichts des Geburtstags-Leitmotivs "älter werden", eine Zeitreise werden sollte: Bloc Party präsentieren aktuell im Rahmen einer Mini-Tournee mit nur sieben Konzerten in Europa ihr Album "Silent Alarm" von 2005.


Das Vorst National entpuppte sich als große Halle mit zwei Stockwerken voll Tribünen-Sitzplätze, die einen ebenfalls nicht kleinen Steh-Innenraum umrahmten - Kapazität: 8.400. Die Nachfrage nach den Konzertkarten war in Brüssel offensichtlich geringer gewesen als erwartet, der oberste Rang war abgehängt. Auch der Innenraum war eine halbe Stunde nach Einlassbeginn noch quasi leer, so dass wir noch problemlos Stehplätze direkt vor der Bühne ergattern konnten. Die noch recht lange Wartezeit wurde uns durch sehr merkwürdige Konservenmusik verkürzt, die unter dem Motto "verdient vergessen" zu stehen schien: Wir hörten so beispielsweise "How Bizarre" (1996), "Sleeping Satellite" (1992), "Drinking in L.A." (1997) und "Mmm Mmm Mmm Mmm" (1993) - und schlossen Wetten ab, welche One Hit Wonder wir noch zu hören bekommen würden.

Als Vorband hatten sich The Middle Kids angekündigt, eine junge Band aus Sydney. Viel habe ich zu diesem Auftritt nicht zu sagen: Das erste Lied gefiel mir gut, der Rest erschien mir belanglos, aber störte auch nicht.


Von Bloc Partys Originalbesetzung ist neben Kele Okereke nur noch der Gitarrist Russell Lissack übrig geblieben. Justin Harris und Sarah Jones sind erst seit 2015 mit von der Partie. Alle Bandmitglieder scheinen ins selbe Fitnessstudio zu gehen, zumindest wirkten sie recht durchtrainiert, allen voran Kele selbst und die Schlagzeugerin. Kele trug anfangs eine sowohl zu seiner Muskelmasse als auch zu den 90er Jahre Liedern der Wartezeit passende Trainingsjacke.


Aktuell ist es ja nicht ganz unüblich, dass bei Konzerten ganze Alben präsentiert werden - letztes Jahr sahen wir beispielsweise, wie U2 mit "The Joshua Tree" auftraten. Doch als Kele und Co. die mit Bannern des Plattencovers dekorierte Bühne betraten, überraschten sie uns damit, dass es nicht etwa mit "Like Eating Glass", dem ersten Lied der Platte, losing - sondern mit dem eher ruhigen "Compliments", dem letzten. Tatsächlich wurde das Album komplett in umgekehrter Reihenfolge gespielt, was sicherlich daran lag, dass so Hits wie "Banquet" und "Helicopter" erst gegen Ende kamen - so herum funktionierte die Dramartugie einfach besser.

Der Zuschauerraum hatte sich zwischenzeitlich zumindest so weit gefüllt, dass er nicht peinlich wirkte und Kele anerkennend sagen konnte, wir seien ja ganz schön viele. Überhaupt wirkte der Bloc Party-Sänger sehr gut aufgelegt und regte vielfach zum Mitsingen an.


Das Publikum war seinerseits auch von Anfang an höchst begeistert: Ich war sehr froh, nicht zwei Meter weiter links zu stehen, wo sich ein schwitziger Moshpit bildete. Und während wir uns anfangs noch gewundert hatten, dass vor der Bühne sieben bis acht Security-Leute standen und das Publikum beobachteten, wurde der Grund schnell klar: Crowdsurfing ist in Belgien anscheinend noch erlaubt, und viele Besucher ließen sich freudig nach vorne durchreichen, wo sie von den gut organisierten Security-Leuten aufgefangen und ihrereWege geschickt wurden. Eine Frau und einen Mann sahen wir so insgesamt drei mal - nachdem ein oberkörperfreier, glitschiger Mann vorne angekommen war, zogen die Auffänger schnell Handschuhe an.


Allzu schnell war "Silent Alarm" durchgespielt, die Band verließ die Bühne. Das jubelnde Publikum skandierte statt des üblichen "one more song!"s einfach gleich "ten more songs!" und ließ die Band schon bald zurückkehren, wobei Kele quasi als Antwort mit den Fingern die Zahl Sieben anzeigte.

Als nächstes hörten wir das von mir sehr geschätzte "Two More Years", das ursprünglich nur als Single veröffentlicht wurde, aber auf der Re-Release von "Silent Alarm" enthalten ist. Anschließend folgte mit "The Marshals Are Dead" eine Rarität - das Lied erschien 2004 auf der "Bloc Party" EP und Kele kommentierte, es sei für die echten Fans - zu denen ich in diesem Ausmaß wohl mal wieder nicht gehörte, denn ich kannte es genauso wenig wie das nun folgende "Little Thoughts" von der gleichnamigen EP. Bei "The Prayer" vom zweiten Album "A Weekend in the City" konnte dann auch ich wieder mitreden.


Nach großzügigem Einsatz von zwei Konfettikanonen, die den Saal in ein Schneegestöber tauchten, folgte nach kurzer Pause eine zweite Zugabe. Diese enthielt noch neuere Songs, wobei wir als Fans der ersten beiden Alben eher mit Sorge sahen, wie ein Keyboard auf die Bühne getragen wurde und Kele sich keine Gitarre mehr umhängte. Auf "The Love Within" von 2016 folgten noch "Octopus" von 2012 und schließlich "Flux" von 2006 - damit waren dann sämtliche Alben bis auf "Intimacy" berücksichtigt, und ein weiteres Konfettifeuerwerk schloss den Abend ab.


Das ausgesprochen begeisterte Publikum hatte vor der Bühne wilde Tanzorgien gefeiert, die Ordner mussten es nach einer gewissen Zeit auch aufgeben, Zuschauer zu ermahnen, die sich gegenseitig auf die Schultern nahmen, und sich voll aufs Auffangen der Crowdsurfer konzentrieren. Ein extrem ausgelassener Abend, der auch mir sehr gut gefiel. Zu einer "A Weekend in the City"-Tournee in zwei Jahren wäre ich wieder mit von der Partie.

Setliste:

Compliments
Plans
Luno
So Here We Are
Price of Gasoline
The Pioneers
This Modern Love
She's Hearing Voices
Blue Light
Banquet
Positive Tension
Helicopter
Like Eating Glass

Two More Years
The Marshals Are Dead
Little Thoughts
The Prayer

The Love Within
Octopus
Flux

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