Am Sonntag noch bei den Pet Shop Boys und am Dienstag dann bei The Jesus and Mary Chain? Wie passt das denn zusammen? Erstaunlich gut, denn mein Freund erzählte mir anlässlich der Kombination, er habe in seiner Jugend immer die "normale" Popmusik der Charts gehört - eben Pet Shop Boys und Konsorten - und habe sich dann in einer Woche des Jahres 1987, in der die Single "It's A Sin" der erstgenannten sich auf Platz 1 der deutschen Charts befand, im Plattenladen seines Vertrauens "Steves Musikladen" die gerade neu erschienenen Alben "Substance" von New Order und - genau - "Darklands" von The Jesus and Mary Chain gekauft. Der Plattenhändler habe diese Stiländerung besorgt mit "Was ist denn mit dir los?" kommentiert, aber wie man heute noch sehen kann: Man kann ja durchaus beides hören und mögen. "Darklands" gehört bis heute zu den Lieblingsalben meines Freundes.
Genau dieses Album "Darklands", erschienen also 1987, sollten The Jesus and Mary Chain an diesem Abend komplett spielen, da wollten wir natürlich anwesend sein. Dass wir Konzerte im dritten oder vierten Versuch besuchen, weil sie so oft verlegt wurden, ist aktuell ja fast normal, in diesem Fall war es aber sogar die fünfte Datumsänderung - Rekord! Ebenfalls rekordwürdig war die Anreisedauer meines Freundes, der dank eines komplizierten LKW-Unfalls auf der Autobahn für seine Anreise statt 50 Minuten 140 benötigte - die Vorband Suir verpassten wir somit komplett.
Immerhin versäumten wir aber - anders als letztes Jahr bei Hundreds, als wir gemeinsam ähnlich lange im Stau standen - nicht einmal den Beginn des Hauptacts. Und wir konnten sogar ziemlich weit vorne stehen, denn das Konzert war leider eher schlecht besucht. Während der kurzen Wartezeit erörtete ich mit meinem Freund, dass ich The Jesus and Mary Chain nun bereits dreimal gesehen hätte (2015, 2017 und 2018) und es ja immer irgendwie dasselbe sei: eine schlecht gelaunte Band, die sich im Nebelmaschinennebel so gut es geht unsichtbar macht und zwischen den Liedern wenig sagt. Insbesondere den 2018er-Auftritt beim Traumzeit-Festival hatte ich noch in Erinnerung, als Jim Reid wegen diverser Problemchen besonders schlecht drauf zu sein schien und ich hobbypsychologisch den Mangel an Nebel beim Draußenkonzert als Grund annahm.
Diese Theorie wurde nun widerlegt: Zwar wurde auch an diesem Abend Nebel verwendet, da aber jedes Bandmitglied über einen persönlichen Ventilator verfügte (angesichts der Kombination von warmem Sommertag und eher herbstlicher Kleidung sicher eine gute Idee), spielte dieser kaum eine visuelle Rolle. Dennoch entpuppte sich Jim Reid geradezu als gut gelaunte Plaudertasche und erklärte uns zunächst einmal den Ablauf: Die Band werde ihr Album "Darklands" nun komplett spielen, anschließend käme eine kleine Pause und dann noch ein Best-Of-Set. Völlig anders als 2015 beim Best Kept Secret-Festival, als das Vorgängeralbum "Psychocandy" ohne jeden Kommentar durchgespielt wurde!
Los ging es also mit dem Album, das insgesamt eher ruhig und tragend ist - nach einigen Songs bildete sich mittig vor der Bühne dennoch ein Mini-Moshpit aus Herren fortgeschrittenen Alters. Auf der Bühne war es, wenn schon der Nebel weitgehend fehlte, wenigstens ziemlich dunkel, das Album heißt ja auch nicht Lightlands. Ich hatte vorab bei Wikipedia gelesen, dass einige der Songs von "Darklands" in der aufgenommenen Version des Albums von William Reed gesungen werden und war gespannt, ob das live umgesetzt werden würde - wurde es nicht, William blieb in Sicherheit hinten rechts an seiner Gitarre, während Jim Reed alle Gesangsparts allein übernahm und dabei sogar ein bisschen Humor zeigte: Als er mitten im Album die Setliste auf dem Bühnenboden konsultieren musste, erklärte er, er könne sich nach all den Jahren immer noch nicht merken, in welche Reihenfolge die Lieder gehörten.
Bald erreichten wir das Ende des Albums, vor dem letzten Song "About You" erinnerte uns Jim Reed abermals, es gäbe nun eine kleine Pause, dann kämen aber noch weitere Songs. So war es dann auch, und während wir uns noch fragten, was man als Bandmitglied eigentlich mit einer 5-Minuten-Pause anfangen kann (William Reid kehrte immerhin mit Glas zurück, also reichte sie zum Getränke besorgen), ging es auch schon weiter. Jim Reid leitete diesen Teil ein mit den Worten "So here’s another bunch of songs that aren’t on "Darklands". You may enjoy them." Im Publikum war vorher einige Male "Louder!" gebrüllt worden, dieser Aufforderung kam die Band nun nach, und gleich zum ersten Song "Amputation" ließ es sich auch viel besser moshen als zu den bisherigen.
Auch der zweite Teil des Sets umfasste zehn Lieder. Allein vier der Songs stammten dabei vom Album "Munki", überraschenderweise wurde aber gar nichts vom Debüt "Psychocandy" gespielt. Das änderte sich im Zugabenteil. Ein bisschen hatten wir erwartet, dass die Reids für "Just Like Honey" eine weibliche Co-Sängerin präsentieren würden, wie wir das in Darmstadt und beim Traumzeit-Festival erlebt hatten - dem war an diesem Abend jedoch nicht so. Zum endgültig letzten Lied "Never Understand" wuchs auch der Mini-Moshpit auf etwa doppelte Größe an.
Wir hatten an diesem Abend also das zweite Greatest Hits-Set in drei Tagen gesehen, außerdem seit Suede im Mai zum zweiten Mal dieses Jahr ein Konzert, bei dem ein ganzes Album gespielt wurde (was wir nun auch sowohl bei Suede als auch The Jesus and Mary Chain je zweimal erlebt haben).
Setliste:
Deep One Perfect Morning
Happy When It Rains
Down on Me
Nine Million Rainy Days
April Skies
Fall
Cherry Came Too
On the Wall
About You
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