Zum Nikolaustag überraschte mein Freund mich mit Tickets für Kate Nash vier Tage später, also ging es am Montagabend darauf für uns beide nach Köln. Die Hinfahrt hätte uns beinahe eine Wiederholung des Konzertberichts "Neulich nach der Vollsperrung" beschert, denn wegen eines Unfalls ging ab Lohmar auf der A3 überhaupt nichts mehr. Wir hatten aber Glück im Unglück und konnten die allerletzte Ausfahrt nehmen, bevor man ohne weitere Ausweichmöglichkeit dem Stillstand ausgesetzt gewesen wäre - so ging es auf Umwegen und etwas verspätet zur Kantine - aber eben nur etwas.
Erst im September hatten wir hier Paris Paloma gesehen, dieses Mal war bei der ebenfalls feministischen Kate der Frauenanteil im Publikum zwar ebenfalls eher hoch, aber das Geschlechterverhältnis im Direktvergleich deutlich ausgeglichener. Kate Nash wiederum hatten wir vor vielen Jahren einmal beim Haldern Festival gesehen, und ein zweites und bislang letztes Mal 2019 beim A Summer's Tale-Festival.
Stau und Umweg hatten uns etwas Zeit gekostet, so dass der Saal bereits sehr gut gefüllt war - wir waren ein wenig überrascht, dass Kate Nash, deren bekanntestes Lied von 2007 stammt, so viele Besucher angezogen hatte. Wir hatten gerade noch Zeit, zu bemerken, dass auf der Bühne bereits jemand lag (ich konnte aus meiner Perspektive eigentlich nur einen Schuh erkennen), da war es schon Zeit für den Support Act Connie Constance. Diese betrat die Bühne in einem ungewöhnlichen Phantasieoutfit und machte als erstes eine dramatische Geste, durch die sie ihren Bassisten "zum Leben erweckte".
Auf Wikipedia habe ich gelesen, dass die Britin ausgebildete Tänzerin ist, was man ihrem Auftritt durchaus anmerkte: Jeder Song schien eine eigener Choreographie zu haben. Alle Instrumente außer Bass und Gesang wurden eingespielt. Connies Musik ist dabei eine Mischung aus Pop, Punk, Elektro und EDM, sie hat auch schon einmal mit der Swedish House Mafia kollaboriert.
So richtig konnte mich die Musik nicht packen, aber ich war beeindruckt, wie viel Enthusiasmus die beiden in ihre Show steckten - dieser steckte die stets begeisterungsfähigen Kölner auch an. Bei einem Song wurden auf Wunsch des Bassisten, der übrigens ein Tic Tac Toe-T-Shirt trug und diese als "best band in the world" bezeichnete, im Publikum auch die Handy-Taschenlampen angeschaltet.
Nach dem kurzen Auftritt hörten wir als Umbaumusik hauptsächlich weibliche Interpreten: Britney Spears, Christina Aguilera, Pixies (mit einem von Kim Deal gesungenen Song), 4 Non Blondes, Judy Garland, Destiny's Child. Vor Kate Nash kam ihre dreiköpfige, komplett weibliche Band auf die Bühne und besetzte Schlagzeug, Bass und Gitarre. Die drei trugen (ähnlich zum damaligen Auftritt beim A Summer's Tale) Arbeitshosen, Kate Nash-T-Shirts und Westen, die ich eher mit männlichen deutschen Rentnern assoziiere, die aber wohl auch Handwerkerkleidung symbolisieren sollten. In der Wartezeit auf die Sängerin trank die Bassistin ein wenig Tee, die Schlagzeugerin las Zeitung und die Gitarristin schrieb auf einen Block "Köln" und etwas, das ich nicht lesen konnte. Was diese etwas laienspielhafte Darbietung sollte, erschloss sich leider nicht so richtig. Dann wurden noch Blumen ins Publikum geworfen - und Kate betrat nun auch die Bühne.
Die Sängerin hat nach sechsjähriger Veröffentlichungspause dieses Jahr das Album "9 Sad Symphonies" herausgebracht, mit dem sie aktuell auf Tournee ist. Die Arrangements auf der Platte enthalten vielfach Streicher und Pianoklänge, die live aber vom Band kamen.
Auch mit kleiner Besetzung ist das Touren jedoch nicht mehr ganz einfach zu finanzieren, erfuhren wir in einer längeren Ansprache nach "Mouthwash": Nash hat in der europäischen Presse für Schlagzeilen gesorgt, weil sie auf der Plattform OnlyFans unter dem Motto "butts for tour buses" Fotos von ihrem Hintern verkauft - um so ihre Tournee finanziell zu unterstützen. Sie erklärte ausführlich, dass ein Großteil der Beträge, die früher an die Künstler gingen, heute sowohl bei den Streaming-Plattformen wie Spotify als auch bei den großen Veranstaltern wie Live Nation landen. Musiker und Veranstaltungsorte dagegen kämpfen um ihre Existenz.
Nash sieht darin, wahrscheinlich zurecht, eine Gefahr für das gesamte Musikbusiness abseits der Superstars - und freut sich, dass die Medien, die vorher wenig Interesse an ihrem Anliegen hatten, nun dank der OnlyFans-Aktion doch gerne mit ihr sprechen möchten.
Zum danach folgenden "Misery" machte die Sängerin einen Ausflug ins Publikum, und an einer Stelle des Songs sollten alle Besucher auf dem Boden kauern. Danach folgte eines von zwei Medleys verschiedener Songs - eine etwas seltsame Entscheidung, denn die Setliste hätte auch ein bis zwei voll ausgespielte Titel mehr vertragen - und ein Medley bedeutet, dass sowohl diejenigen, die den Song gerne ganz gehört hätten, als auch die, die auf ihn verzichten würden, enttäuscht werden.
Nach dieser eher punkigen Einlage gefiel uns die darauf folgende akustische Darbietung von "I Hate Seagulls" und "Nicest Thing", für die Bassistin und die Schlagzeugerin kurz die Bühne verließen, viel besser. "Wasteman" vom neuen Album kam beim Publikum besonders gut an, im zweiten Medley wurden auch die beiden Hits "Kiss That Grrrl" und "Mariella" verwurstet, bevor der Hauptteil mit "Foundations" beendet wurde - Kates bislang größter Hit bildete auch den Höhepunkt des Sets..
Für die Zugabe "Space Odyssey 2001" begann Kate zunächst mit dem falschen Song und behauptete, die Zeit zurückdrehen zu können, indem sie sich schnell um sich selbst drehte. Große Teile des Publikums machten mit, so dass der Fehler quasi ausgelöscht war - den Trick muss ich mir merken! Leider scheint dabei die bei anderen Auftritten gespielte zweite Zugabe "Birds" ebenfalls in ein Zeitloch gefallen zu sein, sie fiel dieses Mal aus. Das Set endete mit einem wilden Tanz der Musikerinnen zu einem Technosong.
So blieb es bei einem etwas kürzeren Auftritt als erhofft, was natürlich schade war - ebenso, dass abgesehen von dem längeren und nachvollziehbaren Statement zum finanziellen Notstand der Musiker recht wenig gesagt wurde. Dennoch finde ich Kate Nash immer noch sehr sympathisch und bin froh, dass sie weiterhin unbeirrbar ihren künstlerischen Weg geht.
Wir erfuhren im Nachhinein, dass Kate Nash ihren vorherigen Auftritt in Berlin krankheitsbedingt hatte absagen müssen - es ist also gut möglich, dass sie das Kölner Set deshalb ein wenig kürzen musste.
Setliste:
0 comments