Gesehen: Juni 2020

by - Juli 14, 2020



Dieses Jahr ist ja nun wirklich schon so einiges ausgefallen, darunter auch der Eurovision Song Contest. Erst kürzlich fiel mir wieder ein, dass der NDR dieses Jahr - vielleicht in weiser Voraussicht - auf den üblichen, öffentlichen Auswahlprozess verzichtet hatte und einfach einen Teilnehmer (oder eine Teilnehmerin? Vielleicht war es auch eine Band?) festlegte. Das wirkte damals recht lieblos, war aber angesichts der Tatsache, dass es dann keinen ESC gab, natürlich letztlich völlig egal. Es bedeutet auch, dass ich den deutschen Beitrag vermutlich nie kennen werde, weil er mir schlicht zu egal ist, um zu googlen.

Damit ist 2020 aber auch das perfekte Jahr, um für all jene, die nun unter ESC-Entzug leiden und sich nach verrückten Kostümen, Flammen, komplexen Tänzen, Trickkleidern und natürlich sehr vielfältigen musikalischen Beiträgen sehnen, einen ESC-Spielfilm herauszubringen. Glücklicherweise hat Netflix genau das für uns erledigt - oder eigentlich war es Will Ferrell.

Der US-Comedian ist selbst mit einer Schwedin verheiratet und hat den ESC dank ihr bereits 1999 kennen gelernt. 2018 besuchte er als Vorbereitung für den Film das ESC-Finale in Lissabon und sprach mit einigen Teilnehmern. Heraus kam Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga, der seit Ende Juni via Netflix zugänglich ist.

Die Geschichte dreht sich um Lars (Ferrell) und Sigrit (Rachel McAdams) aus dem isländischen Ort Húsavík, die seit ihrer Kindheit gemeinsam musizieren und hoffen, den ESC gewinnen zu können. Ihr Songmaterial ist dabei durchaus geeignet, allerdings werden die beiden vom Pech verfolgt und schaffen es nur dank der Tatsache, dass alle anderen isländischen Kandidaten zu Tode kommen, zum Wettbewerb nach Edinburgh - wo sie viele andere Teilnehmer kennenlernen, weiterhin Pech haben, sich streiten und versöhnen und letztlich zumindest einen tollen gemeinsamen Bühnenauftritt haben.

Sicher, die Handlung ist nicht extrem überraschend, aber der Film strahlt eine echte Liebe zu der Mischung aus Kitsch, Wahnsinn und Authentizität aus, die den ESC eben ausmacht, und ist somit viel mehr als eine Komödie über den zugegebenermaßen viel Angriffsfläche bietenden Wettbewerb, die es sich zu leicht macht - Letzteres war meine Befürchtung gewesen. Er ist eher lustige Hommage auf Augenhöhe als Veralberung von oben.

Hinzu kommen viele Gastauftritte bekannter ESC-Teilnehmer und ehemaliger Sieger, bei denen ich gestehen muss, dass ich viele nicht erkannt habe - nur Conchita Wurst (gewann für Österreich), Alexander Rybak (nahm zweimal für Norwegen teil und gewann einmal), Netta (gewann 2018) und Salvador Sobral (gewann für Portugal).

Zuletzt sei noch erwähnt, dass Ferrell und McAdams sich für den Film isländische Akzente antrainiert haben, was mich normalerweise extrem nervt - Isländer sprechen miteinander nun einmal Isländisch und nicht Englisch mit Akzent. In diesem Fall funktioniert es aber, weil erstens perfektes Englisch mit nordischem Akzent zumindest häufig vorkommt und zweitens ein Großteil der Kommunikation in einem internationalen Umfeld stattfindet.


You May Also Like

0 comments