Letztes Wochenende war ich... bei einem Stadtfest - die Stadt Mainz beging den 500. Todestages von Johannes Gutenberg mit einem viertägigen Fest. Das wäre an sich in diesem Blog eine eher überraschende Nachricht, der Besuch hatte aber natürlich mit Musik zu tun. Die Veranstalter hatten den Auftritt von Alex Mayr unter anderem mit den Worten "Ihre Musik ist eine Hommage an das selbstbestimmte Leben einer emanzipierten Frau" angekündigt, was mich einigermaßen irritierte. Nicht, dass ich die Musikerin nicht für emanzipiert halten würde, aber kann man davon im Jahr 2022 nicht irgendwie ausgehen? Und es ist ja nun nicht so, als hätte sie sich insbesondere emanzipatorischen Themen verschrieben.
In Mainz angekommen suchten wir erst hektisch den Veranstaltungsort am Bischofsplatz, der sich als kleiner Platz mit ebenfalls nicht riesiger Bühne entpuppte. Direkt daneben konnten an einem Stand Kinder Bilder drucken (ganz im Sinne des durch das Fest geehrten Johannes Gutenberg), auch sonst war der Familienanteil hoch - so hoch, dass Eltern, mit denen wir kurz eine Bierbank teilten, mutmaßten, auf der Bühne werde sicher das Kinderprogramm vorbereitet.
Es ging zwar nicht ums Kinderprogramm, aber die Vorbereitungsarbeiten seitens der Musiker und Techniker erwiesen sich als komplex: Der eigentliche Beginn um 15 Uhr verstrich, bis tatsächlich alle auf der Bühne zwischen zwei mitgebrachten Plastikpalmen standen und anfangen konnten, war es fast eine Stunde später. Alex Mayr war ganz in weiß - als wäre sie noch mit Get Well Soon auf Tournee. Mit dabei waren ihre beiden Bandkollegen Konrad Henkelüdeke (Schlagzeug) und Sebastian Brödner (Bass). Eine kleine Zuschauergruppe schien definitiv wie wir wegen der Sängerin vor Ort zu sein, beim restlichen Publikum war ich mir da sehr unsicher - vielleicht waren sie auch wegen des Weinstands da, oder einfach, weil sie hier Sitzplätze gefunden hatten.
Wir hatten vorab gemutmaßt, dass Alex Mayr, wie wir das auch letztes Jahr beim Maifeld Derby gesehen hatten, ihr aktuelles Album "Park" komplett spielen würde - womit dieses für uns bereits das dritte Konzert der letzten Zeit wurde, bei dem eine Platte in Gänze gespielt wurde (davor war das bei Suede und The Jesus and Mary Chain der Fall). Nach dem Opener "Eingang" erklärte Alex zum einen, dass die technischen Schwierigkeiten sich auf das Anschließen eines Laptops mit Extrageräuschen bezogen hätten - dieser sei quasi ein ganzes Orchester, so lange sie sich kein echtes als Begleitung leisten könne. Außerdem verhandelte sie mit dem Tonmann, weil sie sich selbst nicht beim Singen hören konnte.
Dieses Gespräch veranlasste wohl eine der Zuschauerinnen, sich vor der Bühne direkt an die Sängerin zu wenden. Der Antwort "Ein bisschen laut muss es schon sein" entnahmen wir, dass sie darum gebeten hatte, die Lautstärke gen Publikum zu reduzieren - hoffentlich ziterte sie dabei aus "Margaritas" "zu laut zu laut zu laut"! Während ich zuerst despektierlich annahm, es handele sich bei der Lärmgeplagten um eine genervte Mutter (tatsächlich hatten sich bei Musikbeginn einige der vielen anwesenden Kleinkinder die Ohren zugehalten - "Anfang" verfügt auch über eine ausgesprochen geräuschvolle Passage), sah ich später, dass diese Frau das ganze Konzert lang dabei blieb und auch eifrig klatschte. In etwas leiser wollte sie die Musik also durchaus hören.
Zum Aufbau des Konzeptalbums sowie zu den meisten Liedern gab es Erklärungen, so auch zu "Margeritas", in dem es um den Tag nach einem perfekten Abend geht - und zu dem wir gebeten wurden, die "Lululus" mitzusingen. So richtig gut waren wir sicher nicht, die Sängerin versicherte aber wohlwollend, sie könne mit uns auf Tour gehen.
Vor "Tauben" sagte Alex Mayr zunächst, jetzt komme ihr Wut-Lied, dann erkannte sie, dass das erst mit dem anschließenden "Ohrfeige" fällig war und erklärte, in "Tauben" gehe es um Menschen, die sich mehr lieben sollten, also quasi alle.
Nach dem letzten Lied "Ausgang" gab es einiges an Applaus, die Sängerin wunderte sich gerührt darüber, dass doch einige der Zuschauer extra wegen ihr gekommen waren: "Ich dachte, ihr lungert hier nur so rum!" Gleichzeitig freute sie sich, dass es bei jedem Konzert der "Park"-Tour Besucher gegeben habe, die die Texte mitsingen konnten.
Trotz des verspäteten Beginns war sogar noch Zeit für zwei Zugaben, wir hörten noch die älteren Songs "Deine Schuhe" (ein glückliches Trennungslied) und "Sprit", das textlich die vielen ungebetenen Ratschläge verarbeitet, die die Künstlerin schon zu ihrer Musikkarriere erhalten hat.
Setliste:
Alle
Margaritas
Zeit
Krocket
Allein
Statue
Geisterbahn
Tauben
Ohrfeige
Ausgang
0 comments