Warum in die Ferne schweifen: Sigur Rós in der Frankfurter Jahrhunderthalle

by - Oktober 16, 2017


Während ich einen Besuch beim gestrigen Sigur Rós-Konzert in der Jahrhunderthalle Höchst angesichts der Tatsache, dass ich die Band im Dezember gleich zweimal sehen werde, ablehnte, ließ sich mein Freund von solchen Details nicht zurückhalten: Also machte er sich gestern ohne mich auf den Weg nach Frankfurt und beantwortete heute meine Fragen:

Wir werden zusammen Ende des Jahres nach Reykjavik reisen, wo Sigur Rós in der Konzerthalle Harpa eine Reihe Konzerte geben werden. Wir haben sogar Tickets für zwei davon. Warum wolltest Du die Band zusätzlich noch zwei Monate früher in der Frankfurter Jahrhunderthalle sehen?

Ich verstehe die Frage gar nicht. Natürlich würde ich Sigur Rós am liebsten an allen vier Abenden in Reykjavik sehen und wenn ich für die Band nach Island reise, dann ist es doch selbstverständlich, dass, wenn sie im Grunde vor unserer Haustüre spielen, ich auch anwesend bin. Außerdem gab es bei ebay zwei Karten zum Preis von einer.


War es ähnlich voll wie letzte Woche bei Nick Cave?

Ja, es war erneut ausverkauft, aber es gab erfreulich weniger Drängler als letzte Woche bei Nick Cave. Eigentlich gar keine. Bis auf zwei kleine Kinder, die mit ihren Eltern da waren und kurz vor Beginn in die erste Reihe vorgelassen wurden. Voll nett, die Sigur Rós-Fans. Es hat sich aber herausgestellt, dass man mit kleineren Kindern nicht zu Konzerten gehen sollte, vor allem, wenn die Eltern keine richtigen Ohrenschützer für ihre kleinen dabei haben, denn nach dem ersten Lied hatten sie schon genug und im zweiten mussten die Eltern mit ihnen nach hinten und sicherlich frühzeitig wieder nach Hause gehen. 


Und der zeitliche Ablauf?

Der zeitliche Rahmen war ähnlich wie bei Nick Cave: 18:30 Einlass, keine Vorband, geplanter Beginn: 20 Uhr, tatsächlicher Beginn gegen 20:30 Uhr, Konzertdauer ca. 2 Stunden.


Ob seitens der Band viel gesprochen wurde, muss ich nicht fragen, oder?

Du meinst, mehr als "Takk"? Tatsächlich wurden auf der Bühne zwischen Jónsi und Schlagzeuger Orri einige Worte gewechselt, da mit dem Drum Kit etwas nicht stimmt und mehrmals daran herum geschraubt werden musste. Ach, und auch zum Publikum hat Jónsi vor dem letzten Lied "Popplagið" (und nach dem traditionellen "Takk") noch zwei Sätze gesagt - auf isländisch.


Vorletztes Jahr am selben Ort gab es recht aufwändige visuelle Unterstützung. War das dieses Mal auch so, und kamen dieselben Bilder / Elemente zum Einsatz?

Tatsächlich hast du Sigur Rós schon vier Mal als Trio live gesehen: 2013 in Rom und Frankfurt mit Unterstützung von Streichern und Bläsern und 2016 in Stockholm und beim A Summer's Tale Festival zu dritt. Der Bühnenaufbau mit diesen zahlreichen Gerüsten, die Lichtröhren trugen, der LED-Wand hinter der Band und einer weiteren Projektionsfläche im Hintergrund war identisch mit den 2016 Konzerten. Die meisten der tollen visuellen Effekte kamen mir ebenfalls sehr bekannt vor.


Haben sie wieder "Óveður" und den zweiten Song nahezu unsichtbar hinter der LED-Wand gespielt?

Jein. Denn sie haben ihr Set gar nicht wie zuletzt immer mit "Óveður" begonnen. Auch war ungewöhnlich - und wir hatten neulich bei Suede schon festgestellt, dass es gar nicht so sinnvoll ist, seinen Auftritt in zwei Teile zu gliedern - dass sie das Konzert in zwei Sets unterteilt hatten, die jeweils ungefähr eine Stunde dauerten. Dazwischen gab es eine viel zu lange Umbaupause, bestimmt 20 Minuten, in denen aber nicht viel mehr gemacht wurde, als einige "Netze" zu entfernen. Als Sigur Rós nach dem ersten Set wiederkamen, begannen sie mit "Óveður" hinter der LED-Wand, die sich dann im Verlauf des Liedes anhob. Neu waren in diesem Song Schlagezugeffekte, die nach Krieg der Sterne und Lasergewehren klangen, was durch die Leuchtröhren toll visuell unterstützt wurde.


Was hat sich seitdem auf der Setliste getan?

Einiges. Neben "Óveður", welches sie letztes Jahr erstmals live präsentierten, haben sie mit "Á", "Niður" und "Varða" drei weitere neue Lieder in die Setliste aufgenommen. Alle wurden im ersten Teil des Konzertes dargeboten, das deutlich ruhiger war und häufiger Richtung Ambient als Post-Rock tendierte. Orri Páll Dýrason und Georg Hólm waren daher auch manchmal an den Keyboards und nicht an Schlagzeug und Bass zu sehen.
Während "Varða", dem letzten Song des ersten Abschnitts, tauschten die beiden auch ihre Instrumente und verließ die Band nach und nach die Bühne, bis letztendlich noch Georg Hólm am Keyboard saß, einige Zeit weiter spielte, das Lied ausklingen ließ und dann abging, was für einige überraschte bis entsetzte Reaktionen im Zuschauerraum sorgte, da die Sache mit den zwei Sets wohl nicht allgemein bekannt war.     

Außer dem neuen Album, das 2018 veröffentlicht werden soll, wurde auch "( )", das 2002 erschienen war, mit vier ausgewählten Songs besonders berücksichtigt.


Erst im zweiten Set, das mehr mit bekannten Fan-Lieblingen wie "Sæglópur" oder "Ný Batterí" bestückt war, erlebten wir die lauteren, rockigeren Sigur Rós. Zum Ende, als "Festival" und das düstere "Kveikur" gespielt wurden, brach es wieder deutlicher aus Jónsi heraus, der schrie, mit dem Geigenbogen die Gitarre malträtierte und diesen durch die Gegend warf. Beim traditionellen Schluss-Song "Popplagið" stieß er dann wieder den Mikrofonständer von der Bühne, kickte einen Verstärker um und Orri, der sich längst seines schweißnassen T-Shirts entledigt hatte, riss Teile seines Schlagzeuges um.

Nach Zugaben brauchst du aber wirklich nicht zu fragen, denn nach "Popplagið" kommt nichts mehr. Was sollte danach auch noch folgen? Sigur Rós wurden noch zweimal unter tosendem Applaus auf die Bühne gebeten und gewürdigt.   


Welche Lieder würdest du dir denn für die Konzerte in Island wünschen?

Es wäre auf jeden Fall wünschenswert, wenn die beiden Konzerte nicht absolut identisch wären. Lieder, die sie in den letzten Jahren gespielt haben, die ich aber diesmal sehr vermisst habe, wären "Olsen Olsen", "Svefn-g-englar" oder auch "Hafsól".


Hast du außer den schönen Fotos auch an die Setliste gedacht?

Klar:

Á
Ekki Múkk
Glósóli
E-Bow
Dauðalagið
Fljótavík
Niður
Varða

Óveður
Sæglópur
Ný Batterí
Vaka
Festival
Kveikur
Popplagið


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