Neulich nicht beim Cologne Popfest: Slowdive im Wiesbadener Schlachthof



Obwohl wir Slowdive erst vor gut einem Jahr in Köln gesehen hatten, sollte man keine Chance ungenutzt lassen, um die Shoegaze-Helden bei ihren beeindruckenden Konzerten zu bestaunen. Wir hatten erst kurzfristig unsere Tickets gekauft, da wir eigentlich den Freitagabend bereits beim Cologne Popfest verbringen wollten, aber dazu in einigen Tagen mehr (da hierzu auch noch ein ausführlicher Bericht folgen wird, hat diesen Bericht zu 98% mein Freund geschrieben, quasi als Gastbeitrag).
 



Im Vorprogramm hatten Slowdive eine US-amerikanische Band namens Drab Majesty mitgebracht, die vor einigen Jahren auch schon mit ihnen durch die USA getourt waren. Man kennt sich also, was sich auch daran zeigte, dass Rachel Goswell von Slowdive auf "Vanity", zu finden auf der aktuellsten Veröffentlichung von Drab Majesty, zu hören ist. Wir fragten uns im Vorfeld, ob sie zu dem Song möglicherweise auf die Bühne kommen würde, um ihn gemeinsam vorzutragen. Doch die Hoffnungen waren gering, denn bereits 2016 hatten wir beim Best Kept Secret Festival vergeblich auf einen möglichen Gastauftritt der Slowdive-Sängerin beim Konzert der Editors gehofft.
 



Die Bühne betraten um 20 Uhr Andrew Clinco (Gesang, Gitarre) und Alex Nicolaou (Synthesizer, Gesang), die sich bei Drab Majesty Deb Demure und Mona D. nennen. Sie waren uniform gekleidet (schwarze Anzüge und weißes Hemd mit Krawatte), hatten ihre Gesichter silbern geschminkt und trugen Sonnenbrillen mit Seitenschutz und weiße Perücken. Überraschenderweise waren sie bei weitem nicht die einzigen Personen im nahezu ausverkauften (und keineswegs hellen) Saal mit Sonnenbrillen. Da wirkte das frühsommerliche Wetter in Wiesbaden wohl noch nach. Die Anonymität des Auftritts ließ uns ein wenig an das von uns besuchte Konzert von Jonathan Bree denken.




Auf Drab Majesty wurde nicht nur auf den Tickets ausdrücklich und auffällig hingewiesen, auch durfte das Duo 45 Minuten spielen und während des Konzertes die Leinwand mit bunten Animationen füllen, was recht ungewöhnlich für eine Vorband war. Sie präsentierten zu Beats aus dem Drumcomputer eine zu ihren Outfits passende emotionslose Mischung aus 80er Jahre Darkwave und Gothic Rock, den sie selbst als "Tragic Wave" bezeichnen. Unter den 7 Songs (plus kleinem Zwischenspiel) befand sich zwar ein Lied aus der aktuellen EP "An Object In Motion", jedoch nicht das erhoffte "Vanity". Somit gab es also, wenig überraschend, erneut keinen Gastauftritt von Rachel Goswell. Dieser hätte einen etwas monotonen Auftritt, der jedoch von vielen sehr positiv aufgenommen wurde, auf jeden Fall aufgewertet.

Clinco bedankte sich beim Publikum zum Ende hin mit dem aus "Star Trek" bekannten Gruß der Vulkanier. Verdeckten die Perücken des Duos etwa spitze Ohren? Vielleicht sind wir da etwas ganz Heißem auf der Spur...
 
Setliste:
 
Dot in the Sky
Oxytocin
Foreign Eye
Interlude
Ellipsis
Long Division
Cold Souls
The Skin and the Glove
 
 



Slowdive betraten um 21:15 Uhr die Bühne und blieben dort für etwas mehr als 90 Minuten. Sie befinden sich immer noch auf der Tournee zu ihrem 2023 veröffentlichten Album, haben den Anteil der Songs aus "Everything Is Alive" aber seit dem Konzert in Köln reduziert: "Skin in the Game" und "The Slab" werden derzeit nicht gespielt, so dass nur "Shanty", "Chained to a Cloud" und "Kisses" von diesem Album gespielt wurden. Da eine Slowdive-Setliste offensichtlich aus 16 Songs bestehen muss, rückten für uns "No Longer Making Time" und "Machine Gun" nach.
 
Das Quintett ist erst seit einigen Tagen wieder in Europa unterwegs und hat lediglich eine Feinjustierung an ihrem Programm vorgenommen: So wird das Konzert wieder durch "Avalyn" eröffnet und der Hauptteil durch "Golden Hair" beschlossen.
 



Apropos: Rachel Goswell trägt ihre Haare aktuell wieder etwas länger und lockiger, die schwarze Farbe ist daraus gewichen, so dass die Frisur gut zu diesem Song passte. Dazu trug sie in Wiesbaden ein asymmetrisches schwarzes Kleid in Goth-Optik und reichlich Schmuck, ihre Federboa hatte sie nicht dabei. Zwei ihrer vier Jungs (Neil Halstead (Gesang, Gitarre) und der Schlagzeuger Simon Scott)) würden optisch in keiner US-amerikanischen Truckerkneipe negativ hervorstechen. Während Christian Savill (Gitarre) am Bühnenrand recht unauffällig agierte, versucht Nick Chaplin, seinen Bass noch niedriger zu hängen als Simon Gallup von The Cure. Dazu und zu einem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde fehlen ihm aber noch ein paar Zentimeter.
 



Nachdem die ersten Songs ("Avalyn", "Shanty" und "Star Roving") viel umjubelt waren, präsentierten Slowdive mit "Catch The Breeze", zu dem auch Rachel Goswell zur Gitarre griff, den vielleicht lautesten Song des Abends. "Chained To A Cloud" sollte das einzige Lied sein, bei dem sowohl Goswell als auch Chaplin an elektronischen Tasteninstrumenten standen. Alle Songs wurden mit Videoanimationen (häufig geometrische Muster) begleitet, die vielfach so grell und bewegt ausfielen, dass ich als in diesen Dingen empfindliche Person nicht hinsehen konnte.
 
Als redselig sind Slowdive nicht bekannt: Neil Halstead bedankte sich einmal auf deutsch und fragte uns gegen Ende des Auftritts, wie es uns geht, Rachel Goswell bedankte sich wiederholt für den reichlichen Applaus. Recht spät im Set merkte sie an: "I recognise a few faces from the other night" - die Betroffenen im Publikum jubelten, lustigerweise hob auch der Bassist Nick Chaplin seine Hand.
 



Freunde des Albums "Souvlaki" kamen am Ende des Konzertes voll auf ihre Kosten: Im Hauptteil wurden "Alison" und "When the Sun Hits" gespielt, bevor das Cover von Syd Barretts "Golden Hair" diesen abschloss. Dazu wurde auf der Leinwand ein Bild des jungen Pink Floyd-Mitbegründers eingeblendet und später psychedelisch verfremdet. Rachel Goswell verließ nach ihrem Gesangspart die Bühne, während ihre Mitmusiker für noch fünf Minuten den Song lärmig anwachsen ließen, so dass er in dieser Hinsicht "Catch The Breeze" in nichts nachstand. Als die restliche Band die Bühne verließ, wurde ein Bild des alten Syd Barrett eingeblendet.
 
Die Zugabe bestand aus drei Songs, alle von "Souvlaki": Nach "Machine Gun" folgte das ruhige "Dagger", das besonders viel Applaus erhielt, "40 Days" schloss traditionell den Auftritt ab.




Normalerweise sind bei Konzerten von Bands aus den 1990er Jahren wir alten Leute ja eher unter uns, und man konnte auch zahlreiche grauhaarige Menschen in Slowdive-Shirts sehen. Diese (und wir) verschwanden in der Wahrnehmung aber beinahe angesichts der Massen von jungen Fans, die vielfach Outfit-technisch perfekt im 80er- oder 90er-Jahre-Stil gekommen waren. Slowdive sind definitiv eine Band, die nicht nur die Menschen anspricht, die sie ohnehin immer mochten.



 
Setliste:
 
Avalyn
Shanty
Star Roving
Catch the Breeze
No Longer Making Time
Crazy for You
Souvlaki Space Station
Chained to a Cloud
Kisses
Sugar for the Pill
Alison
When the Sun Hits
Golden Hair (Syd Barrett cover)
 
Machine Gun
Dagger
40 Days

 
 
     

Kommentar veröffentlichen

0 Kommentare