Neulich beim Tourauftakt: Enno Bunger im Koblenzer Circus Maximus


Koblenz ist von meinem Wohnort aus per Auto in 20 Minuten erreichbar, dennoch hatte ich in der Stadt noch nie ein Konzert besucht. Anlass genug, den Tourauftakt von Enno Bunger zu besuchen, denn näher an einem Enno-Konzert kann man wohl kaum wohnen - außer natürlich, er spielt gleich im eigenen Wohnzimmer, wie bei uns 2014.

Schon letztes Jahr hatte der Künstler beim Festspiel Knyphausen von der Bühne aus mitgeteilt, seine Solotour stünde unter dem Motto "Bis eine:r weint" - das gefiel ihm offenbar so gut, dass es für die nun startende Tour auch groß auf den Plakaten steht - und die Ankündigung passt natürlich auch wirklich gut zu seinem doch meist recht traurigen Songs.



Der Circus Maximus entpuppte sich als Kneipe mit kleinem Veranstaltungssaal im Keller (mit Staunen erinnerte ich mich daran, dass mein Freund hier einst die damals durchaus großen Bloc Party gesehen hatte), zu unsere Überraschung war der Raum bestuhlt. Nachdem das Konzert schon seit Längerem ausverkauft war, diente diese Ausstattung auch sicherlich nicht dazu, schlechte Kartenverkäufe zu tarnen (wie wir es manchmal schon in der Frankfurter Brotfabrik erlebt hatten). Voller als in unserem Wohnzimmer war es dennoch, über 100 Personen waren wohl anwesend.

Enno betrat mit Noel Gallagher-ähnlicher Pünktlichkeit um 19:15 Uhr die Bühne - wie schon bei Hamish Hawk 14 Tage zuvor war am Veranstaltungsort für den selben Abend noch ein weiteres Event geplant, weshalb man früh loslegte. Enno scheint aktuell Wert auf einfarbige Outfits zu legen - bei den letzten Auftritten hatten wir ihn in weiß gekleidet erlebt, heute war die schwarze Kombination an der Reihe. Er spielt die Konzerte der aktuellen Tour allein, hat aber einen Techniker zur Unterstützung dabei. 



Als erstes bekamen wir nach dem Opener "Weltuntergang" das Konzept der Tour erklärt - es handele sich um eine umgekehrte Version des Amazon-Formats "LOL", bei dem Comedians sich bemühen müssen, nicht über Auftritte ihrer Kollegen zu lachen. In unserem Fall würden Kameras beobachten, und das Konzert werde sofort beendet, wenn im Publikum die ersten Tränen flössen - "je früher ihr heimgeht, desto höher mein Stundenlohn!"

Außerdem erfuhren wir, dass das Konzert in thematische Blöcke aufgeteilt sei, nach den traurigen Liedern könnten wir uns auch noch auf einen politischen Teil freuen. Auf das eigentlich recht positive "One Life Stand" folgten dann auch zwei Songs vom Trennungsalbum "Wir sind vorbei" - zu "Regen" merkte er an, er habe absichtlich den "Hit" seiner Laufbahn recht früh im Set gespielt, damit diejenigen, die nur deshalb gekommen seien, auch schon gehen könnten. So habe er es mal bei einem Auftritt von Andreas Bourani gesehen, bei dem sich die Halle nach dessen Fußball-WM-Hit "Auf uns" um ein Drittel geleert hätte.



Nach seinen wohl traurigsten Songs "Konfetti" (Enno selbst meinte, das Lied über den frühen Tod der Frau seines besten Freundes sei für ihn immer schwer zu spielen) und "Ich sehe was, was du nicht siehst" endete der "deprimierende" Teil mit "Heute nicht" - Enno zeigte uns an diesem Punkt, dass er per Knopfdruck eine kleine "Nebelkanone" auf der Bühne bedienen konnte und ließ diese, nachdem er das Publikum nach dem Spielergebnis des Bundesligaspiels von Bremen gegen Dortmund gefragt hatte, dem Ergebnis entsprechend zweimal grün und zweimal gelb dampfen. 

Eine Art Ãœbergang bildete das  humorvolle "Niemand wird dich retten", bei dem wir über die gespielte Version abstimmen durften und uns für "lebhaft" entschieden - dann stiegen wir mit "Grasgelb" in den Politik-Teil ein. In den Song baute der Künstler dieses Mal ein paar Takte von John Lennons "Imagine" ein - und erzählte hinterher die Geschichte, die wir schon einmal letzten Sommer in Eltville gehört hatten: Schockiert darüber, dass ihn jemand in einem Internetforum als unerträglich brav bezeichnet hatte, habe er sich in einem Hotelzimmer in seiner Straßenkleidung einfach ins frische Bett gelegt - und das Ergebnis als "Gangster Nap" bezeichnet.



Zum Politik-Thema hörten wir auch das mir vorher unbekannte Lied "Weiter so", das vor der letzten Bundestagswahl komponiert wurde und die Politik der CDU kritisiert - stilistisch geht es eher in Richtung Kabarett. Zum Thema Politik kommentierte er auch aktuelle Äußerungen in den USA, dass die Welt mehr "Männlichkeit" brauche und schlug vor, dass Frauen zukünftig eine Frauengrippe bekommen könnten.

Den Abschluss bildeten "Neonlicht" und Hamburg" vom Album "Flüssiges Glück" - den erstgenannten Song bezeichnete Enno als "Indie Hit", weil er einmal im Rewe eingekauft habe, als dieser einfach so gespielt wurde. Den zweiten kündigte er an als Lied über eine Stadt, in der er lange gewohnt hätte (wir nahmen das als Hinweis dafür, dass er aktuell wohl nicht mehr in Hamburg lebt) und nannte den Song scherzhaft "Paderborn!".



Wir wurden nach diesem vorläufigen Ende eindrücklich aufgefordert, nach einer Zugabe zu verlangen, was wir sicherlich in jedem Fall getan hätten - und hörten noch "Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung" sowie das Freundschaftslied "Ponyhof". Zu diesem erwähnte Enno (wie auch bereits in Eltville), dass es sein Hochzeitsgeschenk für seinen Freund Nils gewesen sei, der Lehrer sei, und Lehrer seien ja so unermesslich reich, insofern sei der Song das einzige gewesen, das er ihm habe schenken können, das er nicht sowieso schon besaß. Im Kontext des Themas "Schule" erwähnte er außerdem, dass er an derselben Schule gewesen sei wie H.P. Baxxter von Scooter - dieser sei damals mit zwei Fünfen in Englisch und Musik sitzen geblieben. Er nahm das als Lehre: Kinder sollten sich ruhig karrieretechnisch auf die Dinge konzentrieren, in denen sie am schlechtesten seien.

Mit dem Koblenzer Publikum war Enno, der noch nie in der Stadt gewesen war, offenkundig zufrieden. Und auch ich fand den Konzertabend wieder sehr gelungen - obwohl es bereits unser 11. Enno Bunger-Konzert war.



Setliste:

Weltuntergang (Alles hört auf) 
One Life Stand 
Regen
Abspann
Astronaut
Konfetti
Ich sehe was, was du nicht siehst
Heute nicht 
Niemand wird dich retten 
Grasgelb
Kein Mensch startet einen Krieg
Weiter so!
Kalifornien
Neonlicht
Hamburg

Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung 
Ponyhof

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