Im Sommer 2020 erkundeten mein Freund und ich - pandemiebedingt - einen Tag lang die Eifel. Der damalige Beitrag endete mit Plänen für mehr solche Ausflüge, aber es kam nie dazu. Als wir nun im Oktober beide gleichzeitig eine Woche frei hatten, schlug ich einen Ausflugstag wieder in der Eifel vor - allerdings fiel mir anschließend die Entscheidung schwer, wo ich eigentlich hin wollte. Damals waren wir im Hochsommer unterwegs gewesen, diese Mal war es Herbst - und es deutete sich bereits an, dass die besagte Woche tendenziell grau und regnerisch sein würde. Das Erforschen von Burgen, Fachwerkdörfern oder Maaren würde im Nieselregen wohl eher wenig Spaß machen.
Mein Freund fand letztlich die Lösung: In Bad Neuenahr Ahrweiler befindet sich nämlich der sogenannte Regierungsbunker, der einst als Fluchtmöglichkeit für die damalige Bonner Regierung angelegt wurde. Dieser ist nur im Rahmen einer Führung zugänglich. Am Abend vor unserem Ausflug kaufte ich uns noch Plätze für diese wetterunabhängige Aktivität, und wir waren gespannt, was wir erleben würden.
Die Idee, vorab Tickets zu buchen, erwies sich als richtig - zumindest für die von uns anvisierte Führung gab es vor Ort keine Plätze mehr, der Bunker war sehr gut besucht. Vor Beginn der eigentlichen Führung wurde man in einen Warteraum geführt, in dem man sich anhand von Filmaufnahmen und Aushängen schon einmal grundsätzlich über den Bunker informieren konnte. Dabei wurde deutlich, dass die Anlage einst riesig gewesen war - der gesamte Tunnel umfasste über 17 Kilometer - dass heute aber nur noch 200 Meter erhalten sind. Nachdem wir nun die Basisfakten zur Geschichte bereits kannten, zweifelte ich daran, dass man mit dieser kleinen Strecke volle 90 Minuten Führung füllen konnte - und lag mit dieser Einschätzung ordentlich daneben.
Die heutige Dokumentationsstätte Regierungsbunker wird vom Heimatverein Alt-Ahrweiler e. V. verwaltet, der auch die Führungen durchführt. Zunächst bekamen wir einige Details zur Vorgeschichte des gewaltigen Tunnels: Dieser war bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Bahntunnel gebaut worden, aber nie in Betrieb genommen worden - letztlich wurden darin Champignons gezüchtet. Im Zweiten Weltkrieg mussten hier Zwangsarbeiter unter furchtbaren Bedingungen für die Rüstungsindustrie arbeiten.
Nach dem Krieg wurde Deutschland 1955 Mitglied der NATO. Zu deren Bedingungen gehörte, dass ihre Mitglieder einen Ausweichsitz für die wichtigsten Regierungsmitglieder bereitstellten, an den sich diese im Fall eines atomaren Angriffs zurückziehen konnten. Das verlassene Tunnelsystem befand sich nahe genug an der Bundeshauptstadt Bonn, um als geeignet erachtet zu werden. Konkret sollte die Anlage in Ahrweiler insgesamt 3000 Personen für 30 Tage aufnehmen können. Dabei sollten allein für eine Weiterregierung Deutschlands relevante Personen berücksichtigt werden, nicht aber deren Partner oder Familien.
Verschiedenes erschien sicherlich auch damals nicht ganz durchdacht an dem Konzept: Beispielsweise basierte die gesamte Planung darauf, dass die Bunker-Insassen genau die geplanten 30 Tage überleben sollten - keinen einzigen mehr. Je nach Verseuchungsgrad der Außenwelt hätte der Bunker ihren Tod also gerade einmal für einen Monat hinausgezögert.
Noch deutlich problematischer ist die Erkenntnis, dass alle Berechnungen hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit des Bunkers an der "Hiroshima-Bombe" ausgerichtet wurden - bereits bei Baubeginn 1960 entsprach diese aber nicht mehr dem Stand der Waffentechnik. Gegen zeitgemäße Bomben hätte der Bunker nicht ausreichend Schutz bieten können, sein Bau wurde aber aus politischen Gründen weitergeführt.
Hinzu kommt die Information, dass der Bau und später die Existenz und der Standort des Regierungsbunkers natürlich extrem geheim waren. Man betrieb viel Aufwand, um beispielsweise die Funksignale aus dem Inneren so umzuleiten, dass sie von einem 30 Kilometer entfernten Ort zu stammen schienen, und baute Kulissen, die bei eventuellen Fernsehübertragungen der Regierung den Eindruck vermittelt hätten, man befände sich noch in Bonn. Allerdings war die DDR über Spione bereits in der Bauphase über alle Einzelheiten informiert.
Und zuletzt wurde im Rahmen unserer Führung auch erläutert, dass das erdachte System, mit dem die potenziell strahlenversuchte Luft gereinigt und dem Bunker zugeführt werden sollte, im Ernstfall nicht wie erhofft funktioniert hätte - die Insassen des Bunkers wären der Strahlung über die Atemluft ausgesetzt gewesen.
Umso besser also, dass der Bunker nach seiner Vollendung 1972 nie eingesetzt werden musste. Allerdings waren hier bis zu seiner Aufgabe Ende der 1990er Jahre 180 Personen dauerhaft beschäftigt, um ihn in drei Schichten rund um die Uhr einsatzbereit zu halten, Sie alle wurden verbeamtet, um sie zum Schweigen verpflichten zu können.
Die ursprünglichen Eisenbahntunnel waren horizontal zweigeteilt worden, so dass zwei Stockwerke entstanden, zusätzlich waren zahlreiche "Seitenäste" gebaut worden. Zwischen den ursprünglich zwei Tunneln hatte man eine Verbindung gegraben. Eine Trinkwasserversorgung, eigene Stromerzeuger, Luftfilter und Vorräte sowie Küchen, und eine Krankenstation ermöglichten den Aufenthalt ohne Kontakt nach draußen. Ein Fernsehstudio hätte Reden an die Nation nach draußen übertragen können - damit Regierungsmitglieder dafür gepflegt aussahen, stand sogar ein kleiner Friseursalon bereit.
Zum Einsatz kam all das letztlich nur im Rahmen von Übungen: Alle zwei Jahre, von 1968 bis 1989, fanden hier die NATO-Übungen WINTEX statt, bei denen Abteilungsleiter der Ministerien die Minister, Bundeskanzler und Bundespräsident vertraten und den Ernstfall simulierten. Dabei war man, wie es auch im Angriffsfall gewesen wäre, im Bunker eingeschlossen, so dass beispielsweise die (Zahn-)arztpraxis mit ihrer spartanischen Ausstattung bei solchen Übungen zum Einsatz kam. Auch die fünf Küchen, die jeweils 600 Personen versorgen konnten, fanden zumindest bei diesen Gelegenheiten Verwendung.
Luxuriös war die Ausstattung des Bunkers absolut nicht: Abgesehen von Bundeskanzler und Bundespräsident mussten alle Insassen in winzigen Viererzimmern mit Stockbetten übernachten, die Waschräume wurden ebenfalls geteilt - nur dem Bundespräsidenten stand eine eigene Badewanne zur Verfügung. Auch dessen Zimmer war darüber hinaus aber extrem spartanisch eingerichtet.
Der Führer erzählte bei dieser Gelegenheit, dass der ehemalige Bundespräsident Köhler einmal mit seiner Frau an einer Führung teilgenommen habe. Diese habe verwundert gefragt, wie sie in dem sichtbar schmalen Bett Platz finden sollte - und war tief getroffen von der Erklärung, dass ihre Anwesenheit im Ernstfall überhaupt nicht vorgesehen gewesen war.
Mit Ende des Kalten Krieges und dem Umzug der Bundesregierung nach Bonn wurde der Regierungsbunker überflüssig, zumal mittlerweile noch klarer war, dass ein Atomschlag mit zeitgemäßen Waffen jede Form von Bunker zerstören könnte. Die Bundesrepublik inserierte den Bunker, konnte aber niemand finden, der an einer Nutzung interessiert gewesen wäre. Champignons waren mittlerweile ein alltägliches Gemüse geworden, dessen Anbau sich nicht mehr getragen hätte, die Winzer des Ahrtals zeigten auch kein Interesse an zusätzlichen Lagerungsmöglichkeiten für ihren Wein. Andere Ideen wie die, einen Nachtclub oder auch ein Rechenzentrum einzurichten, erwiesen sich als nicht realistisch.
Letztlich musste der Großteil der Anlage auf Kosten des Staates von 2001 bis 2006 zurückgebaut werden - die Tunnel so, wie sie waren, sich selbst zu überlassen, hätte beim Verrotten der verwendeten Materialien das Grundwasser vergiftet. Und so endete unsere Führung an der Stelle, wo der als Museum erhaltene Teil des Regierungsbunkers in den nun nackten, schier endlos aussehenden Betontunnel überging.
Alle Details rund um die Geschichte des Bunkers erwiesen sich als äußerst interessant, und ich bekam den Eindruck, dass unser Führer sich regelrecht zurücknehmen musste, um das für uns reservierte Zeitfenster nicht zu überschreiten. Insbesondere interessant sind natürlich die erhaltenen Räume, die eine Zeitreise in die 1960er Jahre ermöglichen und einen echten Eindruck vermitteln, wie es damals im Bunker aussah.
Das Prunkstück dieser erhaltenen Räume stellt sicherlich die "Kommandozentrale" dar, die rund um die Uhr besetzt gehalten wurde und überwachen sollte, falls irgendwo eine Störung auftrat. Die Konsolen mit all den Knöpfen wirkten, als könnten sie auch in einer Raumfahrtserie aus derselben Zeit vorkommen - oder in einem Wes Anderson-Film.
Auf Fotos wurde uns gezeigt, dass die beiden Mitarbeiter, die sich hier aufhielten, ihren Dienst so langweilig fanden, dass sie für ein wenig Unterhaltung in einer Ecke ein Aquarium aufstellten. Manche anderen Einrichtungsgegenstände konnte man auch nur noch auf Fotos bewundern, so etwas einen sher schicken Plenarsaal für Regierungssitzungen.
Tief beeindruckt war ich auch von den gewaltigen, 25 Tonnen schweren Türscheiben, die im Ernstfall die Tunnelenden innerhalb von zehn Sekunden verschließen konnten. Ich leide normalerweise nicht unter Klaustrophobie, aber die Vorstellung, in einer derart abgeschlossenen Röhre zu leben, löste bei mir deutliche Beklemmungsgefühle aus.
Als etwas störend empfanden wir die an einigen Stellen aufgehängten Bilder und Kunstobjekte aus neuerer Zeit, die sich so gar nicht in ihre Umgebung einfügen wollten. Nichtsdestotrotz war der Besuch äußerst beeindruckend und ist aus meiner Sicht für jeden empfehlenswert.
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