Men in Black: Sophia in der Frankfurter Brotfabrik

by - Mai 15, 2022


Auch in Frankfurt finden wieder Konzerte statt. Bei dem, das wir am vergangenen Donnerstag besuchten, herrschte allerdings Verwirrung, inwieweit es sich um einen Nachholtermin handelte: Sophia war ursprünglich für November 2020 und dann für den Mai 2021 im "Bett" angekündigt gewesen, im Rahmen der nun tatsächlich stattfindenden Tournee trat man aber fast genau ein Jahr später in der Brotfabrik auf. Der Veranstalter war derselbe - und beantwortete die Mail-Frage, wie es um die alten Tickets und ihre Gültigkeit stehe, leider nicht. Der Einlass der Brotfabrik war da pragmatischer: Wir hatten bezahlt, es war derselbe Künstler und dieselbe Stadt - da drückte man hinsichtlich Datum und Lokal ein Auge zu und ließ uns herein.



Nach wie vor gelingt es Bands offenbar häufig nicht, für ihre lang geplanten und dann irgendwann im x-ten Versuch doch stattfindenden Konzerte einen Support zu organisieren. Das gefällt mir ehrlich gesagt ganz gut, gerade unter der Woche ist man so früher im Bett, und soo toll sind die unfreiwillig mitbesuchten Bands ja meistens nicht - auch wenn es für die Künstler selbst natürlich schade ist.



Ich hatte bislang zwei sehr unterschiedliche Sophia-Konzerte besucht, beide ebenfalls in Frankfurt: Einmal eine sehr ruhige, intime und traurige Solo-Performance von Robin Proper-Sheppard in Rödelheim, einmal einen ausgesprochen rockigen Bandauftritt im Zoom. Im Vorfeld hatte ich meinem Freund gegenüber erwähnt, dass ich eher auf eine Wiederholung der "traurigen" Version hoffte, und er meinte, es werde aber wohl eher wieder laut, immerhin sei ja auch eine ganze Band dabei - und unterstützte diese Erwartung mit der Information, dass Robin Proper-Sheppard im Vorfeld Folgendes gepostet hatte:



Wir rechneten also, als wir den zu Beginn nur spärlich gefüllten Zuschauerraum betraten, mit ROCK in Großbuchstaben und hielten die Ohrenstöpsel bereit.

In der Tat hatte Robin Proper-Sheppard eine sechsköpfige Band dabei, die ausschleißlich aus sehr jung wirkenden Männern bestand, der Dresscode war offenkundig "schwarz". Neben den üblichen Positionen an Schlagzeug, Keyboard und Bass war einer der Herren hauptsächlich am Saxophon und einer mit einer Geige beschäftigt. Gesagt wurde zunächst nichts, erst nach dem ersten Song begrüßte uns Proper-Sheppard mit der Mitteilung, es gäbe heute zwei wichtige Mitteilungen von ihm: Erstens sei dieses Konzert der Tourauftakt, zweitens sei dies sein erster öffentlicher Auftritt mit Schnurrbart. Die Bandmitglieder hätten ihn darin bestärkt, letzteres zu versuchen, er ziehe aber in Betracht, dass sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machten.



Leider war der Musiker ansonsten eher weniger mitteilsam, so dass die Lieder - sechs davon stammten vom aktuellen Album "Holding On, Letting Go" - mit kurzen Applauspausen recht schnell weggespielt wurden. Zu meiner Erleichterung war der Gesamtsound, für den sich alle Bandmitglieder ordentlich ins Zeug legten  - gerade der Gitarrist, der direkt vor uns stand, hüpfte und wand sich, als gälte es, in jeder  Minute Engagement zu beweisen - aber bei weitem nicht so krachig wie befürchtet, und auch ausgesprochen ruhige Lieder hatten auf der Setliste Platz gefunden.

Selbige - also die Setliste - hatten wir vor Konzertbeginn fotografieren können, was aber wenig half, denn Proper-Sheppard meinte irgendwann spontan in die Runde, dass er jetzt "Desert Song" spielen wolle, wofür er offenkundig mindestens ein andere Lied überschlug. 




Den möglichen Grund erfuhren wir, als dann erstaunlich schnell der Zugabenteil erreicht zu sein schien (der letzte Song auf der eigentlichen Setliste, "There are no Goodbyes", war ebenfalls zunächst gestrichen worden). Proper-Sheppard zeigte nämlich seine linke Hand und erklärte, er habe während der langen Zwangspause das Gitarrespielen vernachlässigt, und nun sei die Haut überlastet und verletzt, das Spielen tue ihm weh. Die im Publikum aufkommenden Mitleidsgeräusche quittierte er allerdings mit einem ironischen Abwinken.

Trotz der Handschmerzen machte ihm das Konzert dann aber doch offensichtlich Spaß. Zuerst kündigte er zwei Zugaben an, von denen die erste das ausgelassene "There are no Goodbyes" war, anschließend folgte das durch einen Ruf aus dem Publikum gewünschte - und ebenfalls von der ursprünglichen Setliste gestrichene - "Ship in the Sand". Dann kam "I'd Rather", zu dem Proper-Sheppard erklärte, die Band übe es erst seit kurzer Zeit, und er wolle es nun lieber vor diesem offenkundig wohlgesonnenen Publikum ausprobieren als vor einem möglicherweise kritischeren. Außerdem gab es einen Seitenhieb Richtung Band: Die jungen Leute hatten sich nämlich nämlich anscheinend vor diesem Song noch mit einem ruhigeren aufwärmen wollen, was aus Sicht des Frontmanns wohl gar nicht notwendig gewesen wäre.




Bei all den spontanen Umplanungen verlor der Saxophonist kurz den Überblick - er verließ die Bühne bei einem Song, für den er nicht benötigt wurde, kehrte aber dann, als er wieder gebraucht wurde, versehentlich ohne sein Instrument zurück, was zu viel Gelächter auf der Bühne führte.

Im Anschluss folgten noch die beiden eigentlich geplanten Zugabesongs "Resisting" und "We See You (Taking Aim)", die uns dann ein doch noch sehr rockiges Finale bescherten. Etwas erstaunt waren wir nur über die im Vergleich zu den beiden früheren Konzerten auffällige Wortkargheit des Sängers - bei früherren Gelegenheiten hatte er quasi mit seinen Kommentaren durch die Songs geführt. Vielleicht hat ihn die Pandemie ja schweigsamer gemacht.


Setliste:

Strange Attractor
Undone. Again.
I Left You
If Only
Alive
Wait
Birds
Desert Song No. 2
Road Song
Oh My Love
So Slow
Bastards
It's Easy To Be Lonely

There Are No Goodbyes
Ship in The Sand
I'd Rather
Resisting
We See You (Taking Aim)

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