Tulpen statt Gladiolen: Perrecy im Regensburger W1

by - Februar 16, 2015

Was denkt Morrissey wohl darüber, dass ein Deutscher seine Texte übersetzt und zur Ukulele vorträgt, auf seinem Albumcover posiert wie das Original auf "You Are The Quarry" und bei Auftritten einen Tulpenstrauß in der Gesäßtasche trägt? Man weiß es nicht, wahrscheinlich gar nichts - zumindest hat er anscheinend auf die Bitte, Perrecys Coverversionen offiziell gutzuheißen, nie reagiert.


Perrecys Album "Du bist das Opfer" ist 2013 erschienen, am Freitag gab es in Regensburg - bereits zum zweiten Mal - Titel daraus live zu hören. Im Vorfeld war ich gespannt. Beim Album muss ich gestehen, es doch in allererster Linie als Gag empfunden zu haben. Klar, viele Übertragungen sind sprachlich witzig und gelungen, aber will man wirklich über längere Zeit Perrecy hören, wenn man sich genauso gut Morrissey selbst auflegen kann? Englische Bücher lese ich ja auch lieber im Original!

Hätte ich mir die Vorstellung des Albums bei Platten vor Gericht besser gemerkt, hätte ich noch gewusst, dass zur Perrecy-Band auch Mitglieder von Slut gehören: auf Platte zwei, am Freitag nur eines. Neben dem Sänger standen auch (Slut-) Schlagzeuger René Arbeithuber (No Joyze) , Sebastian Hantzsche (Co Marr) an der Ukulele und Daniel Kizilirmak (Andy Tourke) am Bass auf der Bühne. Es ist übrigens ganz erstaunlich, wie riesig so ein normaler Bass plötzlich wirkt, wenn er ausschließlich von Ukulelen umgeben ist ...


Das Set, zu dem im Hintergrund Schwarzweiß-Tanzvideos aus dern 60ern gezeigt wurden, begann mit "Panik" und "Velourskopf", zwei Liedern, die auch auf dem Album enthalten sind, doch folgte anschließend mit "Langfinger Dieser Welt Vereint Euch" zumindest eine Live-Premiere. Andere Songs, die noch kommen sollten, kannte ich von der Doppel-CD noch nicht, etwa die Version von "Last Of The Famous International Playboys" oder das extra als Gastgeschenk für die Veranstalter mitgebrachte "The Headmaster Ritual".

Viele Lieder, ob bereits bekannt oder nicht, hatten eine spezielle Motivation: So wurde "Bavarian Front Disco" als Übung gespielt, weil man es am nächsten Tag in Dresden quasi aus aktuellem Anlass besonders gut spielen wollte. "Manche Frauen sind dicker als andere" wurde einer gewissen Deb gewidmet, "Alles Schlechte zum Geburtstag" allen Anwesenden, die am Freitag den 13. (an dem auch dieses Konzert stattfand) geboren waren. "Haarschneider auf Flamme" hat es anscheinend in eine SZ-Liste der besten zehn Lieder über München geschafft.


Bei der ausliegenden Setliste hatte Perrecy sich viel Mühe gegeben, möglichst intransparent zu arbeiten, so dass man häufig selbst, wenn man einen Blick darauf erhaschte, erst ein Rätsel-Wortspiel lösen musste. Beispiel gefällig? Morrisseys Original: "First of the gang to die", Perrecy-Version: "Der erste der Jungs der starb", Setliste: "Hecktür". So wunderte es auch nicht, dass der Bassist bei einem bereits angekündigten Song vorab nachhaken musste, was denn nun käme.

Mit vielen Zwischenansagen und einem gewissen Leidensdruck für den Bassisten (er forderte eine Änderung der Setliste an zukünftigen Abenden, weil es sich anscheinend an den vielen Bass-lastigen Liedern die Finger wund spielte) schritt der Konzertabend schnell voran, bis er mit den vergleichsweise alten Nummern "Dieser charmante Mann" und "Preussisch Blut, Bayerisch Herz" zunächst endete, aber natürlich ließ man sich noch für zwei Zugabelieder, nämlich "Bitte, Bitte, Bitte, lass mich kriegen was ich will" und "Das ist ein Licht das niemals erlischt" zurück auf die Bühne bitten. Ein weiterer auf der Setliste vermerkter Song blieb allerdings ungespielt, mit insgesamt 22 vorgetragenen Songs hatten Perrecy und Band sich allerdings ihr Eintrittsgeld mehr als verdient.


Aber wie war der Cover-Abend nun? Erstaunlich gut. Perrecy wirkt weit authentischer, als ich das erwartet hatte. Natürlich hilft es bei der Live-Darbietung, dass die Smiths- und Morrissey-Titel, die er vorträgt, von Anfang an brilliant waren, und ebenso, dass die Musiker allesamt ihr Handwerk sehr gut verstehen. Aber das Gesamterlebnis war viel mehr ein echtes Konzert eines engagierten Künstlers als ein Comedy-Event mit Morrissey-Kopie und funktionierte folglich viel länger als das bei einem Witz-Auftritt der Fall wäre.



Setliste (Originaltitel in Klammern):

Panik (Panic)
Velourskopf (Suedehead)
Langfinger dieser Welt vereint euch (Shoplifters of the World) (Premiere)
Noch kränklich (Still ill)
Der Alltag ist wie Sonntag (Everyday Is Like Sunday)
Alles Schlechte zum Geburtstag (I've Come To Wish You An Unhappy Birthday)
Frag? (Ask)
Manche Frauen sind dicker als andere (Some Girls Are Bigger Than Others)
"P'boy" (Last Of The Famous International Playboys)
Der erste der Jungs der starb (First of the gang to die)
Stopp mich wenn du glaubst dass du dieses Ding schon kennst (Stop Me If You Think That You've Heard This One Before)
"Rektal" (The Headmaster Ritual)
Alles was ihr braucht bin ich (All You Need Is Me)
November schuf ein Untier (November Spawned A Monster)
Bavarian Front Disco (National Front Disco)
Hübscher Teufel (Handsome Devil)
Meine Freundin liegt im Koma (Girlfriend In A Coma)
Haarschneider auf Flamme (Hairdresser On Fire)
Dieser charmante Mann (This Charming Man)
Preussisch Blut, Bayerisch Herz (Irish Blood English Heart)

Bitte, Bitte, Bitte, Lass Mich Kriegen Was Ich Will (Please Please Let Me Get What I Want)
Das ist ein Licht das niemals erlischt (There Is A Light That Never Goes Out)

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