Gekauft: September 2020
Anfang des Jahres war die Welt bekanntlich noch eine ganz andere - immer wieder denke ich beispielsweise kopfschüttelnd daran, dass ich Ende Januar noch beruflich für ein paar Tage in New York war - das dürfte eine der letzten Geschäftsreisen meiner Abteilung bis heute gewesen sein. Von Corona wusste man damals natürlich auch schon, nicht aber, dass es außerhalb Chinas zu echten Einschränkungen des Alltagslebens kommen würde.
Unter denselben Vorgaben widmete ich mich im Februar dann auch meiner Urlaubsplanung: Auf eine vierte Wanderreise auf den britischen Inseln hatte ich wegen der dortigen politischen Atmosphäre aktuell wenig Lust, erwägte Südtirol und entschied mich schließlich für den Gardasee. Mit meiner BahnCard 100 würde ich über München sehr günstig fast bis zum See fahren können, vorangegangene Urlaube in der Gegend hatte ich in positiver Erinnerung, und Sonne und See im Herbst klang nach einem attraktiven Plan.
Dann kam natürlich der Corona-Lockdown, und insbesondere Norditalien litt extrem. Immer wieder rechnete ich damit, dass die für Ende September angesetzte Reise abgesagt werden würde und machte mir auch ein wenig Sorgen um meine Anzahlung - Reiseveranstalter trugen dieses Jahr schließlich ein großes Insolvenzrisiko. Im Juli konnte ich an meinem ersten Urlaub des Jahres, einer Dänemarkreise, beinahe ohne Einschränkungen teilnehmen, aber seit Ende der Schulferien stiegen europaweit wieder die Ansteckungszahlen, der Gesundheitsminister sagte zwischenzeitlich, man solle in den Herbstferien doch einfach mal einen Urlaub in Deutschland planen und ich fragte mich immer wieder, ob ich diese Italienreise überhaupt noch machen wollte.
Anfang September kam dann Post vom Veranstalter meiner Gruppen-Wanderreise: Statt der erwarteten Absage informierte man mich über einen Hotelwechsel, da das ursprünglich gebuchte Hotel in Torbole dieses Jahr - sicher wegen Corona - keine Halbpension anbietet. Kurz erwägte ich, ob diese Änderung nun eine kostenfreie Stornierung meinerseits rechtfertigte, blieb aber letztlich bei der Buchung. Und so machte ich mich am letzten Samstag des Septembers relativ unentspannt auf, Richtung Italien.
Meine BahnCard 100 habe ich übrigens bereits seit Mai nicht mehr, dennoch standen erst einmal zehn Stunden Zugfahrt mit Maske an, auch das hatte ich mir bei der Buchung natürlich anders vorgestellt. Der Eurocity von München nach Bologna, mit dem ich bis Rovereto fuhr, durchfuhr eine zunehmend alpiner wirkende Landschaft, bis es am Brenner dann ausgesprochen winterlich wurde - in Höhe des Zuges lag bereits eine beachtliche Schneeschicht, und mehrere Urlauber in meiner Umgebung fragten sich, wie ich auch, ob sie eventuell völlig falsch gepackt hatten.
Zumindest diese Sorge erwies sich als unbegründet, in Italien wurde der Schnee wieder weniger und verschwand bald völlig. Von Rovereto aus wurde ich mit einigen anderen Reisenden direkt nach Riva del Garda, wo sich das neue Hotel befand, gefahren. Im Dunkeln konnte man einen ersten Blick auf den Gardasee erhaschen (das Hotel lag direkt am Ufer) - immer wieder schön.
Die Corona-Maßnahmen in Italien entsprechen in etwa denen in Deutschland (Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in den meisten Innenräumen, Abstandsregelungen, überall steht Handdesinfektionsmittel zur Verfügung) und werden von der Allgemeinheit genauso gut oder schlecht eingehalten. Mein Hotel hatte die aus meiner Sicht ungewöhnliche Entscheidung getroffen, das Frühstücksbüffet wie gewohnt aufzubauen (ich hatte mit Am-Tisch-Service gerechnet), allerdings musste sich Gäste, wenn sie sich etwas holen wollten, jedes Mal kleine Plastikbeutel über die Hände stülpen.
Das Abendessen dagegen wurde an den Platz gebracht. Die 18-köpfige Reisegruppe saß dabei an kleinen Vierertischen, so dass ich mich bereits am ersten Abend mit den Gedanken abfand, dass, falls jemand bereits Corona-infiziert angereist war, diese Person mit Sicherheit alle anderen anstecken würde. Zum Glück scheint das nicht der Fall gewesen zu sein.
Der Rest meiner Reise verlief durchaus normal und machte mir auch Freude. Das Ersatzhotel konnte mir hinsichtlich vegetarischen Essens nicht sonderlich viel Abwechslung bieten, dafür hatte ich ein wirklich schönes Zimmer mit Blick auf dem See und das offensichtlich schon recht alte Hotel versprühte ein wenig den Luxus vergangener Zeiten. Zumindest ich fand es bei Temperaturen um 18 Grad zu kalt, um zu baden, aber mehrmals konnte man immerhin im T-Shirt auf einer sonnigen Terrasse einen Kaffee genießen.
Die Wanderungen führten zunächst in die direkte Umgebung Rivas auf die Berge in der Nachbarschaft, den Monte Brione und zu einer Burgruine direkt bei Torbole. Schon bei diesen eher kleinen Wanderungen zeigte sich, dass die Erwartungen innerhalb der Reisegruppe recht unterschiedlich waren. Manche hatten ursprünglich andere Reisen gebucht, die abgesagt worden waren, und waren gar nicht sonderlich daran interessiert, täglich mehrere Stunden lang bergauf und bergab zu gehen.
Zur Wanderung des dritten Tages an den Tenno-See, einen strahlend grünen Bergsee im Hinterland von Riva, etwa 500 Meter über dem Gardasee, kamen noch alle mit. Dagegen machten wir den Ausflug zum Gipfel Mala Zurès, bei dem es größere Höhenunterschiede zu überwinden galt, dann nur zu sechst, während sich der Rest der Gruppe eine einfachere Strecke ausgesucht hatte. Die ohnehin eher anstrengende Wanderung endete mit dem Aufstieg von mehreren Treppen aus Stahl, die direkt an Felswänden entlang führten und ganz schön steil waren. Aber auch hier war der Blick auf den See traumhaft. Laut meinem Handy bin ich an diesem Tag 19 Kilometer gelaufen.
An einem anderen Tag ging es erst mit der Fähre nach Malcesine und von dort aus mit der Gondelbahn auf den Monte Baldo. Dessen langgestreckter Bergrücken verläuft parallel zum Ostufer des Sees, auf den man aus großer Höhe herabblicken kann. Der Berg ist auch bei Gleitschirmfliegern sehr beliebt, und es war spannend, sie dabei zu beobachten, wie sie sich auf ihre Sprünge vorbereiteten und dann zum See herabschwebten.
Nur einen richtigen Regentag hatte mein Italienurlaub, und den konnte auch ein Ausflug in den pittoresken Ort Limone am Westufer nicht retten: Bei Regen macht der Gardasee einfach keinen Spaß. Deshalb fiel die Abreise am nächsten Tag, die ebenfalls bei strömendem Regen stattfand, nicht allzu schwer - zumal ich hoffe, dass es kein Abschied für immer war.
Denn auch wenn man keine Originalitätspreise gewinnt, wenn man den Gardasee toll findet, muss ich doch sagen: Es ist eben auch sehr schön dort. Die Zypressen und die Olivenbäume schaffen eine mediterrane Atmosphäre auch ganz ohne Mittelmeer, der ruhige See ist gut für die Stimmung und die hohen Berge direkt am Seeufer schaffen ihre ganz eigene Atmosphäre. Angeblich gibt es hier ein ganz besonderes Licht, das ich so nicht wahrnehmen konnte, aber: Ganz besonders ist es hier auf jeden Fall.
Einen kleinen Meckerpunkt habe ich allerdings auch noch: Nachdem ich für diesen Blog ja die eine oder andere Eisdiele in Rom getestet hatte, war ich doch recht enttäuscht vom Angebot am Gardasee: Ich holte mir zweimal in Riva und einmal in Malecesine eine Eiswaffel, und nur die Eisdiele "Flora Downtown" in Riva fand ich qualitativ überhaupt erwähnenswert. Vielleicht kann ich, wenn ich Rentnerin bin, ja eine Gourmet-Eisdiele am Gardasee eröffnen...
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